Verwaltungsrecht

Keine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Senegal

Aktenzeichen  M 17 K 16.33057

Datum:
17.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3c Nr. 3, § 4 Abs. 3 S. 1, § 26a Abs. 1
GG GG Art. 16a Abs. 2
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 2

 

Leitsatz

Der senegalesische Staat nimmt keine Repressionen Dritter hin, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehenden Verfolgung der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 17. November 2016 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen war. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO). Mit Schreiben vom 24. Juni 2015 verzichtete die Beklagte generell auf die Einhaltung von Ladungsfristen.
2. Die zulässige Klage ist offensichtlich unbegründet, da der Bescheid vom 9. September 2016 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
2.1. Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigter oder Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag des Klägers nicht im Ansatz (§ 78 AsylG) erkennbar. Das Gericht nimmt insoweit auf die Begründung des Bundesamtes Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet beruht auf § 29 a Abs. 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i. S. d. Art. 16 a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Das Heimatland des Klägers, Senegal, ist ein sicherer Herkunftsstaat in diesem Sinne (vgl. § 29 a Abs. 2 AsylG i. V. m. Anlage II). Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – juris Rn. 65). Gegen die Einstufung Senegals als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken.
Der Kläger hat die durch § 29 a AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung auch nicht durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können. Die von ihm angegebenen Tatsachen und Beweismittel begründen gerade nicht die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
Der Kläger kann gemäß Art. 16 a Abs. 2 GG i. V. m. § 26 a Abs. 1 AsylG schon deshalb offensichtlich nicht als Asylberechtigter anerkannt werden, weil er nach eigenem Vortrag über Spanien, Frankreich und Belgien auf dem Landweg eingereist und daher über einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 GG i. V. m. § 26 a Abs. 2 AsylG nach Deutschland gelangt ist. Darüber hinaus kann gemessen an seinem Vortrag von einer (vom Staat ausgehenden) politischen Verfolgung im Sinne des Art. 16 a GG offensichtlich nicht die Rede sein.
Soweit der Kläger familiäre Probleme geltend macht, da er die Schule abgebrochen habe, um Fußballspielen zu können, ist bereits nicht erkennbar, dass die von ihm behauptete Bedrohungssituation an asylerhebliche Merkmale angeknüpft hat oder er Verfolgungshandlungen ausgesetzt war, die im Sinne des § 3a Abs. 3 AsylG mit Verfolgungsgründen im Sinne des § 3 Abs. 1, § 3b AsylG verknüpft sind und er in seiner Heimat gezielten und systematischen Verfolgungsmaßnahmen nach § 3, 3a AsylG durch Akteure im Sinne von § 3c AsylG ausgesetzt war oder im Falle einer Rückkehr sein wird (vgl. BayVGH, B. v. 22.07.2014 – 13a ZB 14.30059 – juris). Dies gilt auch, soweit der Kläger nunmehr erstmalig in der mündlichen Verhandlung vortrug, er befürchte „Schwierigkeiten“ mit dem Vater seines Freundes zu bekommen, da ihn sein Freund gegenüber dessen Vater wahrheitswidrig beschuldigt habe, Geld von ihm gestohlen zu haben. Die Intensität auch dieser Befürchtungen geht in keinem Fall so weit, Leben oder persönliche Freiheit des Klägers akut zu gefährden.
Zudem erfordert § 3 c Nr. 3 AsylG bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehenden Verfolgung, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der senegalesischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist aber nicht auszugehen. Der senegalesische Staat nimmt keine Repressionen Dritter hin, d. h. der Kläger könnte hier grundsätzlich Hilfe erlangen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts v. 15. Oktober 2014 – „Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG“ [Stand: August 2014], dort unter II. 2. „Repressionen Dritter“, S. 13; VG München, B. v. 24.3.2016 – M 4 S 16.30549 – UA S. 7; VG München, B. v. 24.3.2016 – M 2 S 16.30464 – UA S. 6; VG München, B. v. 22.3.2016 – M 15 S 16.30357 – UA S. 8; VG München, B. v. 10.3.2016 – M 21 S 16.30061 – UA S. 9). Das Gericht teilt gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln daher die Einschätzung des Bundesamtes, dass der senegalesische Staat bei einer derartigen Bedrohung, bei der es sich um kriminelles Unrecht eines nichtstaatlichen Akteurs handelte, in der Lage und auch willens ist, hinreichenden Schutz zu gewähren (§ 3 c Nr. 3, § 3 d Abs. 1 und 2 AsylG).
Ferner ist davon auszugehen, dass – jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden – ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative (§ 3 e AsylG) besteht (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts v. 14. Oktober 2016, 21. November 2015 und 15. Oktober 2014 – „Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylVfG“ [Stand: August 2016, August 2015 bzw. August 2014], dort unter II. 3. „Ausweichmöglichkeiten“, S. 12f.; VG Augsburg, B. v. 24.04.2013 – Au 7 S 13.30107; VG München, B. v. 24.3.2016 – M 2 S 16.30464 – UA S. 6). Der Kläger kann jedenfalls durch Verlegung seines Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Senegals, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist und nichtstaatliche Dritte mit asylrechtlich hinreichender Sicherheit nicht ausfindig machen können, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden. Der Vortrag ist mithin nicht geeignet, die besonderen Voraussetzungen zu erfüllen, die § 29 a Abs. 1 AsylG an das Widerlegen bzw. die Erschütterung der Regelvermutung der Verfolgungssicherheit im Senegal knüpft.
2.2. Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) als offensichtlich unbegründet und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt daher auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Auch bei Annahme einer drohenden erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG durch einen nichtstaatlichen Akteur kommt gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i. V. m. der entsprechenden Anwendung des § 3 c Nr. 3 AsylG die Gewährung subsidiären Schutzes nicht in Betracht, weil es an der Voraussetzung, dass der Staat erwiesenermaßen nicht schutzfähig oder -willig ist, fehlt.
Allein wegen der harten Lebensbedingungen und allgemein bestehenden ärmlichen Verhältnisse im Senegal vermag sich der Kläger weder auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG noch auf § 60 Abs. 5 AufenthG unter Berücksichtigung von Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) zu berufen. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse kann nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschlich oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllen (BVerwG, U. v. 31.01.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, S. 1167ff. – juris Rn. 23 – 26 sowie Rn. 38; VGH BW, U. v. 24.07.2013 – A 11 S 697/13 m. w. N.). Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger eine Existenzgrundlage bei seiner Rückkehr gänzlich fehlen würde, sind nicht ersichtlich. Die humanitären Bedingungen für Rückkehrer sind grundsätzlich nicht als derart schlecht zu bewerten, dass diese den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK aufweisen. Unter Berücksichtigung der derzeit Lebensverhältnisse im Senegal (vgl. dazu den streitgegenständlichen Bescheid, § 77 Abs. 2 AsylG) reicht hierfür der bloße Verweis auf eine dortige schwierige wirtschaftliche Situation schon im Ansatz ganz offensichtlich nicht aus. Als junger arbeitsfähiger Mann ist der Kläger zudem in der Lage, wie jeder andere dort Lebende in der vergleichbaren Situation, seinen Lebensunterhalt in seinem Heimatland durch eigene Tätigkeit sicherzustellen.
Was insbesondere § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anbetrifft, fehlt es an einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Eine Verletzung von Menschenrechten oder Grundfreiheiten, die sich aus der EMRK ergäbe, ist nicht ersichtlich. Die behauptete Bedrohungslage erfüllt diese Voraussetzungen jedenfalls nicht. Ungeachtet dessen, dass die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes zumutbar ist, besteht für den Kläger – wie dargestellt – die Möglichkeit, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen.
2.3. Schließlich ist auch die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG in Nr. 6 des Bescheids vom 9. September 2016 rechtmäßig.
Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden, zumal der Kläger gegen dieses Einreise- und Aufenthaltsverbot keine substantiierten Einwendungen vorgebracht und insbesondere keine Ermessensfehler geltend gemacht hat.
2.4. Auch die nach § 11 Abs. 1, 2 AufenthG vorgenommene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes von 30 Monaten ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 7 des Bescheids vom 9. September 2016) begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise- und Aufenthaltsverbot). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise (§ 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Das Bundesamt ist gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG für die Entscheidung über die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 2 AufenthG zuständig. Gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG wird über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden. Sie darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Diese Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten. Die Beklagte hat die Frist im Falle des Klägers auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Dies hat sie damit begründet, dass Anhaltspunkte für eine kürzere Fristsetzung aufgrund schutzwürdiger Belange weder ausreichend vorgetragen worden seien noch nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vorlägen. Die Entscheidung, die von Amts wegen vorzunehmende Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate festzulegen und damit im mittleren Bereich des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG für den Regelfall aufgezeigten Rahmens anzusiedeln, lässt damit keine Ermessensfehler gemäß § 114 Satz 1 VwGO erkennen. Umstände, die eine weitere Reduzierung angezeigt erscheinen lassen würden, sind nicht ersichtlich.
3. Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der § 34 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
5. Dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).


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