Verwaltungsrecht

Klagebefugnis für Feststellungsklage betreffend einen Planfeststellungsbeschluss – Projekt Mobilitätsdrehscheibe Augsburg Hbf

Aktenzeichen  Au 3 K 16.682

Datum:
28.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 146392
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PBefG § 28 Abs. 1
BayVwVfG Art. 73, Art. 76
VwGO § 42 Abs. 2, § 43 Abs. 1, § 67 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 4
BNatSchG § 29 Abs. 1 Nr. 4
GKG § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 2
BImSchG § 10
BayUIG Art. 2 Abs. 2

 

Leitsatz

Abweichungen von einem Planfeststellungsbeschluss können nur mit der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO angegriffen werden, soweit dadurch subjektive Rechte des Klägers beeinträchtigt sein können. (Rn. 24 – 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg, denn sie ist bereits unzulässig.
1. Der Kläger begehrt drei vom Verwaltungsgericht zu treffende Feststellungen. Bei dem Rechtsbehelf handelt es sich damit um eine (allgemeine) Feststellungsklage im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO liegt nicht vor, weil der Kläger nicht die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts beantragt.
Soweit der Kläger meint, sein Rechtsbehelf sei nicht als Feststellungssondern als allgemeine Leistungsklage, eventuell in Form der Unterlassungsklage zu qualifizieren, kann ihm nicht gefolgt werden. Es ist aus dem klägerischen Vortrag nicht zu entnehmen, dass er die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten erreichen will, dem Kläger gegenüber eine „Leistung“ zu erbringen bzw. eine bestimmte Handlung zu unterlassen.
2. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts wird klägerseits nicht begehrt, sodass vorliegend nur die erste Alternative (Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses) in Betracht kommt.
Zwar ist das in § 43 VwGO geforderte berechtigte Interesse des Feststellungsklägers an der erstrebten Feststellung weit zu verstehen und umfasst jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse auch wirtschaftlicher oder ideeller Art ein. Daraus folgt aber nicht, dass jeder in diesem Sinne Interessierte auch ohne eigene Rechtsbetroffenheit eine zulässige Feststellungsklage erheben kann. Vielmehr ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die Feststellungsklage nach § 43 VwGO zur Vermeidung von Popularklagen die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO über die Klagebefugnis entsprechend anzuwenden (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 30.7.1990 – 7 B 71/90 – BayVBl. 1990, 728; U.v. 10.07.2001 – 1 C 35/00 – BVerwGE 114, 356; beide auch juris m.w.N.). Dies bedeutet, dass auch eine auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtete Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO nur zulässig ist, wenn es dem Kläger dabei um die Verwirklichung seiner Rechte geht, sei es, dass er an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist, sei es, dass von dem Rechtsverhältnis immerhin eigene Rechte des Klägers abhängen. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt.
Der Kläger beruft sich darauf, dass das Vorhaben nicht so, wie es planfestgestellt wurde, durchgeführt werde, sondern sich erhebliche Änderungen und Abweichungen ergeben hätten. Die vorgebrachten Bedenken bzgl. des Baus bzw. Nichtbaus der E.ntlastungs Straße und der Trassenführung der Straßenbahnlinien lassen aber keinen Zusammenhang mit eigenen Rechtspositionen des Klägers erkennen. Selbst dann, wenn das Vorhaben tatsächlich planabweichend realisiert würde, können dadurch keine subjektiven Rechte des Klägers beeinträchtigt werden. Auf Rechte Dritter oder auf eine potentielle Beeinträchtigung des Gemeinwohls kann sich der Kläger nicht berufen. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist eine gewillkürte Prozessstandschaft ausgeschlossen (vgl. z.B. BayVGH, B. 23.6.2017 – 15 ZB 16.920 – juris m.w.N.); eine Norm, die für die konkrete Sachverhaltskonstellation eine (gesetzliche) Prozessstandschaft zuließe, gibt es nicht. Der Kläger ist auch nicht Sachwalter des Wohls der Allgemeinheit und kann sich zur Begründung der Klagebefugnis nicht auf eine vermeintliche Verletzung des Gemeinwohls berufen.
Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass und inwiefern er als Eigentümer oder sonst eigentumsähnlich Berechtigter betroffen wäre. Er wohnt auch unstrittig rund 4 bis 4,5 km von dem Bereich entfernt, auf den sich das planfestgestellte Vorhaben erstreckt. Durch das planfestgestellte Vorhaben wird er – selbst wenn dieses planabweichend realisiert würde – nicht in dieser Rechtsstellung betroffen.
Auch aus dem erstmals in der mündlichen Verhandlung gemachten Vortrag des Klägers, er werde möglicherweise in seinem Recht auf gesundheitliche Unversehrtheit beeinträchtigt werden, wenn die Entlastungs Straße nicht gebaut wird, ergibt sich keine mögliche Rechtsverletzung und damit keine Klagebefugnis. Soweit er nämlich darlegt, dass er als Verkehrsteilnehmer auch in dem planfestgestellten Bereich unterwegs sei und deshalb durch ein Mehr an Lärm und Abgasen möglicherweise beeinträchtigt sein wird, folgt noch keine Verletzung des Rechts auf körperlicher Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG. Voraussetzung wäre nämlich, dass konkrete Gesundheitsgefahren drohen (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage, § 42 Rn. 128). Allein durch den Nichtbau einer Entlastungs Straße folgt aber noch keine konkrete Gesundheitsgefahr, zumal der Kläger selbst vorträgt, lediglich als Verkehrsteilnehmer in diesem Bereich unterwegs zu sein. Es sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass durch den Nichtbau der Entlastungs Straße Grenzwerte in einem Maß überschritten würden, dass die Gesundheit des Klägers als Verkehrsteilnehmer ernstlich gefährdet wird. Insoweit fehlt es auch an einem ausreichend substantiierten Sachvortrag des Klägers.
Auch eine potentielle Nichtbeachtung verfahrensrechtlicher Vorschriften begründet vorliegend keine Klagebefugnis. Eine solche kann sich aus einer Verletzung von Verfahrensbestimmungen nur ergeben, wenn gegen eine (mindestens auch) den Interessen des Klägers dienende (d.h. drittschützende) Norm des Verwaltungsverfahrensrechts verstoßen wird/wurde (Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Oktober 2016, § 42 Rn. 72). Dies ist zum einen bei sog. „absoluten Verfahrensrechten“ der Fall. Das sind vom materiellen Recht unabhängige, selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtspositionen eines Drittbetroffenen, sei es als Anspruch auf Durchführung eines Verwaltungsverfahrens überhaupt oder auf Beteiligung an einem eingeleiteten Verwaltungsverfahren (Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 42 Rn. 73).
Das Bundesverwaltungsgericht hat bisher jedoch nur drei Fallgruppen von absoluten Verfahrensrechten anerkannt, nämlich enteignungsrechtliche Verfahrensvorschriften, die Beteiligungsrechte von Gemeinden und Gemeindeverbänden im luftverkehrs-rechtlichen Genehmigungsverfahren und schließlich das Beteiligungsrecht des anerkannten Naturschutzverbandes bei Planfeststellungsverfahren gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG (BVerwG, U.v. 7.7.1978 – IV C 79.76 – BVerwGE 56, 110 (137); U.v. 31.10.1990 – 4 C 7.88 – BVerwGE 87, 62; beide auch juris). Die jüngere Rechtsprechung erkennt neben den absoluten Verfahrensrechten noch eine weitere Kategorie „abgeschwächter“ drittschützender Verfahrenspositionen an (sog. unselbständige oder relative Verfahrensrechte), die eine Klagebefugnis allerdings nicht unabhängig von, sondern nur zusammen mit einer materiellen Rechtsbetroffenheit des Klägers begründen können (Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 42 Rn. 74). Da diese relativen Verfahrensrechte Drittschutz nur im Hinblick auf die bestmögliche Verwirklichung einer materiellen Rechtsposition vermitteln, muss sich für die Klagebefugnis aus dem Vortrag des jeweiligen Klägers ergeben, inwieweit sich die Nichtbeachtung der Verfahrensvorschriften auf seine materiell-rechtliche Position auswirken könnte. In der Rechtsprechung werden bislang nur im Atomverfahrensrecht und zu § 10 BImSchG Verfahrenspositionen als drittschützend im Sinne relativer Verfahrensrechte qualifiziert (vgl. zum Ganzen Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 42 Rn. 74 ff).
Der Kläger kann sich vorliegend offensichtlich nicht auf eine Verletzung absoluter Verfahrensrechte in dem oben genannten Sinn berufen. Darüber hinaus ist auch eine zur Annahme einer Klagebefugnis führende Verletzung relativer Verfahrensrechte nicht denkbar. Er benennt keine materiell-rechtliche Rechtsposition, die durch eine eventuelle Nichtbeachtung von Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren begründet beeinträchtigt werden könnte. Er beruft sich lediglich darauf, dass aufgrund der angeblichen Änderungen bei der Verwirklichung des Vorhabens ein neues Planfeststellungverfahren nach Art. 76 BayVwVfG notwendig sei. Der Kläger hat aber mangels möglicher Verletzung eigener materieller Rechtspositionen keinen Anspruch auf die Durchführung eines neuen Planfeststellungsverfahrens wegen eventueller Änderung des Vorhabens.
Schließlich ergibt sich auch aus der Bestimmung über die Einwendungsbefugnis nach Art. 73 BayVwVfG keine Klagebefugnis. Selbst wenn der Kläger in einem eventuell durchzuführenden weiteren Planfeststellungsverfahren gemäß Art. 73 Abs. 4 BayVwVfG einwendungsbefugt sein sollte, was nicht offensichtlich ist, könnte er sich im vorliegenden Verwaltungsstreitverfahren zur Begründung einer Klagebefugnis darauf nicht berufen. Denn die Einwendungsbefugnis stünde ihm nur im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens zu, auf dessen Einleitung er – wie dargelegt – gerade keinen Anspruch hat.
Damit ist der Kläger nicht klagebefugt.
Selbst wenn, entgegen der oben dargelegten Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Klage als allgemeine Leistungsklage (Unterlassungsklage) auszulegen wäre, würde dies dem Kläger nicht weiter helfen. Denn auch dann wäre der Rechtsbehelf aus den oben dargelegten Gründen mangels Klagebefugnis unzulässig.
Ergänzend wird zu den Ausführungen in dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schriftstück, wonach der klägerische Anspruch (auch) auf das Bayerische Umweltinformationsgesetz gestützt werde, dargelegt, dass das Klagebegehren auch nicht auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden kann. Die vom Kläger begehrten Feststellungen stellen keine Umweltinformationen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 BayUIG dar; vielmehr erstrebt der Kläger eine verwaltungsgerichtliche Klärung der rechtlichen Qualität von Teilen des Inhalts des genannten Planfeststellungsbeschlusses bzw. der Zulässigkeit potentieller Änderungen des Vorhabens und deren (Un-)Vereinbarkeit mit der genannten Planfeststellung.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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