Verwaltungsrecht

Klage- und Prozessführungsbefugnis eines einzelnen Elternteils im Fall gemeinsamer elterlicher Sorge beider Elternteile hinsichtlich des Anspruchs auf Schulwegkostenfreiheit, Bestimmung der nächstgelegenen Schule, Zumutbarkeitsgesichtspunkte, Abstellen auf die allgemeine Unterrichtszeit

Aktenzeichen  AN 2 K 20.02118

Datum:
7.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 11966
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2
SchKfrG § 1 Abs. 1 S. 1
SchBefV § 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin klage- und prozessführungsbefugt.
a) Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch einen Verwaltungsakt oder seine Ablehnung in seinen Rechten verletzt zu sein. Klagebefugt ist, wer substantiiert Tatsachen vorträgt, nach denen es möglich ist, dass er in eigenen Rechten verletzt ist (vgl. Schmidt-Kötters in Beckscher Online-Kommentar, VwGO, 49. Edition Stand 1.7.2017, § 42 Rn. 173). Anspruchsinhaber der Schulwegkostenfreiheit ist zwar zunächst der Schüler selbst. Darüber hinaus ist aber auch – aus eigenem Recht – ein Anspruch der Eltern des Schülers auf dessen Schulwegkostenfreiheit anzuerkennen (vgl. ausführlich m.w.N. VG Ansbach, U.v. 27.5.2019 – AN 2 K 17.01114 – BeckRS 2019, 13926). Allerdings sind gemeinsam sorgeberechtigte Elternteile grundsätzlich lediglich gemeinsam im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO prozessführungsbefugt (vgl. zur Prozessführungsbefugnis Schmidt-Kötters in Beckscher Online-Kommentar VwGO, 56. Edition Stand 1.10.2019, § 42 Rn. 114). Denn wollte man gemeinsam sorgeberechtigten Elternteilen jeweils einen eigenen (einklagbaren) Anspruch zuerkennen, bestünde die Gefahr widersprechender behördlicher oder gerichtlicher Entscheidungen. Auch hätte das einseitige Handeln eines Elternteils etwa gegen den Willen des anderen Elternteils nicht nur Auswirkungen auf das Kindeswohl betreffend den Schulweg, sondern ggf. auch auf das Verhältnis der Eltern zueinander und damit mittelbar wiederum auf das Kindeswohl. Letztlich geht die lediglich gemeinsame Prozessführungsbefugnis auf die gemeinsame elterliche Sorge zurück. So betreffen der Schulweg und dessen Kosten sowohl die Personen- als auch die Vermögenssorge, die den Eltern gemäß § 1626 Abs. 1 BGB jeweils gemeinsam zusteht. Nach § 1627 Satz 1 BGB haben die Eltern die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle des Kinds auszuüben. Nach dem Konsensprinzip müssen sie gemäß § 1627 Satz 2 BGB bei Meinungsverschiedenheiten versuchen, sich zu einigen (vgl. Amend-Traut in Beckscher Großkommentar BGB, Stand 1.4.2019, § 1626 Rn. 4). Entsprechend ist mit Blick auf die Frage der Schulwegkostenfreiheit regelmäßig eine einheitliche Willensbildung der Eltern erforderlich, inwieweit Schulwegkostenfreiheit geltend gemacht werden soll.
b) Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin hier im Ergebnis klage- und prozessführungsbefugt.
Zwar sind hier die Elternteile – die Klägerin und ihr Ehemann – gemeinsamen sorgeberechtigt, so dass sie klagebefugt, aber grundsätzlich lediglich gemeinsam prozessführungsbefugt sind. Die Klage erhoben hat hier aber allein die Klägerin im eigenen Namen. Auch kann nicht deswegen von einer alleinigen Prozessführungsbefugnis der Klägerin ausgegangen werden, weil der ablehnende Bescheid vom 22. September 2020 allein der Klägerin bekannt gegeben wurde. Denn im Rahmen der hier einschlägigen Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage ist nicht maßgeblich, ob der versagende Verwaltungsakt beispielsweise mit Blick auf den Adressaten mit Mängeln behaftet war. Vielmehr kommt es allein darauf an, ob einen Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt besteht bzw. wer Inhaber dieses Anspruchs ist (vgl. Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 411).
Von der Prozessführungsbefugnis der Klägerin ist hier deswegen auszugehen, weil diese – vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte – im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt hat, sie habe die Klage auch in Vertretung ihres Ehemanns erhoben. Hieraus ergibt sich, dass beide Elternteile die elterliche Sorge aufgrund gemeinsamer Willensbildung im Sinne des Klagebegehrens ausüben, sodass Sinn und Zweck der gemeinsamen Prozessführungsbefugnis hier vollständig gewahrt sind.
2. Die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist unbegründet, da der Bescheid des Beklagten vom 22. September 2020 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO). Vorliegend besteht weder ein Anspruch auf Übernahme von Schulwegkosten noch auf eine dahingehende Neuverbescheidung.
a) Insbesondere ergibt sich kein Anspruch auf Übernahme von Schulwegkosten unter dem Gesichtspunkt des Besuchs der nächstgelegenen Schule. Denn bei dem von … … besuchten Gymnasium … handelt es sich nicht um die nächstgelegene Schule im Sinne des Schulwegbeförderungsrechts.
aa) Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Schulwegkostenfreiheitsgesetz (Gesetz über die Kostenfreiheit des Schulwegs (SchKfrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000, GVBl. S. 452, BayRS 2230-5-1-K) ist die notwendige Beförderung der Schülerinnen und Schüler auf dem Schulweg insbesondere bei öffentlichen Gymnasien bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 Aufgabe der kreisfreien Gemeinde bzw. des Landkreises des gewöhnlichen Aufenthalts der Schülerin oder des Schülers. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG ist eine Beförderung notwendig, wenn der Schulweg in einer Richtung mehr als drei Kilometer beträgt und die Zurücklegung des Schulwegs auf andere Weise nach den örtlichen Gegebenheiten und nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht zumutbar ist. Hinsichtlich des Umfangs der Beförderungspflicht konkretisiert § 2 Abs. 1 Satz 1 Schülerbeförderungsverordnung (Verordnung über die Schülerbeförderung (SchBefV), in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994, GVBl. S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K), dass die Beförderungspflicht zum Pflicht- und Wahlpflichtunterricht der nächstgelegenen Schule besteht. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 1 SchBefV ist nächstgelegene Schule diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Hinsichtlich des Beförderungsaufwands ist weder auf die räumliche noch auf die zeitliche Entfernung, sondern durch Vergleich der jeweils anfallenden Fahrtkosten auf den finanziellen Aufwand der Beförderung abzustellen (vgl. BayVGH, U.v. 13.4.2011 – 7 B 10.1423 – BeckRS 2011, 49904 m.w.N.). Insoweit bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV, dass zur Ermittlung des Beförderungsaufwands im allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr die Tarife von Monatskarten für den betroffenen Personenkreis heranzuziehen sind, wenn ein verbundweit gültiges Jahresticket zum Pauschalpreis eingeführt ist. Der Begriff der Ausbildungsrichtung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 1 SchBefV ist identisch mit dem gleichnamigen Begriff aus Art. 9 Abs. 3 Satz 1 BayEUG (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 30.1.2007 – 7 ZB 06.781 – NVwZ-RR 2007, 778). Dort ist das humanistische, sprachliche, naturwissenschaftlich-technologische, musische, wirtschaftswissenschaftliche und sozialwissenschaftliche Gymnasium genannt.
bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ergibt sich vorliegend kein Anspruch auf Übernahme von Schulwegkosten.
Bei der nächstgelegenen Schule im Sinne des Schulwegbeförderungsrechts handelt es sich vorliegend entweder um das … Gymnasium … oder um das …-Gymnasium ebenfalls in … Der Sohn der Klägerin besucht derzeit als gewählte Schulart die humanistische Ausbildungsrichtung am Gymnasium … Diese Ausbildungsart bieten auch die bezeichneten Gymnasien in … an, was zwischen den Parteien unstreitig geblieben ist. Jedoch ist das Gymnasium … vom Wohnort des Klägers nur mit höherem finanziellen Aufwand erreichbar. So ist unstreitig geblieben, dass für die Beförderung zu den bezeichneten Gymnasien in … die Preisstufe 4+T einschlägig ist, wobei die Übersicht „Weil es dir zusteht: Das vergünstigte Monatsticket Ausbildung“ auf dem Internetauftritt des Verkehrsverbunds Großraum … (VGN) für die entsprechende Schülermonatsfahrkarte einen Preis in Höhe von 100,10 EUR ausweist. Dagegen ist für die Beförderung zum Gymnasium … mindestens die Preisstufe 5+T mit – ausweislich des Internetauftritts der VGN – Kosten der Schülermonatsfahrkarte in Höhe von 116,30 EUR erforderlich. Die Einordnung zumindest in die Preisstufe 5+T folgt aus den Tarifbestimmung der VGN. Aus der auf dem dortigen Internetauftritt zur Verfügung stehenden Übersicht „Zonen, Tarife und Preisstufen: Das Wichtigste zum VGN-Tarif“ ist ersichtlich, dass sich die einschlägige Preisstufe auf Grundlage der Tarifzonen des Streckennetzes des VGN bestimmt. Konkret wird die Preisstufe nach der Anzahl der Tarifzonen bzw. Teiltarifzonen ermittelt, die auf der fraglichen Strecke durchfahren werden. Werden etwa zwei volle Tarifzonen sowie eine Teilzone durchfahren, ergibt sich die Preisstufe 2+T. Beginnt und endet die Fahrt jeweils mit einer Teilzone, führt nur eine dieser Teilzonen zum Zusatz „+T“, während die weitere Teilzone als weitere Gesamtzone gerechnet wird. Soweit der Streckenverlauf eine Zone verlässt und später wieder in dieselbe Zone führt, wird die betroffene Zone (bis auf die Zone 200) als weitere Zone gezählt. Danach ergibt sich hier – auch unter Zugrundelegung der schnellsten und direktesten Verbindung mit den Buslinien … und … ausweislich des Streckennetzes des VGN für den Weg von … zum Gymnasium … die Preisstufe 5+T. Die Fahrt beginnt in der Teilzone … (+T), führt dann in die Gesamtzonen … (1+T) und … (2+T), in der Folge in die Teilzonen … (3+T) und … (4+T) und endet schließlich in der Teilzone … (5+T).
Soweit der Kläger eine Zeitfahrkarte mit der Preisstufe 3+T gemäß Anlage K3 vorgelegt und geltend gemacht hat, diese berechtigte zur Fahrt von dem Gymnasium … zu seinem Wohnort in …, trifft dies nicht zu. Denn die Zeitfahrkarte berechtigt ausweislich Anlage K3 der Klageschrift allein zum Durchfahren der Tarifzonen …, …, … und … Dies entspricht nach dem Streckennetz des VGN der Teilstrecke … nach …, nicht aber der Gesamtstrecke … bis zu dem Gymnasium … Ein Anspruch auf Übernahme von Schulwegkosten ergibt sich in diesem Zusammenhang auch nicht daraus, dass sich der streitgegenständliche Antrag der Klägerin vom 18. August 2020 lediglich auf die Teilstrecke zwischen dem Gymnasium … und … bezieht. Denn rechtlich maßgeblich ist die Gesamtstrecke (vgl. BayVGH, B.v. 4.2.2013 – 7 ZB 12.2438 – BeckRS 2013, 47569 Rn. 11 f.). Andernfalls könnte mit Hilfe eines „Teilstreckenverzichts“ samt entsprechender Beeinflussung des Vergleichs des Beförderungsaufwands zu den betroffenen Schulen stets für eine beliebige Schule der Tatbestand der nächstgelegenen Schule im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV herbeigeführt werden. Insoweit würden aber letztlich Kosten für einen Schulweg zu einer anderen als der – bezogen auf die Gesamtstrecken – nächstgelegenen Schule geltend gemacht, also letztlich fiktive Beförderungskosten. Die Erstattung fiktiver Beförderungskosten sieht das Schulwegbeförderungsrecht aber nicht vor, da durch die (teilweise) Übernahme von Beförderungskosten zu entfernteren Schulen die Schülerzahlen der nächstgelegenen Schule und damit die auf den Einzugsbereich abstellende Schulplanung gefährdet wären. Zweck des im engen Zusammenhang mit der Organisation des Schulwesens stehenden Schülerbeförderungsrechts ist es auch, ein Schülertransportnetz aufzubauen, das den Schulen tragfähige Einzugsbereiche sichert (vgl. so zum Ganzen BayVGH a.a.O.).
Im Ergebnis nichts anderes ergibt sich, sofern die nach den Fahrplänen des VGN bestehende Wartezeit vor Unterrichtsbeginn von knapp einer Stunde im Fall des Besuchs der bezeichneten … Gymnasien berücksichtigt wird. Insoweit kann offenbleiben, inwieweit die Frage der Notwendigkeit der Nutzung anderer Verkehrsmittel außerhalb des öffentlichen Personenverkehrs nach § 3 Abs. 2, Abs. 3 SchBefV überhaupt für die Bestimmung der nächstgelegenen Schule maßgeblich sein kann. Auch kann dahinstehen, inwieweit dem Sohn der Klägerin die fragliche Wartezeit – bei Wind und Wetter, Kälte und/oder Dunkelheit – unzumutbar ist bzw. inwieweit eine Wartezeit im … Hauptbahnhof zumutbar ist, um anschließend von dort aus öffentliche Verkehrsmittel zu den fraglichen Gymnasien zu nutzen, die dort kurz vor Unterrichtsbeginn eintreffen. Denn jedenfalls kann im Rahmen der Bestimmung der nächstgelegenen Schule davon ausgegangen werden, dass sich der finanzielle Beförderungsaufwand zu den … Gymnasien auch unter der Annahme der Unzumutbarkeit von Wartezeiten nicht erhöht, so dass es sich bei diesen Schulen weiterhin um die nächstgelegenen Schulen im Sinne des Beförderungsrechts handelt. Zwar kann gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 SchBefV im Fall der Notwendigkeit anderer Verkehrsmittel außerhalb des öffentlichen Personenverkehrs die Beförderungspflicht durch die zumutbare Nutzung eines privaten Kraftfahrzeugs verbunden mit dem Angebot der Wegstreckenentschädigung erfüllt werden. Letztere kann jedoch nach § 3 Abs. 3 Satz 3 SchBefV bei einer möglichen Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf die Höhe der Kosten für die Nutzung dieses Verkehrsmittels begrenzt werden. Da vorliegend die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich ist und der Einsatz eines privaten Pkw lediglich dann unzumutbar ist, wenn dies zu ganz unverhältnismäßigen, für die Eltern letztlich nicht tragbaren Belastungen führt (BayVGH, U.v. 11.6.1997 – 7 B 96.3121 – BeckRS 1997, 19406), muss regelmäßig nach § 3 Abs. 3 Satz 3 SchBefV von einer Begrenzung der Beförderungskosten auf die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel ausgegangen werden. Danach kann davon ausgegangen werden, dass sich die Beförderungskosten zu den … Gymnasien auch nicht mit Blick auf etwaige unzumutbare Wartezeiten vor Schulbeginn erhöhen.
Schließlich sind die jeweils aktuellen Fahrpläne zugrunde legen. Denn etwaige zukünftige Fahrplanänderungen waren im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids oder im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung schon nicht hinreichend absehbar.
b) Die Übernahme von Schulwegkosten ergibt sich vorliegend auch nicht aus § 2 Abs. 3 SchBefV. Denn hier ist mit Blick auf das Gymnasium … keine pädagogische oder weltanschauliche Eigenheit geltend gemacht oder ersichtlich. Auch die seitens der Schule angebotene Ausbildungsrichtung stellt keine pädagogische oder weltanschauliche Eigenheit dar, sondern grenzt nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3, Satz 4 SchBefV lediglich den Kreis der Schulen ein, die in den Vergleich der jeweiligen Beförderungskosten zur Bestimmung der nächstgelegenen Schule einbezogen werden. Nach alledem fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 2 Abs. 3 SchBefV, so dass dem Beklagten kein Ermessen eröffnet war. Entsprechend kann es insoweit auch nicht zu Ermessensfehlern gekommen sein.
c) Auch nach § 2 Abs. 4 SchBefV war dem Beklagten kein Ermessen eingeräumt, Schulwegkosten des Sohns der Klägerin (teilweise) zu übernehmen. Denn auch insoweit liegen die hierfür erforderlichen Voraussetzungen auf Tatbestandsseite nicht vor. Entsprechend kann es auch hier nicht zu Ermessenfehlern gekommen sein.
aa) Insbesondere liegt kein Fall der Unzumutbarkeit des Schulwechsels nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV vor. Vielmehr wäre dem Sohn der Klägerin ein Schulwechsel zumutbar, da er die 5. Klasse besucht, sodass auch mit Blick auf die zeitlich noch weit entfernte Abschlussprüfung ein Schulwechsel ohne weiteres möglich wäre. Auch im Übrigen sind keine Umstände vorgebracht oder ersichtlich, die einen Schulwechsel unzumutbar erscheinen ließen.
bb) Auch § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV ist bereits tatbestandlich nicht einschlägig.
(1) Nach der genannten Vorschrift kann die Schulwegbeförderung ganz oder teilweise übernommen werden, wenn der Beförderungsaufwand die ersparten Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule um nicht mehr als 20% übersteigt. Hier übersteigen aber die Beförderungskosten zu dem Gymnasium … die Beförderungskosten zum Besuch der … Gymnasien um mehr als 20%. Zwar ergibt der Kostenvergleich der Schülermonatsfahrkarten der Preisstufen 4+T betreffend die … Gymnasien sowie der zum Besuch des Gymnasiums … zumindest erforderlichen Preisstufe 5+T eine Kostensteigerung von lediglich 16,2%, sodass insoweit die 20%-Grenze nach § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV gewahrt wäre. Allerdings kann für den Besuch des Gymnasiums … aus Rechtsgründen nicht die Preisstufe 5+T zugrunde gelegt werden. So kann der Sohn der Klägerin unter Zugrundelegung der Preisstufe 5+T von seinem Wohnort in … das Gymnasium … zu Unterrichtsbeginn um 8:00 Uhr gut erreichen. Insoweit besteht eine Busverbindung mit Ankunft bei dem Gymnasium … um 7:51 Uhr (Preisstufe 5+T). Auch nach Ende der 5. Unterrichtsstunde, die ausweislich der dem Internetauftritt des Gymnasium … zu entnehmenden Hausordnung um 12:15 Uhr endet, kann der Kläger um 13:02 Uhr (Preisstufe 5+T) die Rückfahrt nach … antreten. Gleiches gilt nach Ende der 7. Stunde um 15:15 Uhr für eine weitere Busverbindung um 15:32 Uhr. Jedoch bestehen nach Ende der 8. Stunde (um 16:15 Uhr) sowie nach Ende der 9. Stunde (um 17:00 Uhr) zwar Verbindungen zur Rückfahrt um 17:03 Uhr, 17:22 Uhr und 17:44 Uhr. Diese fallen aber ausweislich des Streckennetzes des VGN samt den oben erläuterten Tarifbestimmungen mindestens in die Preisstufe 8+T. Aufgrund dessen ist die 20%-Grenze aus § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV nicht mehr gewahrt. So ist bereits die Schülermonatsfahrkarte der Preisstufe 6 mit Kosten in Höhe von 121,50 EUR verbunden. Bereits dieser Aufwand übersteigt ausgehend von dem Preis der Schülermonatsfahrkarte betreffend die Preisstufe 4+T (in Höhe von 100,10 EUR) die bei 120,12 EUR (100,10 EUR x 1,2) liegende 20%-Grenze.
(2) Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, der Stundenplan des Sohns der Klägerin enthalte (derzeit) weder eine 8. noch eine 9. Stunde, sodass die Rückfahrt stets mit den Busverbindungen um 13:02 bzw. 15:32 Uhr innerhalb der Preisstufe 5+T angetreten werden könne.
(a) Derzeit enthält der Stundenplan des Sohns der Klägerin weder eine 8. noch eine 9. Unterrichtsstunde, wie das Gymnasium … mit Schreiben vom 30. September 2020 ausweislich Anlage K4 der Klageschrift bestätigt hat. Der Bestätigung ist indes – nachvollziehbar – nicht zu entnehmen, dass es hierbei für den weiteren Schulbesuch des Klägers, insbesondere in höheren Klassen, verbleiben wird. Vielmehr folgt die Möglichkeit eines künftigen Stundenplans unter Einbeziehung der Unterrichtsstunden 8 und 9 schon daraus, dass das Gymnasium … weitgehend frei ist, wie es unter Berücksichtigung pädagogischer Gesichtspunkte aber auch personeller und räumlicher Ressourcen die Stundenpläne verschiedener Klassen in den jeweiligen Jahrgangsstufen zusammenstellt. Dabei liegt es nach der Lebenserfahrung zumindest nahe, dass jedenfalls in höheren Klassen auch stundenplanmäßiger Unterricht in den Unterrichtsstunden 8 und 9 nicht ausbleiben wird. Schließlich ist anerkannt, dass der Aufgabenträger nicht nur das einzelne Schuljahr, sondern ohne weiteres die gesamte Schulzeit berücksichtigen darf, zumal er sich künftigen Kostensteigerungen nicht ohne weiteres entziehen kann, da mit Blick auf § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV ein Schulwechsel allein aus Kostengründen kaum zumutbar erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 31-5-2011 – 7 ZB 10.2930 – BeckRS 2011, 33016 Rn. 16).
(b) Auch § 3 Abs. 1 Satz 3 SchBefV spricht dafür, nicht auf individuelle (prognostische) Stundenpläne abzustellen, sondern auf die allgemeine Unterrichtszeit. Die genannte Vorschrift sieht vor, dass die Schulleiterin oder der Schulleiter mit Blick auf die Erfüllung der Beförderungspflicht die Unterrichtszeit nach Maßgabe der Schulordnung im Benehmen mit dem Aufgabenträger festsetzt. Hieraus ergibt sich, dass pauschalierend die Unterrichtszeit maßgeblich sein soll. Sonst wäre nicht zu erklären, warum die genannte Vorschrift allgemein auf die Festsetzung der Unterrichtszeit nach Maßgabe der Schulordnung, nicht aber individuell auf die aktuellen bzw. prognostischen Stundenpläne der betroffenen Schüler abstellt.
(c) Überdies spricht der Umstand, dass es sich bei der Entscheidung über die Frage der Schulwegkostenfreiheit um Massenverwaltung handelt, gegen eine Auslegung von § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV dahingehend, dass individuelle Stundenpläne ggf. prognostisch zu berücksichtigen sind. Denn dies wäre mit ganz erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden. So müssten seitens der zuständigen Behörden Stundenpläne sämtlicher weiterführender Schulen für alle Jahrgangsstufen und Klassen nicht nur angefordert, sondern bezogen auf individuelle Anträge ausgewertet werden. Darüber hinaus müsste eine Prognose angestellt werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit es ggf. in kommenden Jahrgangsstufen zu Unterricht in welchen Unterrichtsstunden kommen wird. Im Unterschied hierzu ist die allgemeine Unterrichtszeit der Schulen etwa durch entsprechende Rückfragen leicht und eindeutig feststellbar.
d) Das pauschalierende Abstellen lediglich auf die allgemeine Unterrichtszeit ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Ausschlaggebend hierfür ist, dass es sich bei der Kostenfreiheit der Schülerbeförderung um eine freiwillige Leistung der öffentlichen Hand handelt. Insoweit besteht weder eine staatliche Verpflichtung zum besonderen Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) noch begründen das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Elternrecht, das Grundrecht des Schülers auf Bildung aus Art. 2 Abs. 1 GG oder das Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG einen (verfassungsrechtlichen) Anspruch auf Kostenübernahme der Schülerbeförderung durch die öffentliche Hand (OVG Lüneburg, B.v. 16.11.2012 – 2 ME 359/12 – NVwZ-RR 2013, 148). Auch begründet die Schulpflicht als Konkretisierung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags aus Art. 7 GG keinen Anspruch auf kostenlose Schülerbeförderung, da die Erfüllung der Schulpflicht als „Bringschuld“ zu verstehen ist. Entsprechend obliegt es grundsätzlich den Eltern, für den Transport zu und von den Schulen zu sorgen und die hiermit verbundenen Kosten als allgemeine Lebenshaltungskosten zu tragen (OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 25.8.2003 – 2 A 10588/03 – beck-online; Schleswig-Holsteinisches VG, U.v. 9.10.2017 – 9 A 257/16 – juris Rn. 22). Zusammengefasst wäre es grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, hätte sich der Gesetzgeber dazu entschieden, überhaupt keine Schulwegkostenfreiheit zu gewähren. Damit ist es – vorbehaltlich hier nicht ersichtlicher, ungerechtfertigter Ungleichbehandlungen – erst Recht verfassungsrechtlich unbedenklich, sofern Schulwegkostenfreiheit lediglich teilweise oder unter bestimmten Voraussetzungen gewährt wird. Da es sich vorliegend um eine verfassungsrechtlich freiwillige Leistung handelt, ist dem Gesetzgeber zudem ein sehr weitreichender Gestaltungsspielraum eingeräumt, sodass er die Reichweite seiner Förderung standardisieren und pauschalisieren darf (OVG Lüneburg, B.v. 16.11.2012 – 2 ME 359/12 – NVwZ-RR 2013, 148).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.


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