Verwaltungsrecht

Keine Neuerteilung eines Waffenscheins mangels persönlicher Eignung

Aktenzeichen  24 ZB 16.2251

Datum:
25.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14625
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 19 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Mit der Eignung des Führens einer Schusswaffe zur Abwehr überraschender Überfälle hängt zugleich die Frage nach den persönlichen Möglichkeiten des Betroffenen im Umgang mit der Schusswaffe zusammen. Denn eine erfolgreiche Abwehr eines Angriffs ist dann nicht zu erwarten, wenn die gefährdete Person über die zum verteidigungsgemäßen Gebrauch der Schusswaffe notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht verfügt und sie deshalb die Schusswaffe voraussichtlich nicht gefahrenmindernd einsetzen kann. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Raubdelikten, bei denen Uhren- und Schmuckhändler Opfer von Raubüberfällen waren, stehen typischerweise Szenarien in Rede, in denen kaum Zeit verbleibt, eine Schusswaffe zur Verteidigung einzusetzen.  (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

7 K 15.5205 2016-09-21 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Neuerteilung eines Waffenscheins
Er ist Uhren- und Schmuckhändler. Am 4. September 2015 beantragte er erneut die Erteilung eines Waffenscheins und machte geltend, er sei überdurchschnittlich hoch gefährdet. Mit Bescheid vom 20. Oktober 2015 lehnte die Beklagte den Antrag wegen Fehlens eines waffenrechtlichen Bedürfnisses ab.
Die insoweit erhobene Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 21. September 2016 ab. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Er macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geltend. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das Nichtvorhandensein eines waffenrechtlichen Bedürfnisses angenommen. Der Kläger sei abstrakt gefährdet. Diese abstrakte Gefährdung konkretisiere sich dadurch, dass er häufig hohe Barbeträge mit sich führe. Der Kläger könne auch nicht darauf verwiesen werden, anderweitige Maßnahmen zur Abwehr möglicher Überfälle zu ergreifen. Eine Schusswaffe sei geeignet, um einen Angriff abzuwehren. Der Kläger habe ausreichende Kenntnisse für den verteidigungsfähigen Gebrauch der Schusswaffe. Die Erteilung eines Waffenscheins in der Vergangenheit sei zumindest ein Indiz dafür, dass auch jetzt ein entsprechendes waffenrechtliches Bedürfnis bestehe. Die Rechtssache habe auch grundsätzliche Bedeutung, da die überzogenen und dem Waffengesetz zuwiderlaufenden Anforderungen an eine waffenrechtliche Erlaubnis gängige Praxis der Beklagten seien.
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Darlegungsgebot gestaltet das Zulassungsverfahren dahingehend, dass das gerichtliche Prüfungsprogramm im Zulassungsverfahren jedenfalls im Wesentlichen darauf beschränkt ist zu klären, ob der Rechtsmittelführer seine Darlegungslast erfüllt hat und die dargelegten Gründe eine Zulassung der Berufung tragen (BVerfG, B.v. 23.7.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163). Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG dürfen allerdings die Anforderungen an die Darlegung nur in einer Weise gestellt werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Anwalt mit zumutbarem Aufwand noch erfüllt werden können (BVerfG, B.v. 8.1.22009 – 2 BvR 758/07 – BVerfGE 125, 104). Dem Darlegungsgebot ist genügt, wenn der dargelegte Zulassungsgrund in der Sache auf einen der gesetzlichen Tatbestände zielt (BVerwG, B.v. 2.10.2003 – 1 B 33/03 – NVwZ-RR 2004, 220). Das Oberverwaltungsgericht muss sich aber nicht aus einem Darlegungsgemenge das heraussuchen, was möglicherweise zur Begründung des Antrags geeignet sein könnte (BVerfG, B.v. 24.8.2010 – 1 BvR 2309/09 – BayVBl. 2011, 338). Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist ein Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor.
a) Der Kläger macht zunächst ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend. Solche bestehen jedoch nicht, so dass der Antrag auf Zulassung der Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen wird (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Im Hinblick auf die Ausführungen im Zulassungsantrag wird ergänzend Folgendes bemerkt: Es fehlt jedenfalls an der Eignung des Führens einer Schusswaffe zur Abwehr der vom Kläger befürchteten überraschenden Überfälle, so dass kein Anspruch auf Neuerteilung eines Waffenscheins besteht. Geeignet im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ist das Führen einer Schusswaffe nur, wenn in einer typischen Verteidigungssituation eine erfolgreiche Abwehr zu erwarten ist. Der Angegriffene muss in der Lage sein, durch das Tragen einer Schusswaffe die Gefahr zu verringern, der er bei einem Überfall ausgesetzt ist. Dies richtet sich in erster Linie nach den insoweit ins Auge zu fassenden typischen Überfallszenarien. Die Frage ist, ob diese einen effektiven Einsatz der Schusswaffe überhaupt zulassen. Mit der Eignung hängt zugleich die Frage nach den persönlichen Möglichkeiten des Betroffenen im Umgang mit der Schusswaffe zusammen. Denn eine erfolgreiche Abwehr eines Angriffs ist dann nicht zu erwarten, wenn die gefährdete Person über die zum verteidigungsgemäßen Gebrauch der Schusswaffe notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht verfügt und sie deshalb die Schusswaffe voraussichtlich nicht gefahrenmindernd einsetzen kann. Bei Raubdelikten, bei denen Uhren- und Schmuckhändler Opfer von Raubüberfällen waren, stehen typischerweise Szenarien in Rede, in denen kaum Zeit verbleibt, eine Schusswaffe zur Verteidigung einzusetzen (OVG Lüneburg, U.v. 23.2.2010 – 11 LB 234/09). Außerdem verfügt der Kläger auch nicht über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zum effektiven Einsatz einer Schusswaffe in typischen Verteidigungssituationen. Dazu bedürfte es einer besonderen Ausbildung, wie sie etwa bei Lehrgängen im Verteidigungsschießen im Sinne des § 22 AWaffV vermittelt wird (OVG Lüneburg, a.a.O.). Über diese Fähigkeiten verfügt der Kläger nicht, da er an einem solchen Lehrgang bislang nicht teilgenommen hat. Die unsubstantiierte Behauptung, er habe auch Kenntnisse für den verteidigungsfähigen Gebrauch der Schusswaffe, genügt demgegenüber nicht.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht mit Blick auf die dem Kläger früher erteilten Waffenscheine und Munitionserwerbsberechtigungen keine „Selbstbindung“ der Behörde hinsichtlich des Vorliegens eines waffenrechtlichen Bedürfnisses angenommen hat. In der Rechtsprechung ist seit langem geklärt, dass die Verlängerung der Geltungsdauer eines Waffenscheins von denselben materiell-rechtlichen Bedingungen wie die Neuausstellung abhängig ist und deswegen in jedem Fall eine umfassende Überprüfung der Erteilungsvoraussetzungen zu erfolgen hat, wobei auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes keine Bindung an vorausgegangene positive Entscheidungen besteht (BayVGH, B.v. 3.7.2013 – 21 ZB 12.2503).
b) Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 WaffG. Insoweit fehlt es bereits an der Formulierung einer konkreten Frage, die für das Erstgericht entscheidungserheblich war und einer grundsätzlichen Klärung zugänglich ist. Im Übrigen entspricht die Handhabung der hier entscheidungserheblichen waffenrechtlichen Fragen durch die Beklagte der Gesetzeslage, wie eben ausgeführt wurde.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 50.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO)


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