Verwaltungsrecht

Keine Versagung rechtlichen Gehörs durch Ablehnung eines bedingten Beweisantrags

Aktenzeichen  24 ZB 21.30225

Datum:
18.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4223
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 108, § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Ablehnung eines erheblichen Beweisangebots verstößt nur dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet. Das rechtliche Gehör ist versagt, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird; fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 K 19.31690 2020-12-22 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der ausschließlich geltend gemachte Zulassungsgrund der Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) liegt nicht vor.
Der Kläger macht geltend, das rechtliche Gehör sei ihm versagt und so sein Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt worden, da das Gericht den in der mündlichen Verhandlung gestellten bedingten Beweisantrag in den Urteilsgründen in rechtsfehlerhafter Weise abgelehnt habe. Dieser hatte den Inhalt: „Zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger im Fall der Rückkehr in die Türkei landesweit von der Tötung durch die Hidir-Yildiz-Familie bedroht ist und beim Nachsuchen um polizeilichen Schutz vor der Hidir-Yildiz-Familie von den türkischen Sicherheitskräften selbst verfolgt wird oder zumindest keinen staatlichen Schutz erhalten wird, beantragen wir die Einholung einer Stellungnahme durch das Auswärtige Amt“. Hierdurch hätten die Tatsachenfragen, ob der türkische Staat hinsichtlich des Klägers schutzwillig und schutzfähig ist sowie ob dem Kläger eine landesweite Verfolgung droht, beantwortet werden können.
Die Ablehnung eines erheblichen Beweisangebots verstößt nur dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 138 Nr. 3 VwGO) als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG), wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet. Das rechtliche Gehör ist versagt, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Von einer willkürlichen Missdeutung kann insbesondere nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Rechtsauffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, B.v. 22.5.2015 – 1 BvR 2291/13 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 13.2.2019 – 10 ZB 18.32806 – Rn. 4; B.v. 1.10.2019 – 9 ZB 19.33382 – juris Rn. 2; B.v. 16.7.2019 – 9 ZB 19.32441 – juris Rn. 4, jeweils m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag mit der Begründung als unzulässig abgelehnt, dass die Frage des Bestehens einer landesweiten Bedrohung durch die Hidir-Yildiz-Familie und der Verfolgung durch den türkischen Staat im Falle des Nachsuchens um Schutz bzw. dessen Schutzunwilligkeit/-unfähigkeit das Ergebnis einer tatsächlich-rechtlichen Würdigung der jeweiligen Gefahrenlage im Einzelfall sei. Wertungen und rechtliche Subsumtionsergebnisse seien kein zulässiges Beweisthema. Die diesbezüglichen Feststellungen seien im Einzelfall Kern der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 VwGO) und damit einer Beweiserhebung nicht zugänglich (UA Rn. 29). Hiermit gibt das Gericht zu erkennen, dass die Frage, ob dem Kläger bei Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht, keine Tatsachen-, sondern eine Rechtsfrage ist, deren Beantwortung ureigene Aufgabe des Gerichts selbst ist. Entsprechend hat das Erstgericht die Frage, ob dem Kläger bei Rückkehr in sein Herkunftsland eine Verfolgung droht, als Ergebnis seiner eigenen Beweiswürdigung zu Ungunsten des Klägers beantwortet und sich hierbei insbesondere auf den fehlenden erforderlichen zeitlich-kausalen Zusammenhang zwischen den fluchtauslösenden Vorkommnissen und seiner Ausreise gestützt (UA Rn. 19). Dies ist zulassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nachdem das Verwaltungsgericht dazu berufen ist, die Wahrscheinlichkeit einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung des Klägers zu bewerten, kann keine Rede davon sein, dass die Ablehnung des Beweisantrags im Prozessrecht keine Stütze findet.
Von einer weiteren Begründung des Nichtzulassungsbeschlusses wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylG).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylG.


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