Verwaltungsrecht

Keine Zulassung der Berufung wegen unterbliebener Anhörung im Asylverfahren

Aktenzeichen  21 ZB 16.30117

Datum:
30.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 49328
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 10 Abs. 7, § 78 Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5,  § 83b
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 138 Nr. 3, § 154 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Wird einem Asylbewerber mit der Asylantragstellung eine schriftliche Belehrung überreicht und diese in eine ihm verständliche Sprache mündlich übersetzt, genügt dies den Anforderungen des § 10 Abs. 7 AsylG (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Eine fehlende persönliche Anhörung durch das Bundesamt ist kein in § 138 Nr. 3 VwGO bezeichneter Verfahrensmangel. Die von dieser Vorschrift erfasste Versagung des rechtlichen Gehörs bezieht sich nur auf Verstöße gegen den (verfassungsrechtlichen) Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht nach Art. 103 Abs. 1 GG, nicht hingegen auf das Verwaltungsverfahren. (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

Au 1 K 16.30345 2016-05-02 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Mai 2016 hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG), der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) und eines in § 138 VwGO bezeichneten Verfahrensmangels (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) liegen nicht vor oder sind nicht hinreichend dargelegt.
1. Die Berufung ist nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) zuzulassen.
1.1 Der Kläger misst bezogen auf die Vorschrift des § 10 Abs. 7 AsylG der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, „ob die geschilderte mündliche Belehrung in einer fremden Sprache ausreicht, um eine schriftliche Belehrung, die der Kläger nicht lesen kann, zu ersetzen?“ Diese Frage ist nicht klärungsfähig. Sie würde sich so in einem Berufungsverfahren nicht stellen, weil die „mündliche Belehrung“ nicht in einer dem Kläger fremden Sprache erfolgte. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) hat dem Kläger am Tag der Asylantragstellung (3.6.2014) eine in der Sprache Wolof verfasste „Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten/Allgemeine Verfahrenshinweise“ ausgehändigt und dem Kläger diese Belehrung in die Sprache „Mandiga“ (Mandinka) übersetzt. Die Sprache Mandinka ist dem Kläger nicht fremd. Er hat ausweislich der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht angegeben, Mandinka zu sprechen. Dementsprechend bestätigte der Kläger mit seiner Unterschrift, dass ihm die Belehrung für Erstantragsteller in die Sprache „Mandiga“ übersetzt wurde und er den Inhalt verstanden hat (vgl. Bundesamtsakte Bl. 14).
1.2 Der Kläger hält des Weiteren für grundsätzlich bedeutsam, ob „ein Aktenvermerk der Dolmetscherin als sachkundige Dolmetscherin darüber“ hätte „erstellt werden müssen, dass Wolof häufig eine nicht lesbare Sprache ist bzw. häufig nicht gelesen werden kann?“ Der Zulassungsantrag lässt jegliche Darlegung vermissen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich sein soll. Ebenso wenig wird erläutert, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und weshalb ihr eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. dazu Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72).
1.3 Schließlich formuliert der Kläger die Frage: „Hat durch dieses Unterlassen die Beklagte einen Verstoß gegen die ihr obliegende und vom Bundesverfassungsgericht BVerfG (Beschluss vom 8.7.1996, 2BvR 96/95) begangen?“ Unabhängig davon, dass es insoweit bereits an einer nachvollziehbar formulierten Frage fehlt, kommt der Kläger auch insoweit nicht der ihm nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG obliegenden Pflicht nach, die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
2. Der Kläger macht eine Abweichung von der obergerichtlichen Rechtsprechung geltend (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG), ohne eine solche konkret darzulegen. Der Zulassungsantrag lässt offen, welcher tragende Rechts- oder Tatsachensatz in dem angeführten (Kammer-)Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 1996 (2 BvR 96/95) enthalten ist, von dem das Verwaltungsgericht bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem die angegriffene Entscheidung tragenden Rechts- oder Tatsachensatz abweicht (vgl. dazu Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 73 m. w. N.).
3. Der Kläger rügt durch die fehlerhafte Zustellung im Verwaltungsverfahren liege ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör vor. Ein Verfahrensverstoß im Sinn des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO ergibt sich daraus nicht.
Die damit vom Kläger der Sache nach geltend gemachte fehlende persönliche Anhörung durch das Bundesamt ist kein in § 138 Nr. 3 VwGO bezeichneter Verfahrensmangel. Der von dieser Vorschrift erfasste Verfahrensmangel der Versagung des rechtlichen Gehörs bezieht sich nur auf Verstöße gegen den (verfassungsrechtlichen) Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht nach Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 138 Rn. 29). Auf das Verwaltungsverfahren ist dieses Grundrecht auch nicht entsprechend anzuwenden (vgl. Degenhart in Sachs, Grundgesetz, 7. Aufl. 2014, Art. 103 Rn. 8).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Mai 2016 rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben