Verwaltungsrecht

Keine Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr in den Iran wegen untergeordneter exilpolitischer Betätigung für kurdische Organisation

Aktenzeichen  W 6 K 16.32201

Datum:
15.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 10 Abs. 4 S. 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1. Der Grad der Gefährdung wegen exilpolitischer Betätigung übersteigt für Mitglieder der Komalah oder der DPKI bei einer Rückkehr in den Iran denjenigen, der für Mitglieder und Anhänger anderer Exilorganisationen angenommen wird. Dabei kommt es auf eine Beurteilung des Einzelfalls an.  (redaktioneller Leitsatz)
2.  Für einfache Mitglieder und Unterstützer kurdischer exil-oppositioneller Gruppen führt die passive Mitgliedschaft oder die vereinzelte Teilnahme an Demonstrationen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu politischer Verfolgung durch iranische Sicherheitsbehörden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg.
Schon die Zulässigkeit der Klage ist wegen Versäumung der zweiwöchigen Klagefrist fraglich. Denn der Bescheid wurde laut Postzustellungsurkunde am 28. November 2016 durch Einwurf in den Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung der Aufnahmeeinrichtung zugestellt. Diese Zustellung müssen die Kläger gegenüber sich gelten lassen. Die Zustellung gilt am dritten Tag nach Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt (§ 10 Abs. 4 Satz 4 2. Halbsatz AsylG). Eine spätere tatsächliche Übergabe an die Asylbewerber – hier am 7. November 2016 – ändert an der Zustellungsfiktion nichts (vgl. Preisner in Beck´scher Online-Kommentar Ausländerrecht, hrsg. Kluth/Heusch, 11. Edition Stand:15.8.2016, § 10 AsylG Rn. 36 f.; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 10 AsylG Rn. 21). Jedoch spricht Einiges dafür, dass die Kläger die Frist unverschuldet versäumt haben könnten, so dass die Möglichkeit der Wiedereinsetzung besteht (vgl. Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 10 AsylG Rn. 35; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 10 AsylVfG Rn. 58 und Rn. 67). Denn die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass sie jeden Tag bei der Postausgabe nachgesehen hätten und dass wegen des Wochenendes und der Feiertage um Allerheiligen herum die Postausgabe geschlossen gewesen sei. Sie hätten erst am 4. November 2016 (Freitag) abends einen Vermerk auf der Tafel gesehen; da sei aber keiner mehr anwesend gewesen. Die Frage kann letztlich dahingestellt bleiben, weil die Klage jedenfalls unbegründet ist.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Oktober 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Gericht folgt dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Das Gericht ist insbesondere nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass den Klägern bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Den Klägern ist es letztlich nicht gelungen, die für ihre Ansprüche relevanten Gründe – sowohl zu ihrem Vorfluchtschicksal als auch zu den vorgebrachten Nachfluchtgründen betreffend ihre exilpolitische Betätigung – in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben der Kläger ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr politischer Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht. Die Kläger haben im Verlauf des Behördenverfahrens sowie des gerichtlichen Verfahrens, insbesondere in der mündlichen Verhandlung teils in frappierender Weise ungereimte und widersprüchliche sowie teils auch gesteigerte Angaben gemacht. Demgegenüber ließen sie eine zweifelsfreie, in sich stimmige Verfolgungsgeschichte vermissen.
Gerade auch aufgrund des Aussageverhaltens der Kläger zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung drängt sich dem Gericht der Eindruck auf, dass sich die von ihnen geschilderte Geschichte im wesentlichen Teilen so nicht zugetragen hat und insoweit ohne realistischen Erlebnishintergrund ist. Anders lassen sich die zahlreichen Widersprüche in der mündlichen Verhandlung im Vergleich der Kläger zu 1) und 2) untereinander sowie im Vergleich zu ihren Angaben beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge samt der damit verbundenen sonstigen Unstimmigkeiten und Ungereimtheiten nicht erklären. So bleiben letztlich nicht ausräumbare, durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens zu ihrem Vorfluchtschicksal.
Ungereimtheiten offenbaren sich schon zu den Angaben hinsichtlich der Aktivitäten des Klägers zu 1) für die Komalah (Komala) im Iran verbunden mit seinen angeblichen Reisen in den Irak. So hatte der Kläger zu 1) gegenüber dem Bundesamt überhaupt nicht erwähnt, dass er regelmäßig in den Irak gereist sei, um sich neue Informationen und Aufträge für seine Aktivitäten betreffend die Komalah geben zu lassen. Demgegenüber hatte die Klägerin zu 2) bei der Bundesamtsanhörung angegeben, der Kläger sei für zwei bis drei Tage alle zwei bis drei Wochen in den Irak gereist. Widersprüchlich dazu erklärte die Klägerin zu 2) jedoch in der mündlichen Verhandlung, ihr Ehemann sei in den letzten fünf bis sechs Jahren insgesamt fünf- bis sechsmal in den Irak gegangen, vielleicht jedes Jahr einmal. Auf Vorhalt des Widerspruchs erklärte die Klägerin zu 2), ihr sei es beim Bundesamt wegen ihrer Schwangerschaft nicht gut gegangen. Sie wisse nicht, was sie dort erzählt habe. Im Widerspruch dazu wiederum gab der Kläger zu 1) nunmehr erstmals in der mündlichen Verhandlung an, er sei im Monat zweimal in den Irak gereist und habe dort jeweils drei Nächte in der Parteizentrale übernachtet. Er habe seiner Frau weniger gesagt. Er habe alles heimlich gemacht. Der mögliche Umstand, dass der Kläger zu 1) gegenüber seiner Ehefrau angegeben habe, dies seien Geschäftsreisen – wie vom Klägerbevollmächtigten angedacht -, überzeugt das Gericht schon deshalb nicht, weil die Klägerin zu 2) dahingehendes überhaupt nicht erwähnt hat. Außerdem ist nicht erklärlich, wieso der Kläger zu 1) die zahlreichen Reisen in den Irak, die nach seiner Darstellung offenbar auch für den iranischen Geheimdienst Anlass gewesen sein sollten, ihn zu verfolgen, nicht schon bei der Bundesamtsanhörung angegeben hat.
Weiter ergeben sich erhebliche Diskrepanzen in den Angaben des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) zu ihrem Geschäft sowie insbesondere zu der dafür benötigten Erlaubnis. Die Klägerin zu 2) gab diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung an, sie hätten zunächst über viele Jahre eine gültige Gewerbeerlaubnis gehabt, etwa so sieben bis acht Jahre. Erst danach habe man ihrem Ehemann gesagt, dass sie das Geschäft nicht weiterbetreiben dürften. Demgegenüber erklärte der Kläger zu 1) sie hätten von vornherein keine gültige Erlaubnis besessen. Während er jedoch gegenüber dem Bundesamt vorbrachte, sie hätten mittels der Erlaubnis des Nachbarn gearbeitet, erklärte er in der mündlichen Verhandlung, er habe keine Geschäftserlaubnis wegen seines Schwagers bekommen, weil sie eine politische Familie seien. Er habe aber eine andere Erlaubnis gehabt, die er bekommen habe, als er den Beruf erlernt habe. Dies sei aber nicht eine Erlaubnis gewesen, um das Geschäft zu betreiben. Erst nachher habe er eine Kopie der Erlaubnis seines Nachbarn genommen. Der Kläger zu 1) erklärte weiter, er habe danach Probleme mit den Steuerbehörden bekommen und 500.000 Toman Strafe für unbezahlte Steuern erhalten. Demgegenüber erklärte die Klägerin zu 2), sie hätten die 500.000 Toman bezahlen müssen, weil sie das Geschäft ohne Erlaubnis betrieben hätten. Im Widerspruch zum Kläger zu 1) hatte die Klägerin zu 2) beim Bundesamt auf entsprechende Frage, was gegen ihren Mann vorliege, noch angegeben, ihr Ehemann habe 500.000 Toman Strafe zahlen müssen und unterschreiben müssen, dass er sich nicht weiter politisch betätige. Demgegenüber hatte der Kläger zu 1) im Rahmen der Bundesamtsanhörung nur allgemein ausgesagt, der Geheimdienst habe ihm Papiere gegeben, die er habe unterschreiben müssen. Erstmals in der mündlichen Verhandlung steigerte der Kläger zu 1) sein Vorbringen dahin, dass er etwas unterschrieben habe, dass er keine politischen Aktivitäten habe.
Widersprüchlich und ungereimt sind auch des Weiteren die Angaben der Kläger zum Geheimdienst. Während der Kläger zu 1) gegenüber dem Bundesamt überhaupt nicht angegeben hatte, dass der Geheimdienst jemals sein Geschäft aufgesucht hatte, hatte die Klägerin zu 2) angegeben, der Geheimdienst sei in ihr Geschäft gekommen. Sie hätten kurdische Trachten mit einer Fahne von Kurdistan darin gefertigt. Der Geheimdienst habe diese verbrannt. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger zu 1) erstmals, der Geheimdienst sei wiederholt bei ihm im Geschäft gewesen. Dreimal sei er so gegen 12:00 Uhr vor dem Geschäft gewesen und drei weitere Male seien sie in das Geschäft gegangen und hätten sein Geschäft durchsucht. Zu dem Zeitpunkt sei aber nichts gefunden und verbrannt worden. Verbrannt worden seien Stücke erst nach der Hausdurchsuchung, nachdem das Geschäft geschlossen worden sei.
Erst auf Einflüsterung der Klägerin zu 2) verwies der Kläger zu 1) auch auf die Fertigung der kurdischen Damentrachten, die der Geheimdienst dann gefunden habe. Die Trachten seien mitgenommen worden. Erst nach seiner Flucht sei der Geheimdienst noch einmal in das Geschäft gegangen und habe Stoffe verbrannt. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger zu 1) erstmals weiter, man habe die Nummer seines Handys herausgefunden und deshalb sei der Geheimdienst zu ihnen nach Hause gekommen. Gegenüber dem Bundesamt hatte der Kläger zu 1) dahingehendes noch nicht erwähnt. Genauso wenig hatte die Kläger bislang etwas über die Verfolgungsmaßnahmen der Behörden nach dem Untertauchen erwähnt, etwa den von der Klägerin zu 2) erstmals in der mündlichen Verhandlung angeführten Haftbefehl sowie der zahlreichen Nachfragen des Geheimdienstes, insbesondere auch nach dem Verlassen des Landes.
Ergänzend ist noch anzumerken, dass der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung betonte, dass sein Name „K*“ falsch geschrieben sei, richtig sei die Schreibweise „Ki*“. Allerdings fällt in der Beziehung auf, dass auch in den von ihm selbst vorgelegten Übersetzungen der Bestätigungen seiner Partei die Schreibweise „K*“ enthalten ist, so dass sich die Frage stellt, wieso die kurdische Exilorganisation bzw. das von ihm beauftragte Übersetzungsbüro seinen Namen ebenfalls falsch schreiben sollte.
Zusammenfassend ist das Gericht nach dem Gesamtbild, wie sich dem Gericht aufgrund der Angaben der Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) im behördlichen Verfahren und im Gerichtsverfahren unter Einbeziehung der vorgelegten Unterlagen – gerade auch nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung – nicht davon überzeugt, dass den Klägern aufgrund des von ihnen geschilderten Vorfluchtschicksals eine (politische) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte oder heute noch droht.
Des Weiteren droht den Klägern, insbesondere dem Kläger zu 1), – ausgehend von der vorliegenden Erkenntnislage und der darauf fußenden Rechtsprechung – auch nicht wegen der von ihm vorgetragenen exilpolitischen Aktivitäten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende politischen Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran.
Denn nach der Rechtsprechung ist – allgemein – maßgeblich für eine beachtliche wahrscheinliche Verfolgungsgefahr darauf abzustellen, ob die im Asylverfahren geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten als untergeordnete Handlungen eingestuft werden, die dem Betreffenden nicht als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner in Erscheinung treten lassen oder umgekehrt. Die Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten ist anzunehmen, wenn ein iranischer Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervortritt und sein gesamtes Verhalten den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran einwirkenden Regimegegner erscheinen lässt (vgl. etwa m.w.N. OVG NRW, B.v. 16.1.2017 – 13 A 1793/16.A – juris; BayVGH, B.v. 29.7.2013 – 14 ZB 13.30084 – juris; B.v. 6.1.2014 – 13 A 1474/13.A – juris sowie VG Bayreuth, U.v. 2.4.2016 – B 3 K 15.30486 – juris; VG Stuttgart, U.v. 15.2.2016 – A 11 K 1658/15 – juris; VG Würzburg, U.v. 26.8.2015 – W 6 K 15.30206 – juris; jeweils m.w.N.; vgl. auch schon VG Würzburg, U.v. 19.12.2012 – W 6 K 12.30171 – Beck-Online, BeckRS 2013, 45668). Erforderlich ist im Regelfall ein exponiertes exilpolitisches Engagement, das den Betreffenden aus dem Kreis der standardmäßig exilpolitisch Aktiven heraushebt und im iranischen Staat als ernsthaften Regimegegner erscheinen lässt, so dass wegen der von ihm ausgehenden Gefahr eines Verfolgungsinteresses seitens des iranischen Staates besteht (vgl. auch HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4).
Diese Voraussetzungen sind im Ergebnis bei den Klägern nicht erfüllt, selbst wenn man zu ihren Gunsten davon ausgeht, dass bei Mitgliedern der Komalah eine womöglich größere Verfolgungsgefahr besteht als bei anderen exilpolitisch aktiven Iranern.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass die exilpolitischen Organisationen im Ausland sowie deren Aktivitäten durch den iranischen Sicherheitsdienst genauestens überwacht werden. Dies ist allgemein bekannt und unstrittig (Schweizerische Flüchtlingshilfe – SFH -, Länderanalyse Iran vom 04.04.2006, S. 6). Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen, z.B. der Kurdenpartei DPKI oder Komalah, kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen führen. Da die DPKI und die Komalah eine ähnliche Stellung in der iranischen Opposition einnehmen, können nach Ansicht des Gerichts jeweils betreffende Auskünfte entsprechend herangezogen werden, um eine Verfolgungsgefahr für jeweilige Aktivitäten zu ermitteln. Dies gilt insbesondere deshalb, da die Geschichte der beiden Organisationen miteinander verknüpft ist und auch die Auskünfte selbst meist nicht differenzieren, sondern von einer ähnlichen Verfolgungsgefahr ausgehen (vgl. z.B. Deutsches Orient-Institut an HessVGH vom 25.01.2007; Amnesty International an VG Köln vom 29.05.2007; GIGA an VG Köln vom 06.03.2007 und an VG Karlsruhe vom 01.06.2007). Beide Organisationen sind angesiedelt im politisch linken kurdischen Spektrum (GIGA an VG Karlsruhe vom 01.06.2007, S. 3; Deutsches Orient-Institut an HessVGH vom 25.01.2007, S. 7), haben früher einen gewaltsamen Kampf gegen das iranische Regime geführt (GIGA, a.a.O., S. 3; Deutsches Orient-Institut, a.a.O., S. 6), mittlerweile abgeschworen und den bewaffneten Kampf abgelehnt (GIGA an VG Karlsruhe vom 01.06.2007, S. 11; Auswärtiges Amt an HessVGH vom 04.04.2007, S. 2). Heute treten beide Organisationen für ein föderales System im Iran sowie Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit ein (Auswärtiges Amt, a.a.O., S. 2; Amnesty International an VG Köln vom 29.05.2007, S. 2). Kurdische Gruppierungen, denen die Regierung separatistische Tendenzen unterstellt, stehen weiterhin im Zentrum der Aufmerksamkeit der iranischen Sicherheitskräfte (Bundesamt, Informationszentrum Asyl und Migration, Iran – Online Loseblattwerk – 3. Gesellschaft und Bevölkerung, Oktober 2004, S. 14). Zwar ist der innenpolitische Einfluss der kurdischen Exilorganisationen vergleichsweise gering, da im Iran verbotene Organisationen nur im Untergrund und ohne ein offen hervortretendes Netz arbeiten können; gleichwohl sind diese im Land präsent (Deutsches Orient-Institut an HessVGH vom 25.01.2007, S. 17). Die Bedeutung der DPKI nimmt zu (GIGA an VG Karlsruhe vom 01.06.2007, S. 11). Denn die kurdisch oppositionellen Gruppen haben – ohne innenpolitisch Einfluss ausüben zu können – eine lebendig-wirksame Entsprechung im Iran (GIGA an VG Köln vom 06.03.2007, S. 10). Seit 2004 mit Spitzen Anfang und Mitte 2006 kam es in zahlreichen kurdischen Städten zu Demonstrationen, in deren Folge es Verhaftungen und Tote gab. Infolgedessen kam es zu verstärkten Verhaftungen von Mitgliedern kurdischer Organisationen, da die iranischen Sicherheitsbehörden den Grund für solche Aktionen in politischen Gruppen der Kurden im Iran sehen, auch wenn diese nicht unmittelbar gewalttätig sind (GIGA an VG Karlsruhe vom 01.06.2007, S. 10). Es gab Berichte über Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Extremisten. Die iranischen Sicherheitsbehörden versuchen, den politischen Hinter- und Untergrund solcher Aktivitäten auszuräuchern. Es gibt eine Vielzahl gut belegter Übergriffe, Verhaftungen, Verurteilungen und sogar Todesfälle beim „Umkippen“ der Demonstrationen (GIGA, a.a.O., S. 10). Die Aufstachelung und Anheizung dieser Konflikte kann auch zu einer verschärften Gefährdung der kurdischen Exilopposition führen (GIGA an VG Köln vom 06.03.2007, S. 10). Soweit Aktivitäten von Mitgliedern und Aktivisten der Komalah im Iran bekannt werden, sind die Betreffenden unnachsichtiger staatlicher Verfolgung ausgesetzt (Beschluss des HessVGH vom 24.07.2007, Az.: 6 UE 3107/05.A). Das Auswärtige Amt und das Bundesamt stellten bereits seit Herbst 2002 ein verschärftes Vorgehen gegen die Komalah und andere kurdische Organisationen fest (Auswärtiges Amt an HessVGH vom 04.04.2007; Bundesamt, a.a.O., S. 15).
Die eben skizzierte (ältere) Erkenntnislage wird durch neuere vorliegende Erkenntnisse in der Sache bestätigt.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe vermerkt in ihrer Länderanalyse vom 16. November 2010 (Iran: Illegale Ausreise/Situation von Mitgliedern der PDKI/politische Aktivitäten im Exil), dass die PDKI (KDPI, DPIK, DPKI) die älteste kurdische Oppositionsgruppe ist. Sie hat 1991 den bewaffneten Kampf aufgegeben und strebt die staatliche Anerkennung kurdischer Rechte in einer föderalen iranischen Republik an. Im Iran haben sich die Repressionen gegen politische Aktivisten und Gegnern des Regimes verstärkt. Kurdische oppositionelle Gruppen, die wie die PDKI in Verdacht stehen, separatistische Ziele zu verfolgen, werden brutal unterdrückt. Aktivisten werden in unfairen Verfahren zu harten Gefängnisstrafen verurteilt. Die Verfolgung kurdischer Oppositioneller beschränkt sich nicht ausschließlich auf Parteimitglieder in hohen Positionen. Der Besitz einer Broschüre oder einer CD mit Informationen zur Partei kann als ein die nationale Sicherheit bedrohender Akt aufgefasst werden. Angesichts des zunehmenden Drucks auf die kurdische Minderheit werden kurdische Iraner, die mehrere Jahre im Ausland gelebt haben, bei einer Rückkehr mit großer Wahrscheinlichkeit von den Geheimdiensten intensiv verhört. Iranische Sicherheitsdienste beobachten und erfassen seit Jahren die politischen Aktivitäten von Exiliranern. Allerdings ist es äußerst schwierig, den Grad der Überwachung von unregelmäßig aktiven Demonstrierenden oder von Personen, die ohne Schlüsselposition an Sitzungen der regierungskritischen Organisationen teilnehmen, einzuschätzen. Die Überwachung von exilierten Regierungskritikern scheint seit den Unruhen im Jahr 2009 zugenommen zu haben. Die, die sich öffentlich kritisch zu den Vorgängen im Iran äußern, müssen bei einer Rückkehr mit Problemen rechnen. Bis heute ist die PDKI eine der großen Oppositionsparteien des iranischen Regimes. Asylbewerber, die an Demonstrationen einer großen Oppositionsgruppe wie der PDKI teilgenommen haben, riskieren bei einer Rückkehr verfolgt zu werden. Für die PDKI aktive Personen laufen Gefahr, bei einer Rückkehr verfolgt und verhört zu werden.
Nach einer Stellungnahme von ACCORD (ACCORD-Anfrage-Beantwortung zum Iran: Lage von Mitgliedern der Demokratic Cardy of Kurdistan/Iran, Verfolgung von Mitgliedern durch iranische Behörden im Nordirak vom 18.11.2013) ist es unmöglich zu sagen, wo die Reizschwelle der Regierung gegenüber kurdischen Aktivitäten liegt. Es gibt keine klare Logik und keine kIare rote Linie. Grundsätzlich gibt es keine Toleranz des iranischen Regimes für irgendwelche Aktivitäten in Verbindung mit kurdischen politischen Parteien. Allerdings ist das System im Iran so kompliziert, dass man nicht vorhersagen kann, welche Gruppe am meisten gefährdet ist; dies ändert sich auch ständig.
Eine Verfolgungsgefahr besteht, wenn sich Asylbewerber im Ausland exponiert haben (vgl. Amnesty International, Auskunft an das VG Würzburg vom 20.3.2014). Seit Herbst 2009 gibt es verstärkte Hinweise auf eine gesteigerte Aufmerksamkeit der iranischen Sicherheitsdienste bezüglich der exilpolitischen Tätigkeit iranischer Staatsangehöriger. Dazu gehört auch, dass verstärkt Personen, die an solchen Tätigkeiten beteiligt gewesen sind, bei späteren Besuchen in den Iran seitens des Sicherheitsdienstes zu ihren Aktionen befragt werden (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Würzburg vom 24.2.2014).
Nach einer weiteren Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 22.1.2016 zu Iran: Gefährdung eines Mitglieds der KDP bei der Rückkehr in den Iran) werden kurdische Oppositionsgruppen, welche separatistischer Aspirationen verdächtigt werden, im Iran brutal unterdrückt, sie können dort nicht legal tätig sein. Diese Mitglieder werden oftmals unter falschem Vorwand verhaftet und unfairen Gerichtsverfahren unterworfen sowie zu schweren Strafen verurteilt. Die iranische Regierung duldet keinerlei Aktivitäten im Zusammenhang mit kurdischen politischen Parteien im Iran. Im Iran müssen auch Unterstützer mit niedrigem Profil mit ernsthaften Konsequenzen rechnen. Des Weiteren sind Rückkehrer aus dem Irak, die dort in Kontakt mit kurdischen Exilparteien gestanden haben, Gefährdungen ausgesetzt.
Das Österreichische Bundesamt für Fremdenwesen (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Iran vom 31.3.2016) führt aus, dass kurdische Gruppierungen wie auch die Komalah aufgrund der unterstellten separatistischen Tendenzen im Zentrum der Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte stehen. Die Komalah hat ihre Zentrale in der autonomen kurdischen Region Irak. Es gibt Parteimitglieder und Parteisympathisanten. Organisiert ist die Partei in einzelnen Zellen, die eine große Anzahl von Sympathisanten abdecken. Einer realen Gefährdung bei einer Rückkehr in den Iran setzen sich solche führende Persönlichkeiten der Oppositionsgruppen aus, die öffentlich und öffentlichkeitswirksam in Erscheinung träten und zum Sturz des Regimes aufrufen. Im Ausland lebende prominente Vertreter im Iran verbotener Oppositionsgruppen haben im Fall einer Rückführung mit sofortiger Inhaftierung zu rechnen. Des Weiteren ist zu beobachten, dass Teilnehmer an iran-kritischen Demonstrationen bei späteren Besuchen im Iran seitens des Sicherheitsdienstes zu ihren Aktionen befragt werden. Nach Erkenntnissen deutscher Sicherheitsbehörden arbeitet der iranische Geheimdienst primär gegen oppositionelle Exil-Aktivitäten. Im Fokus stehen vor allem Aktivitäten, die als Angriff auf das politische System empfunden werden und die islamischen Grundsätze in Frage stellen.
In den vorliegenden Lageberichten des Auswärtigen Amtes (zuletzt Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016 sowie vom 9.12.2015, Stand: November 2015) ist vermerkt, dass die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen zu staatlichen Zwangsmaßnahmen führen kann. Zu diesen verbotenen Organisationen zählen unter anderem die Kurdenparteien (z.B. DPIK, Komalah). Den Lageberichten ist weiter zu entnehmen, dass es zunehmend Hinweise auf Diskriminierung von im Iran lebenden Kurden hinsichtlich ihrer kulturellen Eigenständigkeit, Meinungs- und Versammlungsfreiheit in den Fällen gibt, in denen die Zentralregierung separatistische Tendenzen vermutet. Einzelne kurdische Gruppierungen, denen die Regierung separatistische Tendenzen unterstellt, stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte. Hierzu zählen insbesondere die marxistische Komalah-Partei und die Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPIK bzw. DPKI). Diese werden von der Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppen betrachtet, die vom Irak aus das Regime bekämpfen. Festnahmen und Verurteilungen zu hohen Gefängnisstrafen einschließlich der Todesstrafe gegen mutmaßliche radikale Mitglieder kommen weiterhin vor. Weiter ist zu den exilpolitischen Tätigkeiten ausgeführt, dass davon auszugehen ist, dass die iranischen Stellen die im Ausland tätigen Oppositionsgruppen genau beobachten. Einer realen Gefährdung bei einer Rückkehr in den Iran setzen sich daher solche führenden Persönlichkeiten der Oppositionsgruppen aus, die öffentlich und öffentlichkeitswirksam (z.B. Redner, Verantwortliche oder leitende Funktionsträger) in Erscheinung treten und zum Sturz des Regimes aufrufen. Im Ausland lebende prominente Vertreter im Iran verbotener Oppositionsgruppen haben im Fall einer Rückführung mit sofortiger Inhaftierung zu rechnen.
Im aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016) ist noch angemerkt, dass kurdischen Aktivisten von der Zentralregierung separatistische Tendenzen vorgeworfen und diese entsprechend geahndet werden. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann in den Iran zurückkehrten, können von Repressionen bedroht sein.
Ausgehend von dieser Erkenntnislage kommt die Rechtsprechung zum Ergebnis, dass auch nicht radikale Mitglieder kurdischer Oppositionsparteien im Iran flüchtlingsrelevant verfolgt werden können. Gefährdet sind nicht ausschließlich Mitglieder der Partei, sondern auch einfache Anhänger. Auch solche Personen sind im Iran gezielter politischer Repression ausgesetzt, die sich als überzeugte und aktive Mitglieder der Oppositionspartei offenbart haben. Der Grad der Gefährdung wegen exilpolitischer Betätigung übersteigt damit für Mitglieder der Komalah oder auch der DPKI denjenigen, der für Mitglieder und Anhänger anderer Exilorganisationen, wie etwa der Monarchisten, angenommen wird. Abzustellen ist auf eine Einzelfallbeurteilung (vgl. HessVGH, B.v. 24.7.2007 – 6 UE 3108/05.A – juris sowie OVG NRW, B.v. 6.8.2010 – 13 A 829/09.A – juris; VG Bremen U.v. 01.02.2012 – 1 K 173/09.A – juris; VG Karlsruhe, U.v. 28.7.2011 – A 6 K 671/11 – Asylmagazin 2011, 287; VG Ansbach, U.v. 21.7.2011 – AN 18 K 11.30194 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 18.8.2010 – 5 K 3884/10.A – juris; VG Oldenburg, U.v. 26.1.2010 – 3 A 135/09 – juris; VG Dresden, U.v. 6.8.2003 – 14 A 30558/00.A – juris; vgl. auch HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4; BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 ZB 12.30263 – juris).
Nach alledem ist festzuhalten, dass bei Mitgliedern, Anhängern oder Sympathisanten der kurdischen Oppositionsgruppen eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit nicht voraussetzt, dass diese in exponierter Stellung nachhaltig als Regimefeinde in die Öffentlichkeit getreten sind. Vielmehr ist auch bei einer abgeschwächten Form oppositioneller Aktivitäten eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit möglich. Ob eine solche vorliegt, richtet sich weitgehend nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Bei einfachen Mitgliedern und untergeordneten Tätigkeiten für kurdische exiloppositionelle Gruppen ist es nach Ansicht des Gerichts erforderlich für die Begründung einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit, dass diese Mitglieder oder Personen erkennbar und identifizierbar derart in die Öffentlichkeit getreten sind, dass sie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von den iranischen Behörden und Sicherheitskräften erkannt und identifiziert worden sind und zudem wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates besteht. Dafür genügt nicht allein die passive Mitgliedschaft oder die vereinzelte Teilnahme an Demonstrationen. Denn es ist nicht als realistisch anzusehen, dass jede Person, welche an Veranstaltungen der kurdischen Exilopposition teilnimmt, als möglicher Regimefeind erkannt und verfolgt wird. Denn ein bloßer Mitläufer der Komalah ist nicht gefährdet. Auch bei Mitgliedern der Komalah ist nach dem Gesamtbild der Aktivitäten die Einzelfallbeurteilung das maßgebliche Kriterium für die Bewertung der Verfolgungsrelevanz exilpolitischer Aktivitäten. Das Bestehen einer beachtlichen wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr ist nach den konkret-individuellen Gesamtumständen des Einzelfalles zu beurteilen. Entscheidend ist dabei, ob die Aktivitäten den jeweiligen Asylsuchenden aus der Masse der mit dem Regime im Teheran Unzufriedenen herausheben und ihn als ernsthaften (und gefährlichen) Regimegegner erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 ZB 12.30263 – juris; OVG NRW, B.v. 6.8.2010 – 13 A 829/09.A. – juris).
Vor diesem Hintergrund besteht für den Kläger zu 1) nach derzeitiger Auskunftslage aufgrund des Gesamtbildes seiner exilpolitischen Tätigkeiten keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran. Der Kläger hat konkret unter Vorlage einer Bescheinigung der Komalah vorgebracht, er sei Aktivist in Deutschland. Er stehe mit der Komalah in Verbindung und habe in dieser Zeit auf verschiedene Weise an den Sitzungen und Veranstaltungen der Komalah in Europa und in Deutschland teilgenommen. Der Kläger hat dies im Gerichtsverfahren und insbesondere in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht weiter konkretisiert. Er verwies lediglich auf eine erst am 25. Februar 2017 stattfindende Sitzung der Komalah in Köln sowie eine Demonstration verschiedener kurdischer Parteien gegen den iranischen Staat dort. Er habe Anrufe erhalten, dass er weitere Aktivitäten in Deutschland machen solle, aber er habe noch keine großen Möglichkeiten gehabt, weil er in seiner Asylunterkunft örtlich gebunden sei.
Die demnach insgesamt eher dürftigen Aktivitäten des Klägers rechtfertigen nicht die Annahme einer begründeten Verfolgungswahrscheinlichkeit, weil die Teilnahme an einzelnen Parteiveranstaltungen oder Demonstrationen nach der ins Verfahren eingeführten Erkenntnisse nicht ausreicht. Der Kläger hat sich auch nicht mit Veröffentlichungen gegen das iranische Regime hervorgetan. Es ist schon nicht ersichtlich, wie die wenigen Aktivitäten des Klägers in Deutschland den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt werden sollten. Zudem scheinen die politischen Aktivitäten des Klägers nicht geeignet, auf die Verhältnisse im Iran ernsthaft einzuwirken und aus der Sicht des iranischen Staates eine Gefahr zu begründen. Nach der vorliegenden Auskunftslage ist es unrealistisch anzunehmen, dass jegliche regimekritische Aktivität bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu persönlichen Konsequenzen führt. Der Kläger hat sich insgesamt betrachtet nicht als überzeugtes und aktives Mitglied der Oppositionspartei offenbart, so dass nicht davon auszugehen ist, dass seine Aktivitäten den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt sind und darüber hinaus ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates begründen.
Die einfache Mitgliedschaft in der Partei Komalah sowie eine vereinzelte Teilnahme an Parteiveranstaltungen und auch Demonstrationen genügen im Ergebnis nicht (vgl. auch schon BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 ZB 12.32063 – juris). Im Übrigen spricht einiges dafür, dass die vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen der Komalah-Partei allgemeine Gefälligkeitsbescheinigungen sind, die keinen eigenständigen individuellen Beweiswert haben, sodass im Wesentlichen nur davon auszugehen ist, was der Kläger zu 1) selbst in der mündlichen Verhandlung an Aktivitäten angegeben hat (vgl. auch schon VG München, U.v. 16.12.2011 – M 2 K 10.31239 – juris).
Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass den Klägern sonst bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, etwa wegen ihres Auslandsaufenthalts oder ihrer Asylantragstellung in Deutschland. Auslandsaufenthalte sind nicht verboten. Zwar kann es bei der Rückkehr in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen; die Befragung geht in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Darüber hinaus kommt es jedoch zu keinen staatlichen Repressionen. Keiner westlichen Botschaft ist bisher ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Zudem wurde auch kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Zurzeit gibt es keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis. Schließlich können Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Mit dieser „gesetzlichen Wiedereinreise“ werden die früheren illegalen Ausreisen legalisiert (vgl. Auswärtiges Amt an das VG Würzburg vom 11.12.2013; Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016, S. 17 f.). Vorstehendes gilt auch in Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9. März 2010 (R.C./Sweden, Nr. 41827/07). Denn die dort entschiedene Fallkonstellation ist nicht mit der hier vorliegenden vergleichbar, weil der Europäische Gerichtshof in jenem Fall seiner Beurteilung eine Vorverfolgung (Demonstrationsteilnahme mit anschließender Verhaftung und Folter) als substanziiert glaubhaft gemacht zugrunde gelegt hat (VGH BW, U.v. 15.4.2015 – A 3 S 1459/13 – juris; SächsOVG, U.v. 14.1.2014 – A 2 A 911/11 – juris; BayVGH, B.v. 25.2.2013 – 14 ZB 13.30023 – juris; B. v. 21.1.2013 – 14 ZB 12.30456 – juris; OVG NRW, B.v. 16.6.2011 – 13 A 1188/11.A – Asylmagazin 2011, 246; NdsOVG, B.v. 13.5.2011 – 13 LA 176/10 – AuAS 2011, 174).
Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid wird im Einzelnen Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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