Verwaltungsrecht

Keine Zwangsrekrutierung im Senegal

Aktenzeichen  M 5 S 16.30518

Datum:
12.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 36 Abs. 4

 

Leitsatz

Senegalesische Männer müssen im Falle ihrer Rückkehr in ihr Heimatland nicht mit Zwangsrekrutierung rechnen, da dort seit Jahren wegen der großen Zahl von Freiwilligen keine Wehrpflichtigen mehr eingezogen werden (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist senegalesischer Staatsangehöriger der Volkszugehörigkeit Wolof. Er reiste nach eigenen Angaben auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 16. Dezember 2013 Asylantrag. Bei seiner Anhörung gab er an, dass im November 2012 sein Fischerboot gekentert sei, dabei sei ein Junge ums Leben gekommen. Dessen Eltern würden ihn für den Tod verantwortlich machen und hätten den Antragsteller mit dem Tod bedroht.
Mit Bescheid vom 1. März 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Antragstellerpartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung in den Senegal oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 10 bzw. 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter offensichtlich nicht vorlägen, da die Antragstellerpartei keine Verfolgungsmaßnahmen durch den Staat oder zu berücksichtigende schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen seitens nichtstaatlicher Dritter zu befürchten habe. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor, insbesondere sei weder von der Regierung noch durch nichtstaatliche Dritte eine unmenschliche Behandlung zu erwarten. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Der Bescheid wurde am 9. März 2016 zur Post gegeben.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerpartei am 14. März 2016 Klage und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Der Antragsteller habe Selbstmordgedanken geäußert, müsste er in den Senegal zurück. Nach einem fachärztlichen Attest weise er ein schwer depressives Syndrom bei depressiver Episode auf. Es sei auch nicht die Frage einer Zwangsverpflichtung des Antragstellers in der Armee zur Teilnahme an einem Bürgerkrieg nicht geklärt. Die Familie des Ertrunkenen hätte den Antragsteller auch erheblich verletzt.
Die Antragsgegnerin legte die Akten vor und stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
1. Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob dieser weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
2. An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
a) Die Anerkennung als Asylberechtigter scheidet bereits deswegen aus, weil die Antragstellerpartei auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 26 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylG).
Aber auch ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigter oder als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag der Antragstellerpartei nicht erkennbar. Das Gericht folgt daher der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Soweit der Antragsteller auf Nachstellungen Dritter verweist, stellen diese keine asylrechtlich relevanten Maßnahmen dar. Dem Lagebericht des Auswärtigem Amtes zu Senegal (21.11.2015) lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der senegalesische Staat grundsätzlich nicht schutzbereit und -fähig wäre. Im Übrigen kann der Antragsteller auch auf andere Landesteile im Senegal ausweichen.
Der Ausländer hat auch nicht mit einer Zwangsrekrutierung zu rechnen. Nach dem zitierten Lagebericht werden wegen der großen Zahl an Freiwilligen seit Jahren keine Wehrpflichtigen mehr eingezogen. Hinsichtlich des Konfliktes in der Casamance sind seit 2014 internationale Vermittlungen zur Befriedung angestoßen worden. Seit Ende 2012 ist es zu keinen größeren Zwischenfällen gekommen. Im Übrigen besteht eine inländische Fluchtalternative insbesondere im nördlichen Teil Senegals (Lagebericht a. a. O.).
b) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Eine Erkrankung, die ein Abschiebungshindernis begründen könnte, folgt auch nicht aus dem Attest der …Klinik vom 5. April 2016. Dort ist lediglich von einem schwer depressiven Syndrom bei depressiver Episode die Rede. Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung, die sich aufgrund der Verhältnisse im Zielstaat in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d. h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – BVerwGE 127, 33) lässt sich daraus nicht ableiten. Das Schildern von Ängsten bedingt nicht zwingend, dass schon eine psychische Erkrankung vorliegt. Diese müsste auch nach der ICD-10-Klassifizierung psychischer Störungen (International Classification of Mental and Behavioural Disorders – Tenth Edition) näher bezeichnet und kodiert sein. Gerade Fachärzten ist dieses Erfordernis bewusst. Auch aus der in dem Attest genannten Behandlungsdauer folgt nichts anderes. Denn obwohl der Ausländer bereits am 16. Dezember 2013 einen Asylantrag gestellt hat, befindet er sich erst seit 23. März 2016 in psychotherapeutischer Behandlung.
Vor diesem Hintergrund ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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