Verwaltungsrecht

Keine Gruppenverfolgung von sunnitischen Kurden im Irak

Aktenzeichen  B 3 K 16.31755

Datum:
16.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Es fehlt an der erforderlichen Verfolgungsdichte für die Annahme einer Gruppenverfolgung sunnitischer Kurden im Irak. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Übergriffe schiitischer Milizen weisen weder im Staat Irak noch in Kurdistan die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte auf.  (redaktioneller Leitsatz)
3 Im Übrigen besteht eine inländische Fluchtalternative innerhalb der kurdisch kontrollierten Provinzen. Die derzeitige Situation rechtfertigt trotz einzelner terroristischer Anschläge und Gewaltakte nicht die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. (redaktioneller Leitsatz)
4 Die schlechten humanitären Bedingungen in den kurdisch kontrollierten Gebieten des Irak gehen nicht über das Maß hinaus, das alle Bewohner in vergleichbarer Situation hinnehmen müssen. Psychische Erkrankungen können in Kurdistan behandelt werden. (redaktioneller Leitsatz)
5 Der faktische Abschiebestopp aufgrund ministeriellen Rundschreibens bietet derzeit wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Irak. Zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG bedarf es nicht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 15.02.2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Feststellung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes:
Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.04.1985, Az. 9 C 109.84, juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.04.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.02.2013, Az. 10 C 23/12, juris; VG Augsburg, U.v. 11.07.2016, Az. Au 5 K 16.30604, juris).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013, Az. A 12 S 2023/11, juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014, Az. 8 A 2434/11.A, juris).
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Klägerin eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 Asyl ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht folgt zunächst den zutreffenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung kann nicht von einer individuellen Verfolgung des Klägers ausgegangen werden.
a) Die vorgetragene Angst, durch den Mast krank zu werden, ist flüchtlingsrechtlich irrelevant. Gleiches gilt für das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, wonach der Kläger Angst habe, dass der Mast bei starkem Wind umfallen und das Wohnhaus beschädigen könne. Die bloße Angst vor künftigen Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Sachbeschädigungen stellt keine persönliche Verfolgung des Klägers dar, zumal in keiner Weise ersichtlich ist, dass der Kläger gezielt und bewusst der Strahlung ausgesetzt und geschädigt werden sollte.
b) Auch im Hinblick auf die Drohanrufe ist weder eine flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a AsylG noch ein Anknüpfungsmerkmal im Sinne von § 3b AsylG ersichtlich. Es blieb lediglich bei verbalen Drohungen am Telefon. Tatsächliche Übergriffe auf den Kläger haben nicht stattgefunden. Im Übrigen blieb der Inhalt der Drohungen sowohl bei der Anhörung beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung sehr vage. Die Drohungen beschränkten sich auf die Aussage, dass der Kläger „dafür verantwortlich gemacht werde“, wenn der Mast erneut ausfalle. Welche genauen Konsequenzen damit gemeint sein sollen ist nicht ersichtlich, da diese Aussage die ganze Bandbreite vorstellbarer Konsequenzen beinhalten kann.
Für das Gericht auch nicht nachvollziehbar und glaubhaft, dass der Kläger ca. 30 Mal telefonisch wegen der gleichen Angelegenheit bedroht worden sein soll, obwohl der Mast wieder in Betrieb genommen wurde und seitdem kein Ausfall des Mastes bzw. der Technik mehr zu verzeichnen war.
Unstimmig sind die Aussagen des Klägers auch im Hinblick auf den Adressatenkreis der Drohung. Während bei der Anhörung beim Bundesamt noch angegeben wurde, die Drohungen hätten sich auch gegen die Eltern des Klägers gerichtet, erklärte dieser in der mündlichen Verhandlung, dass nur er die Drohungen erhalten habe und die Eltern nicht bedroht worden seien, weil diese ältere Menschen sind.
Im Übrigen hat es der Kläger unterlassen die Drohungen bei der Polizei anzuzeigen. Grundsätzlich ist der Staat verantwortlich dafür, dem Einzelnen gegen Verfolgung Schutz zu gewähren, wenn diese von privaten Akteuren ausgeht (vgl. Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 3d, RdNr.10). Die Aussage, dass eine Anzeige bei der Polizei keinen Sinn gemacht hätte, hätte sich erst nach getanem Versuch als erfolgreich oder nicht herausstellen können. Dass der Staat nicht von vornherein unwillig oder unfähig ist dem Kläger in dieser Angelegenheit schützend zur Seite zu stehen, ergibt sich auch aus dem Ausgang des Gerichtsverfahren, in dem der Kläger mit seinen Eltern nach eigenen Angaben obsiegte und das Gericht die Betreiber verpflichtete den Mast außer Betrieb zu nehmen.
Letztlich ist auch nicht ersichtlich, warum es den Kläger nicht nur zumutbar sein soll weiterhin in … zu leben, während seine Eltern – gegen die offensichtlich auch die Drohungen gerichtet waren – dort weiter unbehelligt und „relativ gut“ leben können.
c) Dem Kläger ist auch kein Flüchtlingsschutz im Hinblick auf seine sunnitische Glaubenszugehörigkeit zu gewähren. Der Kläger wurde aufgrund seiner Religions-zugehörigkeit weder persönlich bedroht noch liegen die Voraussetzungen einer sog. Gruppenverfolgung der Sunniten im Irak vor.
aa) Eine individuelle Bedrohung im Irak aufgrund des sunnitischen Glaubens des Klägers wurde weder vorgetragen noch ist eine solche Bedrohungslage für das Gericht ersichtlich.
bb) In Anbetracht der gegenwärtigen Auskunftslage existiert auch keine nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte hinsichtlich sunnitischer Kurden. Für die Annahme einer entsprechenden Verfolgungsdichte ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, U.v. 21. April 2009, 10 C 11/08, juris). Zwar existieren im Irak schiitische Milizen, die zum Teil auch gewaltsam gegen Sunniten vorgehen. Dabei handelt es sich aber um einzelne Übergriffe. Die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, weisen weder im Staat Irak in seiner Gesamtheit, geschweige denn in Kurdistan die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte auf (vgl. BayVGH, U.v. 9.1.2012, 13a B 11.30277, juris; BayVGH, B.v. 01.02.2017, 13a ZB 16.30990, juris; VG, Augsburg, U.v. 12.12.2016, Au 5 K 16.31959, juris; VG Augsburg, U.v. 11.07.2016, Au 5 K 16.30604, juris; VG Bayreuth, U.v. 18.10.2016, B 3 K 16.30613; VG Bayreuth, GB v. 13.02.2017, B 3 K 16.31221).
d) Im Übrigen steht dem Kläger ein interner Schutz im Sinne von § 3e AsylG offen. Einem Ausländer wird gem. § 3e Abs. 1 AsylG die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls davon auszugehen, dass der Kläger als Kurde innerhalb der kurdisch kontrollierten Provinzen umziehen und sich außerhalb des „Gefahrenbereichs“ des Funkmastes niederlassen kann. Dem Kläger als volljährigen, gesunden und erwerbsfähigen jungen Mann ist es durchaus zuzumuten, sich andere Wohnungen zu suchen. Dem steht auch nicht entgegen, dass anderswo die Mieten teurer seinen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich er Kläger, ggf. mit Unterstützung seiner Großfamilie nicht anderswo existenzsichernd niederlassen könnte.
e) Da weitere Fluchtgrunde nach Angaben des Klägers nicht vorliegen und auch für das Gericht nicht ersichtlich sind, hat der Kläger Kurdistan nicht vorverfolgt verlassen. Nachfluchtgründe sind ebenfalls nicht erkennbar. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Flüchtlingsschutz liegen somit nicht vor.
2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zur Seite. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG berufen, noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
a) Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass ihm bei einer Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht.
b) Dem Kläger steht der subsidiäre Schutz auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008, Az. 10 C 43/07, juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EUGH, U.v. 17.2.2009, C-465.7, juris).
Danach rechtfertigt die derzeitige Situation in der KAR und damit auch in der der Provinz Sulaimanyia, nicht die Annahme eines Bürgerkrieges im oben genannten Sinne und damit eines landesweit oder auch nur regional bestehenden bewaffneten Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Der für eine Schutzgewährung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderliche Gefährdungsgrad ist dort bei Weitem nicht erreicht (VG München, U.v. 22.12.2016, M 4 K 16.33226, juris; VG München, U.v. 30.09.2016, M 4 K 16.32118, juris; VG München, U.v. 13.05.2016, M 4 K 16.30558, juris). Einzelne terroristische Anschläge und Gewaltakte, zu denen es auch in der Herkunftsregion des Klägers gekommen ist, genügen hierfür nicht. Nach den vorliegenden Erkenntnissen kann der Kläger als kurdischer Volkszugehöriger sunnitischen Glaubens in die Region Kurdistan ohne größere Probleme zurückkehren (VG Ansbach, U.v. 01.12.2016, AN 2 K 16.30543, juris).
c) Im Übrigen gelten über § 4 Abs. 3 AsylG die Voraussetzungen des § 3e AsylG entsprechend, so dass ergänzend auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz verwiesen werden kann.
3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen.
a) Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt.
Die derzeitigen humanitären Bedingungen in den kurdisch kontrollierten Gebieten des Iraks führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Aufgrund des klägerischen Vortrags ist die Schwelle zu einer Verletzung der Werte des Art. 3 EMRK nicht erreicht. Die schlechten humanitären Verhältnisse im Umfeld des Klägers gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner in der vergleichbaren Situation hinnehmen müssen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es dem Kläger nach einer Rückkehr nicht gelingen könnte in Kurdistan zumindest eine existenzsichernde Grundlage zu schaffen. Im Übrigen leben noch weitere Verwandte des Klägers im Irak, so dass in Notsituationen von gegenseitiger Unterstützung im Rahmen des Familienbundes ausgegangen werden kann.
b) Der Klägerin droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die dem Kläger bei Rückkehr in den Irak drohen könnten, wurden nicht (glaubhaft) vorgetragen und liegen auch nach Erkenntnissen des Gerichts nicht vor.
Insbesondere kommt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund einer psychischen Erkrankung des Klägers nicht in Betracht. Der Kläger hat zwar bei der Anhörung beim Bundesamt angegeben, er sei psychisch krank vor Angst gewesen. Einen Arzt hat er deswegen aber weder in Kurdistan noch in Deutschland aufgesucht. Daher fehlt es bereits an einem diagnostizierten Krankheitsbild. Im Übrigen bestehen nach Aussage des Klägers gegenwärtig keine psychischen Beeinträchtigungen mehr. Letztlich weist das Gericht noch drauf hin, dass psychische Erkrankungen grundsätzlich auch in Kurdistan behandelt werden können. Selbst wenn beim Kläger tatsächlich eine psychische Erkrankung vorliegen sollte, besteht für diesen bei einer Abschiebung nach Kurdistan gegenwärtig keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
c) Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind im Übrigen Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001, 1 C 2/01, juris; VG München, U.v. 22.12.2016, M 4 K 16.33226, juris). Sonstige Gefahren i.S. des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind nicht ersichtlich.
4. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung entgegenstünden, nicht ersichtlich, denn der Kläger ist, wie oben ausgeführt, nicht als Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
5. Gründe die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, liegen nicht vor.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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