Verwaltungsrecht

Keine Glaubhaftmachung einer konkrete Bedrohungslage in Georgien durch Tschetschenen

Aktenzeichen  M 16 S 16.30432

Datum:
9.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 30 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit eines Vortrags bestehen, wenn der Asylantrag erst mehrere Jahre nach unerlaubtem Aufenthalt im Bundesgebiet aus der Haft heraus gestellt wird. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der am … 1987 geborene Antragsteller ist georgischer Staatsangehöriger.
Am 26. November 2013 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) für diesen einen Asylantrag. Der Antragsteller befand sich zu diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft wegen des Verdachts der Urkundenfälschung und illegaler Einreise. Er war am … November 2013 festgenommen worden, nachdem er sich nach den polizeilichen Feststellungen mit gefälschten litauischen Dokumenten (Reisepass, Führerschein) ausgewiesen hatte.
Bei seiner Anhörung gemäß § 25 AsylG vor dem Bundesamt am 16. Dezember 2013 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, er könne keine Personaldokumente vorlegen. Er habe in Georgien zuletzt im Dorf … von 2009 bis 2011 bei einem Cousin gewohnt. Er sei Ende 2011 ausgereist und nach … geflogen. Von dort sei er mit dem Bus nach … gefahren und Ende 2011 dort angekommen. Er hätte gehört, dass in den Unterkünften der Aufnahmeeinrichtungen viele Tschetschenen seien. Weil er Angst gehabt habe, habe er 2011 und 2012 keinen Asylantrag gestellt. Jetzt stelle er den Asylantrag, weil er nicht nach Georgien zurück wolle. Er würde dort große Probleme bekommen. Die Tschetschenen würden ihn abholen kommen. Außerdem habe er dort keine Möglichkeit, z. B. zur Tierhaltung, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Tschetschenen hätten gewollt, dass er etwas für sie mache. Was er konkret hätte machen sollen, wisse er nicht. Sie seien immer gekommen und hätten zu ihm gesagt, er solle zu ihnen kommen und bei ihnen arbeiten. Er hätte in Georgien keinerlei Möglichkeit gehabt, sich zu versorgen und habe auch nicht länger bei seinem Cousin und Nachbarn bleiben können. Er sei einmal wegen der Tschetschenen zur Polizei gegangen. In seiner Heimatregion könne die Polizei aber wenig gegen die Tschetschenen ausrichten. Dies sei nicht in ganz Georgien so gewesen, nur in der Grenzregion zu Tschetschenien. In Georgien wäre er nicht versorgt worden, deshalb sei er ausgereist. Auf die Frage, ob nicht mehr geschehen sei, als dass die Tschetschenen zu ihm gekommen seien und von ihm etwas gewollt hätten, gab der Antragsteller an, sie hätten nicht mehr gewollt. Außerdem hätten sie ihn am Sonntag nicht zur Kirche gehen lassen. Er sei ausgereist, weil ihn keiner vor den Tschetschenen schützen könne. Er habe dort weder Haus noch Obdach und auch nichts zu essen. Die Tschetschenen würden ihn abholen kommen, auch in Tiflis. Hier in Deutschland werde er versorgt und in seiner Heimatregion könne ihn die Polizei nicht schützen.
Nach Mitteilung der Regierung von Oberbayern an das Bundesamt vom 26. Februar 2014 sei der Antragsteller am … Januar 2014 aus der Haft entlassen worden und seither unbekannt verzogen. Bei der ZABH (Zentrale Ausländerbehörde) in München sei er nicht vorstellig geworden.
Mit Schreiben an den Bevollmächtigten des Antragstellers vom 12. November 2015 hörte das Bundesamt zu einer Befristung des im Fall einer künftigen, vollzogenen Abschiebung kraft Gesetzes eintretenden Einreise- und Aufenthaltsverbots an. Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilte hierauf mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2015 mit, der Antragsteller befinde sich in psychiatrischer Behandlung bei einem Facharzt in … Er verweise auf sein Telefax vom 25. November 2014. Dieses befindet sich jedoch nicht in der Akte des Bundesamts.
Mit Bescheid vom … Februar 2016, als Einschreiben am 23. Februar 2016 zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie den Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab, lehnte zudem den Antrag auf subsidiären Schutz ab, und verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Georgien oder in einen anderen Staat angedroht, in den der Antragsteller einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen offensichtlich nicht vor, da der Antragsteller keine Verfolgungsmaßnahmen durch den Staat oder zu berücksichtigende schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen seitens nichtstaatlicher Dritter zu befürchten hätte. Selbst wenn man das völlig unsubstantiierte und undetaillierte Vorbringen des Antragstellers als wahr unterstellen würde, wäre darin keine gezielte und individuelle politische Verfolgung von asylerheblicher Intensität bzw. Betroffenheit des Antragstellers in asylrechtlich geschützten Rechten erkennbar. Im Übrigen zeige auch bereits die Tatsache, dass der Antragsteller bereits Ende 2011 eingereist sei, seinen Antrag jedoch erst Ende 2013 aus der JVA heraus gestellt habe, dass er offensichtlich selbst keine Verfolgung befürchtet hätte. Der Erklärungsversuch des Antragstellers, er habe dies aus Angst unterlassen, vermöge in keinster Weise zu überzeugen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Es sei weder von der georgischen Regierung noch durch nichtstaatliche Dritte mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung zu befürchten. Die nationalen Sicherheitskräfte gewährleisteten grundsätzlich ausreichenden Schutz vor Schäden, die von nichtstaatlichen Akteuren drohen könnten. Selbst wenn der Antragsteller tatsächlich Probleme mit Tschetschenen haben würde, wäre es ihm hinsichtlich etwaiger Übergriffe durchaus zuzumuten, sich an die Behörden seines Heimatlands zu wenden und dort um Schutz nachzusuchen. Die georgischen Behörden seien grundsätzlich schutzbereit, schutzwillig und auch in der Lage, den erforderlichen Schutz zu gewährleisten. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Georgien führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Eine zu berücksichtigende Gefahrenlage liege in Georgien nicht vor. Dem Antragsteller drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib und Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Insbesondere sei kein krankheitsbedingtes Abschiebeverbot erkennbar. Es sei nicht erkennbar, dass sich der Gesundheitszustand des Antragstellers bei einer Rückkehr in sein Heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich verändern würde. Es befänden sich bereits keinerlei ärztliche Unterlagen in der Akte, wonach bei dem Antragsteller gesundheitliche Beeinträchtigungen bestünden. Selbst wenn der Antragsteller jedoch tatsächlich psychische Probleme haben sollte, wäre eine ggf. erforderliche Behandlung nach der dargestellten Auskunftslage auch in seinem Heimatland durchführbar und finanzierbar.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers am 2. März 2016 Klage und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde auf die Ausführungen des Antragstellers im bisherigen Verfahren Bezug genommen. Der Antragsteller sei seit November 2014 bei einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Behandlung. Er habe das Attest persönlich bei der Antragsgegnerin – Außenstelle Boschetsriederstraße – im November 2014 übergeben. Der Antragsteller sei nicht reisefähig. Er habe bei seiner Anhörung vorgetragen, Probleme mit Tschetschenen in seiner Heimat gehabt zu haben, er habe noch nicht einmal mehr die Kirche besuchen können. Es dürfte gerichtsbekannt sein, dass Tschetschenen Einfluss in Georgien ausübten, der Vortrag könne nicht von vornherein als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren M 16 K 16.30431 sowie auf die am 1. März gemäß § 36 Abs. 2 AsylG vorab vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bleibt ohne Erfolg.
Er ist bereits unzulässig, soweit er auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (vgl. Nr. 6 des Bescheidstenors) gerichtet ist. Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Befristungsentscheidung ist regelmäßig nur durch eine auf die vorläufige (kürzere) Befristung der Sperrwirkung nach § 11 Abs. 2 AufenthG oder auf die vorläufige Erteilung einer Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 8 AufenthG gerichtete Regelungsanordnung im Verfahren nach § 123 VwGO zu erlangen (vgl. NdsOVG, B. v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris Rn. 5; vgl. u. a. auch VG Oldenburg, B. v. 8.1.2016 – 5 B 4510/15 – juris Rn. 3; VG Münster; B. v. 20.1.2016 – 4 L 39/16 A – juris Rn. 10).
Im Übrigen ist der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 1 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, zulässig, insbesondere wurde die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gewahrt.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B. v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43 ff.). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
An der Rechtmäßigkeit der im vorliegenden Fall vom Bundesamt getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
Im gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a Abs. 1 GG) und für Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 und 4, §§ 3a – 3e AsylG) offensichtlich nicht vor, § 30 Abs. 1 AsylG). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht gem. § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung des angefochtenen Bescheids des Bundesamts Bezug, der es folgt.
Der Antragsteller macht in unsubstantiierter Weise eine Bedrohung durch „Tschetschenen“ geltend und beruft sich zugleich auf eine fehlende (wirtschaftliche) Versorgung in Georgien. Im Hinblick auf das insgesamt nur äußerst allgemeine und vage Vorbringen des Antragstellers zu einer Bedrohungslage durch „Tschtetschenen“ und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er sich vor Stellung des Asylantrags bereits seit fast zwei Jahren unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten hatte und die Asylantragstellung aus der Untersuchungshaft heraus erfolgte, ist das Vorbringen des Antragstellers auch nach Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaft. Eine konkrete Bedrohungslage hat der Antragsteller nicht dargestellt. Lediglich auf Nachfrage hatte er bei der Anhörung vor dem Bundesamt pauschal angegeben, die Tschetschenen hätten ihn am Sonntag nicht zur Kirche gehen lassen. Auch diesbezüglich hat der Antragsteller jedoch keinerlei nähere Angaben gemacht.
Ernstliche Zweifel bestehen ebenfalls nicht hinsichtlich der Versagung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylVfG) und der Verneinung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug, der es folgt (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).
Insbesondere ist auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Vorschrift kann einen Anspruch auf Abschiebungsschutz begründen, wenn die Gefahr besteht, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Herkunftsland wesentlich verschlechtert. Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, B. v. 2.11.1995 – 9 B 710/94 – juris). Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Herkunftsland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U. v. 29.7.1999 – 9 C 2/99 – juris Rn. 8).
Eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat der Antragsteller jedoch nicht dargetan.
Ein ärztliches Attest befindet sich weder in der Akte des Bundesamts noch wurde ein solches im gerichtlichen Verfahren eingereicht. Das Bundesamt hatte in den Gründen des streitgegenständlichen Bescheids auch ausgeführt, dass sich keinerlei ärztliche Unterlagen in der Akte befänden. Letztlich ist dem auch nicht weiter nachzugehen, da im Hinblick auf eine (auch nicht näher bezeichnete) Erkrankung nur geltend gemacht wurde, der Antragsteller sei nicht reisefähig. Reiseunfähigkeit stellt jedoch ein von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht umfasstes inlandsbezogenes Abschiebungshindernisses dar.
Diese Regelung erfasst nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben (z. B. Reiseunfähigkeit), nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein (ausländerrechtlicher) Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ist unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche – außerhalb des Transportvorgangs – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn) (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14). Sofern sich der Antragsteller daher auf Reiseunfähigkeit beruft, wäre dieser Umstand gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde geltend zu machen.
Auch die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung und die dort gesetzte Ausreisefrist sind nicht zu beanstanden.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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