Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen fehlender Glaubhaftmachung eines Verfolgungsschicksals

Aktenzeichen  8 ZB 18.31817

Datum:
18.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 25049
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Ob ein Asylkläger die behauptete Vorverfolgung durch entsprechenden, substantiierten Tatsachenvortrag hinreichend glaubhaft gemacht hat, ist vom Gericht im Rahmen seiner Überzeugungsbildung durch Sachverhalts- und Beweiswürdigung zu beurteilen.  (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 3 K 17.32115 2018-05-29 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin Möhler wird abgelehnt.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtlich Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 21.11.2017 – 1 B 148.17 u.a. – juris Rn. 4 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 30.9.2015 – 1 B 42.15 – juris Rn. 3). Darzulegen sind mithin die konkrete Frage sowie ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung (vgl. OVG NRW, B.v. 15.12.2017 – 13 A 2841/17.A – juris Rn. 3 ff.).
Diesen Anforderungen wird das klägerische Vorbringen nicht gerecht. Die vom Kläger im Zulassungsantrag für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Tatsachenfrage,
„inwieweit die Oppositionsarbeit des Klägers in seinem Heimatland Äthiopien einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG begründen kann“,
ist einer generellen Klärung nicht zugänglich, weil sie das Vorliegen einer individuellen Gefährdung aufgrund der konkreten Tätigkeit des Klägers voraussetzt, die im jeweiligen Einzelfall im Rahmen der richterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu beurteilen sind. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie Feststellung subsidiären Schutzes oder nationaler Abschiebungsverbote abgelehnt, weil es dem Tatsachenvorbringen des Klägers aufgrund der unzureichenden Substanziierung keinen Glauben geschenkt hat. Es hat festgestellt, dass die geltend gemachte Vorverfolgung aufgrund der nur oberflächlichen Angaben, ohne Nennung von konkreten Details, nicht glaubhaft ist. Dies wurde im Einzelnen dargelegt.
Die dem Gericht im Rahmen seiner Überzeugungsbildung obliegende Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist grundsätzlich dem materiellen Recht zuzuordnen. Im Asylprozess kann die Verletzung materiellen Rechts als solche nicht zu einer Berufungszulassung führen, weil § 78 Abs. 3 AsylG – anders als § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO – den Zulassungsgrund der „ernstlichen Zweifel“ an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gerade nicht vorsieht. Durch Mängel der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann allenfalls der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt sein, allerdings nur dann, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt, vor allem wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (vgl. BVerwG, B.v. 12.3.2014 – 5 B 48.13 – NVwZ-RR 2014, 660 = juris Rn. 22; B.v. 31.1.2018 – 9 B 11.17 – juris; BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 21 ZB 18.30867 – Rn. 4). Dass ein solcher Mangel vorliegt, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil der Zulassungsantrag – wie sich aus obigen Ausführungen ergibt – keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dementsprechend war auch der Antrag auf Beiordnung der Bevollmächtigten als Rechtsanwältin (§ 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO) abzulehnen.
Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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