Verwaltungsrecht

Konversion nicht glaubhaft gemacht

Aktenzeichen  M 28 K 18.31579

Datum:
11.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24951
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3d, § 3e, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Selbst bei einer anfänglich zufälligen oder auch asyltaktisch motivierten Hinwendung zum Christentum ist nicht ausgeschlossen, dass die Hinwendung zum Christentum jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf einer ernsthaften inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin zumindest dann eine die religiöse Identität tatsächlich prägende und nachhaltige Hinwendung zum christlichen Glauben vorliegt.  (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 2018 verhandeln und entscheiden konnte, weil die Beklagte rechtzeitig und unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 VwGO geladen worden ist, ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, die Beklagte zu verpflichten, sie unter Aufhebung der jeweils entgegenstehenden Ziffern des angegriffenen Bescheides als asylberechtigt anzuerkennen, ihr die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutz zuzuerkennen oder zu ihren Gunsten ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Das Bundesamt hat den Asylfolgeantrag zu Recht vollumfänglich abgelehnt.
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Vorab ist angesichts der Taufe der Klägerin klarzustellen, dass für die insoweit inmitten stehenden Sach- und Rechtsfragen nach ständiger Rechtsprechung der entscheidenden Kammer keine präjudizielle Wirkung allein einer formalen, kirchenrechtlich wirksamen Taufe besteht (vgl. im Einzelnen: VGH BW, B.v. 19.2.2014 – A 3 S 2023/12 – juris Rn. 10; OVG NRW, B.v. 11.11.2013 – 13 A 2252/13.A – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 7.5.2013 – 14 ZB 13.30082 – juris Rn. 5).
Die Einzelrichterin muss im Asylverfahren sowohl von der Wahrheit – und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohender Verfolgung bzw. Gefährdung die volle Überzeugung gewinnen. Dabei obliegt es der Klagepartei, die Gründe für ihr Asylbegehren in schlüssiger Form vorzutragen. Sie hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich ergibt, dass bei verständiger Würdigung des Einzelfalles die Furcht vor Verfolgung begründet und es ihr nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Herkunftsland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel die Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings – unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstandes und Alters des Asylsuchenden und deshalb möglicher, insbesondere sprachlicher Schwierigkeiten, die eigenen Belange dem Gericht überzeugend und „farbig“ darzustellen – ein detaillierter, in sich schlüssiger und überzeugender Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Gemessen hieran ist festzustellen:
Die Einzelrichterin ist nicht ausreichend davon überzeugt, dass die Klägerin – wie es erforderlich wäre – auf Grund einer gefestigten inneren Überzeugung und prognostisch gesehen andauernd ihr Leben nach dem christlichen Glauben leben und diesen Glauben auch im Fall einer unterstellten Rückkehr in den Iran ohne Rücksicht auf eine drohende Gefährdung oder Verfolgung ehemals muslimischer Konvertiten im Iran leben wird. Bei einer Gesamtwürdigung des Eindrucks, den die Einzelrichterin aus der Dokumentation der Anhörung der Klägerin vor dem Bundesamt, den Äußerungen im gerichtlichen Verfahren, vor allem aber auf Grund der ausführlichen Anhörung und Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung von dem Weg der Klägerin hin zum Christentum, von ihren diesbezüglichen Beweggründen und Motiven, von der bisherigen Lebensgestaltung und Glaubensausübung der Klägerin und schließlich von der Verinnerlichung ihres Glaubens gewinnen konnte, ist das Gericht nicht ausreichend davon überzeugt, dass der christliche Glaube ihre Identität und ihre Persönlichkeit so wesentlich und nachhaltig bestimmt und prägt, dass die Klägerin im Fall der Rückkehr in den Iran in eine grundlegenden Menschen- und Freiheitsrechten widersprechende ernstliche Gewissensnot geraten würde, wenn sie dort einen Glaubenswechsel verbergen müsste, um eine Verfolgung oder Gefährdung zu vermeiden. Voraussetzung einer entsprechenden Schutzgewährung wäre stets, dass die Religionsausübung auf einer ernsthaften inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine die religiöse Identität des Betreffenden prägende und nachhaltige Hinwendung zu einem bestimmten Glauben vorliegt und dass der Betreffende nach Rückkehr in sein Heimatland die religiösen Betätigungen seines Glaubens (wie etwa den Besuch von Gottesdiensten, den kommunikativen Austausch mit andere Gläubigen oder sogar den Versuch, andere Menschen vom seinem Glauben zu überzeugen) auch als zur Wahrung seiner religiösen Identität unerlässlich empfindet, da er sonst in eine ernstliche Gewissensnot geriete sowie dass der Betreffende sich dadurch der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen würde. Ob dies der Fall ist, kann stets nur im Wege einer Würdigung des konkreten Einzelfalls entschieden werden.
Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht davon ausgeht, dass die Klägerin sich tatsächlich, wie der Pastor ihrer Kirche in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, seit zwei bis drei Monaten in der Kirchengemeinde engagiert und dort versucht sich einzubringen. Allein aus einem derartigen Engagement lässt sich indes noch kein hinreichender Schluss auf die rechtlich erforderliche, ernstliche und nachhaltige Verinnerlichung eines neuen Glaubens ziehen, zumal der Beginn des geschilderten klägerischen Engagements in etwa mit dem Zugang des ablehnenden Bescheides zusammenfallen dürfte.
Für die Einzelrichterin ergab sich auf Grund der mündlichen Verhandlung kein ausreichend klares, in sich stimmiges und überzeugendes Gesamtbild von dem Prozess der Hinwendung der Klägerin zum Christentum, ihrer Persönlichkeit und ihrer Glaubensüberzeugung. Dies folgt bereits aus den allenfalls rudimentären Kenntnissen der Klägerin vom christlichen Glauben. So vermochte sie in der mündlichen Verhandlung weder zentrale Glaubensinhalte noch etwa die zehn Gebote, die sich nach eigener Aussage sämtlich befolge, zu benennen. Die Klägerin kannte weder Einzelheiten hinsichtlich der christlichen Fastenzeit noch hatte sie Kenntnis vom wichtigsten Fest im christlichen Glauben. Zwar vermochte die Klägerin ihre angebliche Lieblingsstellen der Bibel grob wiederzugeben, allerdings konnte sie nicht zutreffend angeben, in welchen Evangelien sich diese befinden. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin nach eigenen Angaben erst wenige Woche zuvor getauft und nach Aussage des sie taufenden Pastors zuvor umfangreiche Vorbereitungsschulungen stattgefunden hätten, geht das Gericht davon aus, dass jedenfalls diese eher niedrigschwelligen Fragen bei einer wahrhaftigen Zuwendung zum christlichen Glauben und einer Befassung mit den Inhalten des Christentums hätten richtig geantwortet werden können.
Bei einer Gesamtwürdigung des Vortrags der Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung ergibt sich daher für das Gericht keine Überzeugung der Hinwendung der Klägerin zum christlichen Glauben. Vielmehr hält das Gericht das entsprechende Vorgehen für rein asyltaktisch motiviert. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass selbst bei einer anfänglich zufälligen oder asyltaktisch motivierten Hinwendung einer unverfolgt aus dem Iran ausgereisten und – im Extremfall gedacht – allein durch die Initiative einer Kirchengemeinde missionarisch zum Christentum gebrachten Klägerin es der Klage auch noch zum Erfolg verhelfen würde, wenn die Hinwendung zum Christentum jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf einer ernsthaften inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin zumindest dann eine die religiöse Identität der Klägerin tatsächlich prägende und nachhaltige Hinwendung zum christlichen Glauben vorliegt. Allerdings konnte die Klägerin das Gericht in der mündlichen Verhandlung hiervon nicht überzeugen. Hieran vermag auch der Umstand, dass der die Klägerin betreuende Pastor in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, er selbst sei davon überzeugt, dass die Klägerin sich dem Christentum zugewandt habe, nichts zu ändern, denn maßgeblich ist für das Gericht in erster Linie das bei der ausführlichen Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewonnene Bild von der Persönlichkeit der Klägerin und ihrer behaupteten Glaubensüberzeugung.
Ohne eine solche, die religiöse Identität der Klägerin prägende, ernsthafte Hinwendung zum Christentum und ohne erkennbar gefestigte innere Glaubensüberzeugung besteht für den Fall der Rückkehr des Klägers nach Überzeugung der Einzelrichterin nicht die Gefahr, Verfolgungsmaßnahmen durch den iranischen Staat oder ihm zuzurechnender Akteure wegen „Abfalls vom islamischen Glauben“ ausgesetzt zu sein (BayVGH, B.v. 30.1.2018 – 14 ZB 18.30076 – n.v.; B.v. 7,.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris Rn. 7 m.w:n:, OVG NRW, B.v. 11.1.2018 – 13 A 2476/17.A – juris Rn. 9 m.w.N.).
Gleiches gilt für die in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin behauptete Verfolgung oder Gefährdung durch ihre Familie. Insoweit ist die Klägerin auch auf eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verweisen. Nach § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft trotz sonst zu bejahender Anspruchsvoraussetzungen nicht zuerkannt, wenn er (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und (2.) sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Selbst wenn man das Vorbringen der Klägerin, wonach ihre Familie sie für ungläubig halte und sie im Falle einer Rückkehr sofort töten würde, als wahr unterstellt, ist es ihr möglich und zumutbar, einen etwaigen Kontakt mit ihrer Herkunftsfamilie abzubrechen und sich in einem anderen Landesteil niederzulassen. Angesichts der von der Klägerin vorgetragen Schulbildung und einer fünf- bzw. siebenjährigen Tätigkeit als Friseurin (Anhörung Erstantrag bzw. Anhörung Folgeantrag) geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin dazu in der Lage ist, sich einen – wenn auch bescheidenen – Lebensunterhalt zu sichern, zumal sie mit ihrer Schwester nach eigenen Angaben bis zum heutigen Tag in Kontakt steht und diese sich derzeit auch um den Sohn der Klägerin kümmert, die Klägerin also mit Unterstützung ihrer Schwester rechnen können wird.
Diese Möglichkeit innerstaatlichen Schutzes schließt auch eine hinreichend konkrete Gefährdung als Voraussetzung der Zuerkennung eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich dieser Gefahr aus.
Die (gerichtskostenfreie, § 83a AsylG) Klage ist deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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