Verwaltungsrecht

Keine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs bei Entscheidung für einen um 2 Punkte besser Beurteilten

Aktenzeichen  M 5 E 16.3257

Datum:
12.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 33 Abs. 2
RDGEG RDGEG § 3, § 5
VwGO VwGO § 65 Abs. 2, § 67 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 4, S. 7, § 123 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
BV BV Art. 94 Abs. 2 S. 2
BeamtStG BeamtStG § 9

 

Leitsatz

1. Im Besetzungsverfahren um einen Dienstposten steht dem Beamten kein Rechtsanspruch auf Übertragung der streitgegenständlichen Stelle zu, vielmehr hat er nur einen Bewerbungsverfahrensanspruch, d.h. einen Anspruch auf eine unter Beachtung des Leistungsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 2 GG erfolgende Auswahlentscheidung. (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine eventuelle Rechtswidrigkeit der Dienstpostenbündelung führt nicht zur Rechtswidrigkeit der dienstlichen Beurteilung eines Beamten (ebenso BVerwG BeckRS 2016, 40404). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Zum Verfahren wird … beigeladen.
II.
Der Antrag wird abgelehnt.
III.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
IV.
Der Streitwert wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Im Mitteilungsblatt der Bayerischen Polizei Nr. 06 vom 31. März 2016 wurde unter Ziff. 9.1 der Dienstposten als „Sachbearbeiter/Sachbearbeiterin 3. QE Erkennungsdienst im Sachgebiet 525 – Erkennungsdienst – beim Bayerischen Landeskriminalamt (A 12/13)“ ausgeschrieben. Die Ausschreibung enthält eine kurze Aufgabenbeschreibung des Dienstpostens sowie den Zusatz, dass aufgrund der sehr stark ausgeprägten Zusammenhänge zu anderen Verfahren und insbesondere auch durch die immanente Verknüpfung zu INPOL (Land und Bund) fundierte Kenntnisse aus diesen Bereichen und grundsätzliches Interesse am EDV-Bereich bzw. in Bezug auf polizeiliche EDV-Anwendungen äußerst förderlich und wünschenswert seien.
Auf die Stelle bewarben sich zahlreiche Bewerber aus dem Statusamt A 12, darunter der Antragsteller und der Beigeladene sowie ein Beamter aus dem Statusamt A 11.
Mit Auswahlvermerk des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 13. Juni 2016 beabsichtigte der Antragsgegner, den Dienstposten an den Beigeladenen zu vergeben. Dabei wurde ein Leistungsvergleich unter Heranziehung bestimmter jeweils besonders gewichteter Einzelmerkmale derjenigen Bewerber vorgenommen, die jeweils im Gesamturteil der aktuellen dienstlichen Beurteilung (Stichtag: 31.5.2015) 14 Punkte erzielten.
Am 18. Juli 2016 modifizierte der Antragsgegner seine Auswahlentscheidung dahin, den Bewerber Dieter G. auf den Dienstposten zu bestellen und – da dieser auf einen anderen Dienstposten abgeordnet sei, was auch so belassen werden soll – den Beigeladenen mit der Aufgabenwahrnehmung des Dienstpostens zu betrauen.
Nach Zustimmung durch den Hauptpersonalrat teilte das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr mit Schreiben vom 5. Juli 2016 dem Antragsteller mit, dass beabsichtigt sei, den Dienstposten dem Beigeladenen zu übertragen. Dieser habe in der aktuellen dienstlichen Beurteilung ein im Vergleich zu dem Antragsteller mit 12 Punkten im Gesamturteil (die dienstliche Beurteilung ist Gegenstand der Klage M 5 K 15.5748 – über die noch nicht entschieden wurde) mehrere Punkte besseres Gesamturteil, so dass – da für den Dienstposten keine besondere fachliche Ausbildung und praktische Erfahrungen vorausgesetzt würden – dieser Dienstposten nach dem Grundsatz der Bestenauslese an ihn zu vergeben sei.
Am 22. Juli 2016 hat der Antragsteller im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt,
dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, den Dienstposten „Sachbearbeiter 3. QE Erkennungsdienst im Sachgebiet 525 beim Bayerischen Landeskriminalamt (A 12/13)“ mit einem anderen Bewerber zu besetzen, zu beschäftigen und eine auf den streitigen Dienstposten bezogene Ernennungsurkunde auszuhändigen, bevor nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden worden ist.
Der Antragsteller sei wie der Beigeladene auf einem Dienstposten der Wertigkeit A 11/A 12 beschäftigt. Es sei nicht nachvollziehbar, ob und wie der Beurteiler die jeweils von beiden Bewerbern auf dem jeweils gebündelten Dienstposten wahrgenommene Tätigkeit habe gewichten können. Vor diesem Hintergrund fuße die Besetzungsentscheidung auf rechtsfehlerhaft zustande gekommenen Beurteilungen.
Demgegenüber hat das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr für den Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Da der Beigeladene in seiner periodischen Beurteilung 2015 im Gesamturteil 14 Punkte erhalten habe, der Antragsteller dagegen nur 12 Punkte, sei dieser dem Antragsteller vorzuziehen.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig, aber unbegründet.
1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr droht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch, den materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird, als auch einen Anordnungsgrund, die Eilbedürftigkeit der Streitsache, glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO).
2. Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, da die von dem Antragsteller angestrebte Stelle als „Sachbearbeiter 3. QE Erkennungsdienst im Sachgebiet 525 – Erkennungsdienst – beim Bayerischen Landeskriminalamt (A 12/13)“ ausweislich des Schreibens des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 5. Juli 2016 mit dem Beigeladenen besetzt werden soll.
Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (BVerwG, U. v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – NVwZ 2011, 358 und U. v. 25.8.1988 – 2 C 62/85 – NVwZ 1989, 158; VG München, B. v. 28.4.2014 – M 5 E 14.1466) ist mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Besetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren des Antragstellers, die Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte, weil der Antragsgegner die Stellenbesetzung mit dem Beigeladenen als Beförderungsbewerber in der Regel nicht mehr rückgängig machen könnte.
3. Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Einen Rechtsanspruch auf die Übertragung der streitgegenständlichen Stelle hat der Antragsteller ohnehin nicht. Ein solcher lässt sich nach herrschender Rechtsprechung nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten, die sich auf das von dem Beamten bekleidete Amt beschränkt und somit amtsbezogen ist. Der Antragsteller hat aber einen Bewerbungsverfahrensanspruch, das heißt einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Art. 94 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung für den Freistaat Bayern (BV), § 9 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) und Art. 16 Abs. 1 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (BVerfG, B. v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746 und B. v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194).
Anhand dieser Vorgaben hat der Dienstherr unter mehreren Bewerbern den am besten Geeigneten ausfindig zu machen. Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamtenstellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Ein Bewerber hat daher einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung (BVerwG, U. v. 25.8.1988 – a. a. O.; BayVGH, B. v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565; VG München, B. v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris). Aus der Verletzung dieses Anspruchs folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung oder auf die Vergabe des begehrten Dienstpostens. Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B. v. 26.11.2010 – a. a. O.).
Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bewerbern um eine Beförderungsstelle sind in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu stützen, denn sie bilden den gegenwärtigen bzw. zeitnah zurückliegenden Stand ab und können somit am besten als Grundlage für die Prognose dafür dienen, welcher der Konkurrenten die Anforderungen der zu besetzenden Stelle voraussichtlich am besten erfüllen wird (BVerwG, B. v. 27.9.2011 – 2 VR 3/11 – NVwZ-RR 2012, 71; vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B. v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 – juris).
4. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die vorliegend erfolgte Auswahlentscheidung rechtlich nicht zu beanstanden.
Es hält sich im rechtlichen Rahmen, den Antragsteller mit der Stellenbesetzung auch für die faktische Wahrnehmung des streitgegenständlichen Dienstpostens (vgl. hierzu: VG München, B. v. 6.10.2016 – M 5 E 16.3149) nicht zu berücksichtigen, da er im Gesamturteil der aktuellen dienstlichen Beurteilungen um 2 Punkte schlechter als der Beigeladene beurteilt wurde.
a) Das Verfahren entspricht den Erfordernissen der Rechtsprechung, wonach die maßgeblichen Auswahlerwägungen schriftlich niedergelegt werden müssen (BVerfG, B. v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07 – juris, Rn. 20). Dem Auswahlvermerk vom 13. Juni 2016 ist zu entnehmen, dass der Antragsgegner im Rahmen der vorgenommenen Auswahl nicht davon ausgegangen ist, dass die Besetzung des streitgegenständlichen Dienstpostens eine besondere fachliche Ausbildung oder entsprechende praktische Erfahrung voraussetzt. Dies steht im Einklang mit der Formulierung in der Ausschreibung, dass bestimmte vorhandene Kenntnisse „äußerst förderlich und wünschenswert“ seien. Eine solche Formulierung macht deutlich, dass entsprechende – im Einzelnen nicht genau konkretisierte – Kenntnisse gerade nicht bei einem Bewerber vorausgesetzt werden, um überhaupt für das Auswahlverfahren zugelassen zu werden. Sie ist daher nicht als konstitutive, sondern als deskriptive Anforderung einzustufen, so dass es rechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn im Auswahlverfahren primär ein Leistungsvergleich anhand der dienstlichen Beurteilungen vorgenommen wird.
b) Die Heranziehung der jeweiligen dienstlichen Beurteilungen zum Stichtag 31. Mai 2015 als Grundlage des Leistungsvergleichs ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
Dienstliche Beurteilungen sind aufgrund der Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle von Beurteilungen beschränkt sich auf die Prüfung, ob und inwieweit der Beurteiler einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, ob er den gesetzlichen Rahmen oder anzuwendende Begriffe verkannt hat, ob er allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat und ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten ist (BVerwG, U. v. 21.3.2007 – 2 C 2/06 – juris, Rn. 7; BayVGH, B. v. 11.3.2013 – 3 ZB 10.602 – juris, Rn. 4).
Der bei der Beförderungsauswahl unterlegene Beamte, der verwaltungsgerichtlichen Rechtschutz in Anspruch nimmt, muss nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft machen, dass die Auswahlentscheidung in verfahrens- oder materiell-rechtlicher Hinsicht fehlerhaft ist. Hierzu hat er die den Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund begründenden Tat-sachen so darzulegen, dass das Gericht von ihrer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgehen kann (BVerfG, B. v. 29.7.2003 – 2 BvR 311/03 – juris, Rn. 16).
Im Klageverfahren M 5 K 15.5748 hat der Antragsteller bisher nur vorgebracht, dass unklar sei, wie die im Beurteilungsverfahren vorgenommene Reihung im Einzelnen stattgefunden habe und wie seine Leistung eingewertet worden sei. Dieses Vorbringen ist nicht ausreichend substantiiert, um eine umfassende Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Beurteilung im Stellenbesetzungsverfahren auszulösen (BayVGH, B. v. 28.2.2014 – 3 CE 14.32 – juris, Rn. 25 ff.).
Auch der von dem Antragsteller angeführte Umstand, dass er und der Beigeladene auf gebündelten Dienstposten der Wertigkeit A 11/A 12 beurteilt worden seien, führt – seine Richtigkeit unterstellt – nicht zur Rechtswidrigkeit der jeweiligen dienstlichen Beurteilung. Zum einen führt eine eventuelle Rechtswidrigkeit der Dienstpostenbündelung nicht zur Rechtswidrigkeit der dienstlichen Beurteilung eines Beamten, der auf einem derartigen Dienstposten verwendet wird, da auch dieser Beamte zu beurteilen ist (so ausdrücklich BVerwG, U. v. 17.9.2015 – 2 C 27/14 – BVerwGE 153, 48, 63, sowie juris, Rn. 28). Zum anderen wurde seitens des Antragstellers nichts (Substantiiertes) dazu vorgebracht, dass die jeweilige Leistungsbewertung nicht auf der Grundlage des innegehabten Statusamtes der Besoldungsgruppe A 12 erfolgt sei, was insoweit allein als beurteilungsschädlich in Betracht kommt.
5. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Es entspricht der Billigkeit, dass der zum Verfahren nach § 65 Abs. 2 VwGO beizuladende ausgewählte Beamte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die Streitwertfestsetzung folgt § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).


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