Verwaltungsrecht

Keine Gruppenverfolgung von Frauen im Irak

Aktenzeichen  AN 2 K 16.31331

Datum:
2.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 3d Abs. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Eine Gruppenverfolgung von Frauen ist im Irak nicht anzunehmen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 22. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus im Sinne von § 4 AsylG und auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, § 113 Abs. 5 VwGO.
Das Gericht nimmt zur Begründung dieses Urteils vorab Bezug auf den ausführlichen und zutreffend begründeten streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird, auch unter Berücksichtigung der mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2017, noch ausgeführt: Die Kläger sind nicht als Asylberechtigte im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG anzuerkennen, da sie nach eigenen Angaben über den Landweg in die Bundesrepublik eingereist sind. Gemäß Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG können sich die Kläger daher nicht auf das Asylgrundrecht berufen, da nach momentaner Rechtslage alle an die Bundesrepublik angrenzende Staaten entweder Staaten der Europäischen Union oder sichere Drittstaaten nach Art. 16a Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Anlage I zu § 26a AsylG sind.
Das Bundesamt hat zu Recht festgestellt, dass die Kläger keine Flüchtlinge im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG sind. Gemäß § 3 AsylG ist ein Ausländer ein Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Die Kläger habe keine Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG angegeben. Der Streit zwischen den Klägern und den Brüdern der Klägerin ist eine bloße Familienstreitigkeit, die über bloße verbale Angriffe ohnehin nicht hinausgegangen ist. Bei der Klägerin zu 2. beziehungsweise ihren Töchtern ist keine Verfolgung auf Grund ihres Geschlechts gegeben. Eine Gruppenverfolgung von Frauen ist nach der Auskunftslage (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 10 f.) im Irak, nicht anzunehmen. Gerade in der Herkunftsregion der Klägerin, in Kurdistan-Irak, hat die kurdische Regionalregierung ihre Anstrengungen zum Schutz der Frauen verstärkt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 11). Die Auseinandersetzungen, welche die Klägerin zu 2. mit ihren Brüdern über ihren Lebensstil hat, stellen keinesfalls Handlungen dar, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Zudem ist davon auszugehen, dass die kurdischen Behörden der Klägerin zu 2. Schutz vor Angriffen seitens ihrer Brüder bieten würden, vgl. § 3d Abs. 1 AsylG. Nach dem Vortrag der Klägerin zu 2. hat die kurdische Polizei gesagt, dass sie sich um solche Dinge nicht kümmert, als die Brüder sie wegen ihrer Kleidung bei der Polizei angezeigt haben.
Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG besteht nicht, da den Klägern in ihrem Herkunftsland, insbesondere in ihrer Herkunftsregion, kein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG droht. In der Herkunftsregion der Kläger, in Kurdistan-Irak, liegt kein innerstaatlich bewaffneter Konflikt vor. Von einem innerstaatlichen Konflikt im Sinne dieser Vorschrift ist auszugehen, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen (EuGH, U.v. 30.1.201 – C-285/12 – juris Rn. 35). Dem Ausländer droht dann ein ernsthafter Schaden auf Grund des Konflikts, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (EuGH, U.v. 30.1.201 – C-285/12 – juris Rn. 30). Die Kläger haben von 2004 bis zu ihrer Ausreise in Sulaimaniyya gelebt, im Norden der Region Kurdistan-Irak. In dieser Stadt gibt es weder Auseinandersetzungen zwischen der kurdischen Armee und dem IS, noch sind terroristische Anschläge bekannt.
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG liegen nicht vor. Insbesondere ist entgegen der Klagebegründung kein humanitäres Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen. In ganz außergewöhnlichen Fällen können auch schlechte humanitäre Verhältnisse eine erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind (EGMR, U.v. 27.5.2008 – Nr. 26565/05, NVwZ 2008, 1334; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 25). Ein Abschiebungsverbot aus humanitären Gründen kommt dabei jedoch nur in Betracht, wenn der Gefährdungsgrad sehr hoch ist und eine besondere Ausnahmesituation vorliegt (BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris Rn. 19). Eine solche Ausnahmesituation liegt bei den Klägern nicht vor. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass sich die wirtschaftliche Situation in Kurdistan-Irak durch den Verfall des Ölpreises, den Kampf gegen den IS und die Aufnahme der hohen Zahl an Binnenflüchtlingen stark verschlechtert hat. Die Kläger zu 1. und 2. sind jedoch beide gesund und arbeitsfähig. Sie haben in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie bis zu ihrer Ausreise Arbeit als Tagelöhner und als Hilfskraft gefunden haben und von dieser Arbeit ihre beiden minderjährigen Töchter ernähren konnten. Der Kläger zu 1. hat im Irak verschiedene Tätigkeiten auf Baustellen ausgeübt, unter anderem Fliesen verlegt. Das Gericht ist sich bewusst, dass es möglich ist, dass die Kläger bei einer Rückkehr nach Sulaimaniyya nicht durchgehend Arbeit finden. Allerdings begründet der Umstand einer vorübergehenden Arbeitslosigkeit, auch für eine Familie mit minderjährigen Kindern, keine solche humanitäre Ausnahmesituation, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen ist. Auch wenn die Kläger von den Brüdern der Klägerin zu 2. wahrscheinlich keine Hilfe zu erwarten haben, leben noch andere Geschwister der Kläger im Irak und konnten die Kläger bislang nach eigenen Angaben auf die Hilfe von Freunden zurückgreifen. Dass die Kläger – wie in der Klagebegründung angegeben – „ohne greifbare Perspektive in extremer Armut leben müssen“, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist es wahrscheinlich, dass es den Klägern zu 1. und zu 2. auch zukünftig durch Gelegenheits- und Hilfstätigkeiten gelingen wird, ihre Familie zu versorgen.
Die in Ziffer 5) des Bescheides vom 22. August 2016 ausgesprochene Abschiebungsandrohung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, da die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen von § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG ist nicht zu beanstanden, § 114 Satz 1 VwGO.
Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.


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