Verwaltungsrecht

Keine Zulassung zu einem Integrationskurs bei fehlender Bleibeperspektive

Aktenzeichen  AN 6 K 16.01583

Datum:
19.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 44 Abs. 4 S. 1, S. 2, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwGO VwGO § 113 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

1 Keine Zulassung zum Integrationskurs gemäß § 44 Abs. 4 S. 2 Alt. 2 Nr. 1 AufenthG mangels guter Bleibeperspektive eines abgelehnten Asylbewerbers mit ungeklärter Staatsangehörigkeit. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Kurszulassung gemäß § 44 Abs. 4 S. 1 AufenthG setzt ebenfalls einen rechtmäßigen Aufenthalt auf Dauer voraus, da nach § 43 Abs. 1 AufenthG Integration von rechtmäßig auf Dauer in Deutschland lebenden Ausländern gefördert werden soll. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung über die Klage entschieden werden.
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die Ablehnung des Antrags des Klägers auf Zulassung zum Integrationskurs mit Bescheid vom 17. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2016 rechtmäßig ist, sodass der Kläger hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Mangels hinreichend sicherer Bleibeperspektive kommt eine Zulassung des Klägers zum Integrationskurs nicht in Betracht.
Die Rechtsgrundlage für Zulassungen zum Integrationskurs für Ausländer, die – wie der Kläger – keinen Teilnahmeanspruch nach § 44 Abs. 1 AufenthG geltend machen können, findet sich in § 44 Abs. 4 AufenthG. Dieser ist für das vorliegende Verpflichtungsbegehren in der derzeit geltenden Fassung vom 31. Juli 2016 (BGBl I S. 1939) anzuwenden. Demnach kann ein Ausländer, der einen Teilnahmeanspruch nicht oder nicht mehr besitzt, im Rahmen verfügbarer Kursplätze zur Teilnahme zugelassen werden (Satz 1). Diese Regelung findet entsprechend auf deutsche Staatsangehörige Anwendung, wenn sie nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen und in besonderer Weise integrationsbedürftig sind, sowie auf Ausländer, die eine Aufenthaltsgestattung besitzen und bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist (Nr. 1), eine Duldung nach § 60a Absatz 2 Satz 3 besitzen (Nr. 2) oder eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 besitzen (Nr. 3) (Satz 2). Bei einem Asylbewerber, der aus einem sicheren Herkunftsstaat nach § 29a des Asylgesetzes stammt, wird vermutet, dass ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt nicht zu erwarten ist (Satz 3).
1. Auf die speziellen Regelungen in § 44 Abs. 4 Satz 2 AufenthG kann sich der Kläger nicht stützen.
Da er nicht deutscher Staatsangehöriger ist und weder eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG besitzt (§ 44 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 Nr. 2 AufenthG) noch im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ist (§ 44 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 Nr. 3 AufenthG), kann er im Rahmen von § 44 Abs. 4 Satz 2 AufenthG (i.V.m. § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) allenfalls nach der dortigen Nummer 1 der Alternative 2 zum Integrationskurs zugelassen werden, wenn er eine Aufenthaltsgestattung besitzt und ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist. Da die Beklagte – in von den gesetzlichen Vorgaben her nicht zu beanstandender Weise – für Staatsangehörige des Herkunftslandes Eritrea aufgrund der hohen Schutzquoten für Asylbewerber aus diesem Herkunftsland grundsätzlich eine gute Bleibeperspektive annimmt, käme beim Kläger bei einem Nachweis, dass er behauptungsgemäß eritreischer Staatsangehöriger ist, eine darauf gestützte Zulassung zu einem Integrationskurs grundsätzlich in Frage. Einen Nachweis seiner eritreischen Staatsangehörigkeit hat der Kläger jedoch bis zum für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht beibringen können. Weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren auf Zulassung zum Integrationskurs hat der Kläger Originaldokumente vorgelegt, welche seine eritreische Staatsangehörigkeit belegen. Vielmehr wurde der Asylantrag des Klägers, welcher auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränkt worden war, mit Bescheid der Beklagten vom 20. September 2016 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Wie der Begründung des Bescheides vom 20. September 2016 zu entnehmen ist, konnte die Staatsangehörigkeit des Klägers auch im Asylverfahren nicht geklärt werden. Entgegen seiner Ankündigung mit Schreiben vom 6. Juli 2016 gegenüber der Beklagten ist es dem Kläger augenscheinlich auch nicht gelungen, binnen 6 Monaten erforderliche Dokumente zum Nachweis seiner Herkunft zu beschaffen. Solange die Staatsangehörigkeit des Klägers ungeklärt ist, kann jedenfalls eine gute Bleibeperspektive des Klägers im Sinne des § 44 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 Nr. 1 AufenthG auf der Grundlage seines Herkunftslandes nicht angenommen werden.
Darüber hinaus wurde der Asylantrag des Klägers – wie bereits erwähnt – nach dem vorgelegten Bescheid vom 20. September 2016 abgelehnt, und auch Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurden nicht festgestellt. Nachdem von einer offenkundigen materiellen Rechtswidrigkeit dieser im Asylverfahren des Klägers aktuellen Entscheidung nicht ausgegangen werden kann und auch außerhalb des Asylverfahrens ansonsten keine hinreichend sichere Bleibeperspektive ableitbar ist, fehlt es im vorliegenden Verfahren auf Zulassung des Klägers zum Integrationskurs im gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt an der tatbestandsmäßig vorausgesetzten Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts, weshalb der Kläger sogar bei feststehender Herkunft aus Eritrea sich nicht auf § 44 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 Nr. 1 AufenthG berufen könnte. Aufgabe der Entscheidungsträger in den Massenverfahren wegen der Zulassung zum Integrationskurs kann es nach der erkennbaren Intention des Gesetzgebers, der dies im Bereich des Aufenthaltsgesetzes und nicht des Asylgesetzes angesiedelt hat und auf eine Prognose im Sinne einer Erwartung abstellt (vgl. auch BT-Drs. 18/6185 Begr. S.48 f.), nicht sein, die vom Asylantrag erfassten Rechtspositionen im Einzelfall – quasi in einem parallelen Asylverfahren – selbst durchzuprüfen.
2. Da der Kläger hier bei der Beurteilung seines Zulassungsbegehrens zum Integrationskurs als Asylbewerber mit Aufenthaltsgestattung fallmäßig dem Spezialtatbestand des § 44 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 Nr. 1 AufenthG zuzuordnen ist, ist bereits sehr fraglich, ob nach der Gesetzessystematik für ihn ein alternativer Anspruch direkt aus § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG überhaupt in Betracht kommt.
Dies kann jedoch dahinstehen, denn jedenfalls stünde dem Kläger ein Anspruch auf Zulassung zum Integrationskurs im Ermessenswege auch unmittelbar aus § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht zu. Hiernach kann ein Ausländer, der einen Teilnahmeanspruch nicht oder nicht mehr besitzt, im Rahmen verfügbarer Kursplätze zur Teilnahme zugelassen werden. Im Hinblick auf die klare gesetzliche Intention kann § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG jedoch nur so verstanden werden, dass im Rahmen des behördlichen Ermessens lediglich Ausländer, die sich rechtmäßig hier aufhalten und über einen Aufenthaltstitel verfügen, der einen dauerhaften Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland impliziert, zugelassen werden können. Dies ist bereits der Eingangsvorschrift des Kapitel 3 des Aufenthaltsgesetzes (Integration) zu entnehmen, wo in § 43 Abs. 1 AufenthG eindeutig ausgeführt ist, dass die Integration von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Bundesrepublik Deutschland gefördert wird. Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG können damit nur Ausländer, die die Voraussetzungen eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthaltes erfüllen und die – aus welchen Gründen auch immer – nicht oder nicht mehr teilnahmeberechtigt an einem Integrationskurs im Sinne des § 44 Abs. 1 AufenthG (vgl. auch § 44 Abs. 2 und 3 AufenthG) sind, zu einem solchem Kurs zugelassen werden, sei es deshalb, weil – was die Kammer für vorzugswürdig erachtet – die aufenthaltsbezogene Voraussetzung bei der Zusammenschau von § 43 und § 44 AufenthG bereits ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal von § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG darstellt (VG Ansbach, B.v. 13.9.2006 – AN 19 K 06.02014 – juris), oder deshalb, weil bei Fehlen dieser Voraussetzung sich das Ermessen auf Null in Richtung auf die Zulassungsversagung reduziert (vgl. BayVGH, U.v. 19.9.2007 – 19 BV 07.575 – juris). Angesicht der Darlegungen unter 1. ist hier aber ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt des Klägers im maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu erwarten, so dass die Möglichkeit einer Ermessensausübung zu seinen Gunsten nach § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG überhaupt nicht besteht.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe, die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, sind bei der im Fall des Klägers vorliegenden eindeutigen Konstellation nicht gegeben.


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