Verwaltungsrecht

Keine Hinweispflicht der Ausländerbehörde auf das Erfordernis einer unverzüglichen Asylantragstellung beim Familienasyl

Aktenzeichen  20 ZB 18.32762

Datum:
17.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1675
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 26 Abs. 1 Nr. 3, § 78 Abs. 3 Nr. 1
BGB § 121

 

Leitsatz

Eine Hinweis- und Belehrungspflicht der deutschen Behörden hinsichtlich der Möglichkeit der Stellung eines Antrags auf Familienasyl nach § 26 AsylG kann weder einzelnen Vorschriften noch dem System der Asylgesetze entnommen werden. (Rn. 8 – 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 2 K 18.31859 2018-10-01 Ent VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.
III. Der Klägerin wird für das Berufungszulassungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt K., A., bewilligt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet, da der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht vorliegt.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Die Beklagte begehrt die Klärung der Fragen,
ob die Feststellung einer unverzüglichen Asylantragstellung i.S.d. § 26 Abs. 1 Nr. 3 AsylG davon abhängt, dass der Drittstaatsangehörige behördlicherseits über die Möglichkeiten belehrt bzw. informiert wurde, die zu erfüllen sind, um in den Genuss von Familienasyl bzw. internationalem Schutz für Familienangehörige zu kommen
und (ergänzend),
ob es dabei einen Unterschied macht, dass ein Drittstaatsangehöriger zum Zweck der Asylantragstellung in das Bundesgebiet einreist oder bei Einreise – etwa infolge der Umsetzung einer Familienzusammenführung – bereits im Besitz eines Aufenthaltstitels ist.
Diese Fragen haben keine grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG), weil sich die für den Zulassungsantrag maßgebliche Frage, ob eine Hinweis- und Belehrungspflicht der deutschen Behörden hinsichtlich der Möglichkeit der Stellung eines Antrags auf Familienasyl nach § 26 AsylG besteht, ohne weiteres aus dem Gesetz und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 13.5.1997 – 9 C 35.96 – BVerwGE 104, 362 = juris) beantworten lässt (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 124 Rn. 38), so dass es zur Klärung dieser Frage nicht der Durchführung eines Berufungszulassungsverfahrens bedarf.
Eine derartige Hinweis- und Belehrungspflicht besteht nicht. Sie lässt sich weder einzelnen Vorschriften, noch dem System der Asylgesetze entnehmen. Aus der Antragsbedürftigkeit folgt, dass es allein im Verantwortungsbereich des Antragstellers liegt, ob er ein Asylgesuch im Sinn des § 13 AsylG an die deutschen Behörden richtet (Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 13 AsylG Rn. 2, 3).
§ 26 AsylG sieht seinem Wortlaut nach keine Hinweis- und Belehrungspflichten vor. Auch §§ 13 oder 14 AsylG lassen sich derartige Verpflichtungen der deutschen Behörden nicht entnehmen. Dem Bedürfnis nach Regelung behördlicher Hinweispflichten hat der Gesetzgeber in zahlreichen Vorschriften des Asyl- und Aufenthaltsgesetzes Rechnung getragen (z.B. in §§ 14 Abs. 1 Satz 3, 10 Abs. 7, 20 Abs. 1 Satz 4, 33 Abs. 4 AsylG, § 82 Abs. 3 AufenthG). Behördliche Beratungspflichten im Hinblick auf asyl- und aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten eines Drittstaatsangehörigen hingegen sind weder im nationalen Recht vorgesehen, noch ergeben sie sich aus europarechtlichen Regelungen (vgl. auch Art. 6 und 8 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Verfahrensrichtlinie), die lediglich vorsehen, dass einem asyl- oder internationalen Schutz begehrenden Antragsteller die Stellung seines Antrags ermöglicht werden muss).
Für die Frage, ob ein Asylantrag „unverzüglich“ im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 3 AsylG – und damit entsprechend der Legaldefinition des § 121 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“ (BVerwG, a.a.O. – juris Rn. 10) – gestellt wurde, kommt es deshalb auf einen unterbliebenen Hinweis der deutschen Behörden auf die Möglichkeit der Stellung eines Asylgesuchs nach § 13 AsylG nicht an. Zwar mag sich damit die Entscheidung des Verwaltungsgerichts als unrichtig erweisen, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts stellen jedoch keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 78 Abs. 3 AsylG dar.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Da der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat, war der Klägerin bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Berufungszulassungsverfahren zu bewilligen, §§ 166 VwGO, 114, 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.


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