Verwaltungsrecht

Keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote bzgl. Italien

Aktenzeichen  Au 7 S 16.32708

Datum:
16.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Bezogen auf Italien bestehen keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote iSd § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG, da anerkannte Flüchtlinge den Staatsbürgern gleichgestellt sind und staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können, um ihre Grundbedürfnisse zu decken. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtschutz gegen die im Bescheid vom 16. November 2016 verfügte Abschiebungsandrohung nach I..
Der nach eigenen Angaben am … 1989 geborene Antragsteller, der keine Ausweisdokumente vorlegte, ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger der Bundesrepublik Nigeria. Nachdem der Antragsteller nach Durchführung eines „Dublin-Verfahrens“ im Oktober 2014 aus der Bundesrepublik Deutschland nach I. abgeschoben worden war (Abschlussmitteilung der Bundespolizei vom 21.10.2014), reiste er am 23. Dezember 2015 erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 27. Januar 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens.
Am 10. März 2016 richtete das Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch an I. Das i. Innenministerium teilte mit Schreiben vom 18. März 2016 mit, dass dem Antragsteller in I. internationaler Schutz und ein Aufenthaltstitel aufgrund subsidiären Schutzes gewährt worden ist. Es wurde auf die Überstellung nach Maßgabe der einschlägigen „police agreements“. verwiesen
Am 4. Oktober 2016 fand das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens statt. Dabei gab der Antragsteller gegenüber dem Bundesamt u. a. an, er wolle nicht nach I. überstellt werden. Er habe dort auf der Straße leben müssen und niemand habe sich um ihn gekümmert. Alles was er möchte, sei, eine Arbeit zu finden, um sich um seine Familie kümmern zu können.
Mit Bescheid vom 16. November 2016, der mit Postzustellungsurkunde am 1. Dezember 2016 zur Post gegeben wurde, wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziffer 2). Dem Antragsteller wurde die Abschiebung nach I. angedroht, sollte er die Ausreisefrist von einer Woche nicht einhalten. Es wurde verfügt, dass er nicht nach Nigeria abgeschoben werden darf (Ziffer 3). In Ziffer 4 wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Am 5. Dezember 2016 hat der Antragsteller zur Niederschrift vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 16. November 2016 erhoben. Die Klage wird unter dem Aktenzeichen Au 7 K 16.32707 geführt.
Zugleich beantragte er gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin übermittelte mit Schreiben vom 8. Dezember 2016 die Behördenakten, äußerte sich aber in der Sache nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die Akten des Bundesamts Bezug genommen.
II.
Der am 5. Dezember 2016 sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.: Au 7 K 16.32707) gegen die Abschiebungsandrohung in Nummer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. November 2016 anzuordnen, ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Hauptantrag ist zwar zulässig. Er ist nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) keine aufschiebende Wirkung zukommt. Der Antragsteller hat auch die Wochenfrist zur Stellung des Antrages gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG eingehalten.
2. Der Hauptantrag ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO liegen nicht vor.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das bezüglich der Abschiebungsandrohung durch § 75 AsylG gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich – wenn auch nicht ausschließlich – an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen.
Die Interessenabwägung fällt hier zulasten des Antragstellers aus. Denn die Androhung der Abschiebung des Antragstellers nach I. auf der Grundlage von § 35 AsylG begegnet bei Anlegung dieses Maßstabs keinen rechtlichen Bedenken; die Klage wird mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos sein.
Nach § 35 AsylG droht das Bundesamt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.
Hier liegt ein Fall von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nummer 2 AsylG gewährt hat. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Antragsteller hat in I. subsidiären Schutz erhalten („subsidiary protection“, siehe Schreiben des i. Innenministeriums vom 18.3.2016, Bl. 76 der Bundesamtsakte).
Es liegen auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote im Sinne von § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf I. vor (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG). Dem Antragsteller droht in I. weder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK noch eine sonstige konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen stellen sich die Lebensverhältnisse anerkannter Flüchtlinge in I. nicht allgemein als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK dar. Vielmehr ist davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge in I. grundsätzlich i. Staatsbürgern gleichgestellt sind und erforderlichenfalls staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können, um jedenfalls ihre Grundbedürfnisse zu decken. Gelingt dies nicht sogleich bzw. vollständig, können sie die Hilfe caritativer Organisationen erhalten (Vgl. OVG NW, B. v. 21.9.2016 – 13 A 1503/16.A – juris, U. v. 24.8.2016 – 13 A 63/16.A – juris, Rn. 51 ff., U. v. 19.5.2016 – 13 A 1490/13.A – juris, Rn. 89 ff).
Das Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung an.
Beim Antragsteller handelt es sich um einen alleinstehenden, arbeitsfähigen, jungen Mann, der im Falle seiner Überstellung nach I. nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG bestehen daher ebenfalls nicht. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder vom Antragsteller vorgetragen worden, dass für ihn in I. eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bestehen könnte.
Soweit in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids die Feststellung getroffen wurde, dass der Antragsteller nicht nach Nigeria abgeschoben werden darf, handelt es sich um eine Ergänzung der Abschiebungsandrohung gemäß § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG, die rechtlich nicht zu beanstanden ist und dem Umstand geschuldet ist, dass dem Antragsteller in I. subsidiärer Schutz gewährt wurde.
Die Ausreisefrist von einer Woche ist gemäß § 36 Abs. 1 i. V. m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht zu beanstanden.
Eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Durchführung des Asylverfahrens ergibt sich auch nicht aus der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31). Diese Verordnung (Dublin III-Verordnung) findet keine Anwendung (mehr), wenn einem Ausländer, der in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union – hier in I. – die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde (vgl. BVerwG, U. v. 17.6.2014 – 10 C 7.13 – juris; OVG NW, U. v. 19.5.2016 – 13 A 1490/13.A – juris; OVG RhPf, U. v. 18.2.2016 – 1 A 11081/14 – juris, Rn. 18 ff.).
Auch hinsichtlich der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ergeben sich keine Bedenken; schützenswerte Belange außer dem Wunsch, in Deutschland zu bleiben, sind dem Vorbringen des Antragstellers nicht zu entnehmen.
Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des angefochtenen Bescheides Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Nach allem erweist sich die Abschiebungsandrohung bzw. der angefochtene Bescheid des Bundesamtes als rechtmäßig, so dass der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mangels Erfolgsaussichten der Klage abzulehnen war.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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