Verwaltungsrecht

Klage gegen Disziplinarverfügung, Körperverletzung im Amt durch Lehrerin, Maßnahmeverbot nach vorang. eingestelltem Strafverfahren, Persönlichkeitsfremde Augenblickstat als durchgreifender Milderungsgrund

Aktenzeichen  M 13L DB 20.2459

Datum:
15.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4101
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 47
StGB §§ 223, 340
StPO § 153a
BayDG Art. 8 f.
BayDG Art. 15
BayDG Art. 33
BayDG Art. 58 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Unter Abänderung der Disziplinarverfügung vom 12. Mai 2020 wird das Disziplinarverfahren gegen die Klägerin eingestellt. 
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Gründe

Die nach Art. 50 Abs. 2 BayDG i.V.m. §§ 42, 74 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Klage gegen die Disziplinarverfügung des Beklagten ist begründet. Die Disziplinarverfügung ist rechtswidrig und daher aufzuheben, Art. 3 BayDG i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, als darin eine Bezügekürzung gemäß Art. 9 BayDG festgesetzt wird. Zwar hat die Klägerin durch eine Körperverletzung im Amt ein Dienstvergehen begangen. Im Rahmen der Maßnahmebemessung wiegt der persönlichkeitsfremde Charakter ihres Verhaltens hingegen derart schwer, dass keine Kürzung der Dienstbezüge, sondern eine Geldbuße anmessen wären. Eine solche kann wegen Maßnahmeverbots nach dem vorangegangenen Strafverfahren nicht mehr verhängt werden, so dass das Disziplinarverfahren vielmehr gemäß Art. 33 Abs. 1 Nr. 3 BayDG i.V.m. Art. 57 Abs. 2 Nr. 1 BayDG einzustellen ist.
Nach Art. 58 Abs. 3 BayDG prüft das Gericht bei einer Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Das Gericht ist demnach nicht auf die Prüfung beschränkt, ob der der Klägerin mit der Disziplinarverfügung zum Vorwurf gemachte Lebenssachverhalt tatsächlich vorliegt und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern hat – bejahendenfalls – unter Beachtung des Verschlechterungsverbots auch darüber zu entscheiden, welches die angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Gericht nicht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben; es trifft vielmehr in Anwendung der in Art. 14 Abs. 1 BayDG niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmenobergrenze eine eigene „Ermessensentscheidung“ (BVerwG, U.v. 15.12.2005 – 2 A 4.04 – juris Ls. 2 und Rn. 23).
1. Die am … … 1970 geborene Klägerin ist als Lehrerin seit 16. März 2005 im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit des Beklagten. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Disziplinarverfahren wurde die Klägerin zunächst in die Mobile Reserve versetzt. Gemäß ihrer Angabe in der mündlichen Verhandlung ist sie nun im zweiten Jahr an einer Schule für Kinder mit erhöhtem (heilpädagogischen) Förderbedarf im Einsatz. Hinsichtlich ihres Werdegangs sowie der bisherigen dienstlichen Beurteilungen wird auf die Darstellung in der Disziplinarverfügung sowie die vorgelegte Personalakte Bezug genommen. Die Beamtin ist strafrechtlich und disziplinarisch nicht vorbelastet. Sie ist ledig und hat keine Kinder. Im Übrigen liegt ein Persönlichkeitsbild vom 28. Juli 2019 der Schulleitung sowie eine Stellungnahme des Staatlichen Schulamts vom 3. Juli 2019 vor.
2. Der Kläger liegt zur Last, am 15. November 2018 im Unterricht in der 1. Klasse der Grundschule … in … die zu diesem Zeitpunkt sechsjährige Schülerin A. K. aufgrund wiederholter Störungen im Unterricht aus der Klasse geschickt und sie dabei im Nacken- bzw. Halsbereich gegriffen zu haben, so dass diese dadurch Schmerzen erlitt, zu weinen anfing und zwei oberflächliche kleine (Schürf) Wunden erlitt.
Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der eigenen Einlassungen der Klägerin im Strafverfahren – mit Ausnahme der dadurch verursachten Folgen, da sie die Klägerin nicht wahrnahm – sowie der gemäß Art. 26 Abs. 2 BayDG im Disziplinarverfahren verwertbaren Zeugeneinvernahmen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Traunstein, Az. 250 Js …, insbesondere der Schülerin selbst, ihrer Mutter sowie der Schulleitung. Für das Gericht steht danach außer Zweifel, dass die ärztlich am gleichen Tage noch attestierten und bildlich in der Strafakte festgehaltenen oberflächlichen Verletzungen am Hals von ca. 1cm x 0,3 cm bzw. 0,2 cm x 0,2 cm auf den – klägerseits eingestandenen körperlichen Zugriff – zurückzuführen sind. Erkennbar von Lage und Größe her können die beiden Wunden auf Fingerabdrücke gerade auf einem hals- bzw. nackenseitigen Zugriff zurückgeführt werden. Dafür, dass sie anderweitig entstanden sein könnten, sind hingegen keine Anhaltspunkte ersichtlich. Für eine Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ sieht das Gericht daher keine Veranlassung.
3. Die Klägerin hat dadurch ein innerdienstliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) begangen. Die Wertung der Landesanwaltschaft Bayern als Körperverletzung im Amt gemäß §§ 223 Abs. 1, 340 Abs. 1 StGB ist dabei nicht zu beanstanden. Die entstandenen beiden (kleinen) oberflächlichen Verletzungen sind ärztlich hinreichend attestiert du bildlich dokumentiert (s.o.). Sie waren noch am nächsten Tag als leicht rote Stellen erkennbar. Nachdem die Schülerin auch angab, Schmerzen gehabt und geweint zu haben, ist der Straftatbestand der Körperverletzung im Amt somit erfüllt. Dadurch hat die Beamtin gegen ihre Pflicht zur Beachtung der Gesetze gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen. Zudem handelte sie ihrer Pflicht i.S.v. § 34 Satz 3 BeamtStG zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten zu wider. Eine Lehrkraft hat sich insbesondere jeglichen körperlichen Übergriffs Schülern gegenüber zu enthalten. Von einer Lehrerkraft wird erwartet, dass sie die körperliche Unversehrtheit der ihm anvertrauten Schüler achtet und ein Vorbild dahingehend ist, dass Gewalt kein adäquates Mittel zur Lösung eines Problems und Selbstbeherrschung auch unter widrigen Umständen zu wahren ist. Das Lösen von Konfliktsituationen während der Unterrichtszeit durch körperliche Übergriffe ist mit dem Bildungsauftrag der Schule unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 20.7.2012 – 16a DS 10.2569 – juris Rn. 46). Allerdings folgt das Gericht nicht der Einschätzung des Beklagten, die Klägerin hätte dadurch gegen das Züchtigungsverbot nach Art. 86 Abs. 3 Nr. 1 BayEUG verstoßen. Vielmehr ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin keine Züchtigung i.S.e. körperlichen Bestrafung der Schülerin vornehmen wollte. Vielmehr ging es darum, dass die Schülerin das Klassenzimmer verletzt. Der in diesem Zusammenhang erfolgte körperliche Übergriff stellt hingegen keine Züchtigung dar. Zutreffend ist jedoch, dass die Klägerin dadurch ihrer in § 5 Abs. 1 Satz 2 LDO niedergelegten Aufsichtspflicht durch das Hinausschicken der Schülerin nicht nachkam und insoweit auch der Pflicht zur ordnungsgemäßen Dienstausübung gemäß § 34 Satz 1 BeamtStG verstieß.
Die Klägerin handelte bei Begehung des Dienstvergehens schuldhaft, da sie durch den körperlichen Übergriff zumindest billigend eine Verletzung am Hals in Kauf nahm, und ohne Rechtsfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe.
4. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme nach Art. 14 BayDG ist die Landesanwaltschaft Bayern zutreffend bei der Einstufung der Schwere des Dienstvergehens von einem mittelschweren Dienstvergehen ausgegangen, bei dem durchaus die Kürzung der Dienstbezüge nach Art. 9 BayDG in Betracht käme. Auf die Ausführungen unter 1.1. in der angegriffenen Disziplinarverfügung wird insoweit Bezug genommen und von einer wiederholenden Darstellung abgesehen.
Im weiteren Verlauf vermag das Gericht jedoch der Maßnahmebemessung der Disziplinarbehörde nicht zu folgen.
a) Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen einen Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 36). Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist dabei zunächst die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach den Höhe des entstandenen Schadens (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 16b D 14.2351 – juris Rn. 73). Von einer Disziplinarmaßnahme ist gegebenenfalls zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abzusehen, wenn ein – ursprünglich zu den Zugriffsdelikten entwickelter – sogenannter „anerkannter Milderungsgrund“ vorliegt. Ein solcher erfasst typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Die anerkannten Milderungsgründe stellen jedoch keinen abschließenden Kanon der bei Dienstvergehen berücksichtigungsfähigen Entlastungsgründe dar. Zu berücksichtigen sind vielmehr alle für die Entscheidung bedeutsamen belastenden und entlastenden Ermessensgesichtspunkte, die in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen sind. Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht anerkannter Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich dabei aus allen denkbaren Umständen ergeben (vgl. BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 44 f.).
b) Obwohl auch die Landesanwaltschaft Bayern in der Verfügung herausstellt, dass „es sich bei der Tat um ein einmaliges, nicht der Persönlichkeit der Beamtin entsprechendes Fehlverhalten handelt“, wird das Vorliegen „von der Rechtsprechung anerkannte[r] oder weitere[r] sonstige[r] Milderungsgründe von beachtlichem Gewicht“ in der vorliegenden Disziplinarverfügung verneint.
In der Rechtsprechung ist jedoch gerade die persönlichkeitsfremde Augenblickstat als Milderungsgrund anerkannt. Dieser Milderungsgrund setzt voraus, dass die Dienstpflichtverletzung eine Kurzschlusshandlung darstellt, die durch eine spezifische (Versuchungs-)Situation hervorgerufen wurde, und sich eine Wiederholung in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten ausschließen lässt. Es kommt darauf an, ob das Fehlverhalten nach dem Gesamtbild der Persönlichkeit des Beamten eine einmalige Entgleisung darstellt (BVerwG, B.v. 9.10.2014 – 2 B 60.14 – juris Rn. 29 m.w.N.).
Dass die Beamtin persönlichkeitsfremd handelte und vielmehr in der konkreten, einmaligen Situation „die Nerven verlor“, steht – wohl in Übereinstimmung mit der Disziplinarbehörde – zur Überzeugung des Gerichts fest. Wieso das Vorliegen dieses typisierten anerkannten Milderungsgrundes in der Maßnahmebemessung daher nicht bejaht wird, vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen.
Zudem wird ergänzend in der Disziplinarverfügung hinsichtlich der Tatumstände angenommen, es habe sich um „keine normale Unterrichtssituation, sondern vielmehr um eine Ausnahmesituation in einer lernschwachen Klasse gehandelt“. Diese werde jedoch nicht als über die Maße gravierend eingestuft. Dem Beklagten ist insoweit zuzustimmen, dass auch „von einer Lehrkraft erwartet werden [kann und muss], dass diese nicht nur mit üblichen Situationen, sondern auch mit Ausnahmesituationen umgehen kann und insbesondere nicht gegenüber einer ihr anvertrauten Schülerin tätlich wird“. Bei der Beurteilung alle be- und entlastenden Umstände und insbesondere der Einwertung der persönlichen Elemente bei Begehung des Dienstvergehens spielt dies jedoch vorliegend durchaus eine Rolle. Die Beamtin war aufgrund persönlicher Schicksale, die die Bevollmächtigte in der Klagebegründung dargelegt hat, zur Zeit des Dienstvergehens psychisch „angefasst“. In persönlichkeitsfremder Weise verlor sie durch die besondere Situation in der Klasse durch das Verhalten der Schülerin die Nerven und reagierte in der dienstpflichtwidrigen, für eine Lehrkraft nicht akzeptablen und strafrechtlich relevanten Weise. Dass es andere Vorfälle dieser Art in der Vergangenheit gegeben hätte, ist in keiner Weise belegt. Vielmehr wird in der Stellungnahme des Staatlichen Schulamts vom 3. Juli 2019 herausgestellt, es sei „kein einziger Fall bekannt, in dem die Kollegin affektbedingt ihre Selbstbeherrschung verloren hat“, der Vorfall werde als „bedauerlicher und schwer zu erklärender Einzelfall“ gewertet. Direkt im Anschluss an den Vorfall hat sich die Klägerin bei der Schülerin entschuldigt sowie später auch bei der Mutter und ihr Verhalten bedauert. Dies wird auch durch ihre Aussagen dem Schulleiter am gleichen Tage gegenüber deutlich. Im Übrigen hat die Klägerin nicht nur ihre Tat eingestanden und bereut, sondern sich – wie auch die Landesanwaltschaft Bayern herausstellt – „mit fachärztlicher Unterstützung mit dem Vorfall auseinandergesetzt und diesen aufgearbeitet“. Zudem habe sie „im Nachgang zu dem Vorfall erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten“. Zu Gunsten der Beamtin seien zudem die positiven Persönlichkeitsbilder zu werten.
Entgegen der Ausführungen in der Disziplinarverfügung ergibt sich für das Gericht daraus, dass unter Berücksichtigung des Milderungsgrunds der persönlichkeitsfremden Augenblickstat und Betrachtung der be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls nicht eine Kürzung der Dienstbezüge, sondern eine Geldbuße nach Art. 8 BayDG angezeigt wäre. Die Disziplinarverfügung ist daher im Rahmen des gerichtlich eröffneten Überprüfungsrahmens abzuändern.
5. Folglich ist jedoch wegen Maßnahmeverbots nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 BayDG keine Geldbuße auszusprechen, sondern das Disziplinarverfahren einzustellen.
Gemäß Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 BayDG darf wegen desselben Sachverhalts, wegen dem eine Tat nach § 153a Abs. 1 StPO nach Erfüllung von Auflagen und Weisungen nicht mehr als Vergehen verfolgt werden darf, eine Geldbuße nicht ausgesprochen werden. Das Strafverfahren gegen die Klägerin wurde in der mündlichen Verhandlung am 1. Oktober 2019 beim Amtsgericht Traunstein – Strafrichter – vorläufig nach § 153a Abs. 2 StPO unter der Auflage einer Zahlung von 3.000,- € an die geschädigte Schülerin und nach Erfüllung dieser Auflage am 21. Oktober 2019 endgültig eingestellt. Somit darf eine Geldbuße nicht mehr ausgesprochen werden. Das Disziplinarverfahren ist daher gemäß Art. 33 Abs. 1 Nr. 3 BayDG i.V.m. Art. 57 Abs. 2 Nr. 1 BayDG einzustellen, wobei die Einstellung aufgrund der mündlichen Verhandlung im Urteilswege erfolgt.
Selbst wenn der Auffassung des Beklagten gefolgt und eine Kürzung der Dienstbezüge als angemessen erachtet würde, erscheint dem Gericht überaus fraglich, ob nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDG eine solche Maßnahme – wie von der Disziplinarbehörde angenommen – zur Wahrung des Ansehens des Berufsbeamtentums notwendig wäre. Dabei wäre durchaus auf das konkret individuelle Dienstvergehen unter Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände abzustellen. Insoweit erscheint dem Gericht fraglich, dass dies vorliegend unter Berücksichtigung einer persönlichkeitsfremden Tat einerseits und andererseits den eingetretenen Folgen mit Wechsel der Schule, Einsatz zunächst in der Mobilen Reserve, gesundheitlichen Folgen bei der Klägerin, kontroverser Diskussion in der Öffentlichkeit etc. erforderlich wäre. Einer zusätzlichen Pflichtenmahnung i.S.v. Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDG bedürfte es vorliegend jedenfalls nicht.
6. Die Kostenentscheidung erfolgt aus Art. 72 Abs. 2 BayDG. Zwar ist ein Dienstvergehen festzustellen. Dies wurde jedoch klägerseits nicht in Abrede gestellt. Die Notwendigkeit des Klageverfahrens ergab sich vielmehr mit dem – vollumfänglich erreichten – Rechtsschutzbegehren, dem Ziel der Einstellung des Disziplinarverfahrens (vgl. Conrad in Zängl, Bayerisches Disziplinargesetz, Stand August 2018, Art. 72 Rn. 9).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben