Verwaltungsrecht

Kosovo ist ein sicherer Herkunftsstaat

Aktenzeichen  M 5 E 15.31537

Datum:
28.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Bei einer Gefahr für Leib und Leben durch nichtstaatliche Dritte, kann auf die Hilfe durch die zuständigen Behörden im Kosovo verwiesen werden. (redaktioneller Leitsatz)
Psychische Erkrankungen sind im Kosovo sowohl medikamentös als auch psychologisch behandelbar. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist kosovarischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 13. August 2015 in das Bundesgebiet ein und stellte bei dem Bundesamt einen Asylantrag. Sein Vater sei 1998 von einem gewissen G. G. ermordet worden. Seitdem werde auch seine Familie und er von diesem bedroht.
Am 25. November 2015 nahm der Bevollmächtigte des Antragsstellers den Asylantrag beim Bundesamt zurück. Mit Bescheid des Bundesamts vom 28. Dezember 2015 wurde das Verfahren daraufhin eingestellt.
Im Rahmen eines zunächst am 16. November 2015 erhobenen Eilantrags hat der Antragsteller zuletzt mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 25. November 2015, eingegangen bei Gericht am 03. Dezember 2015, beantragt,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der für die Abschiebung zuständigen Behörde mitzuteilen, dass von Abschiebemaßnahmen abgesehen wird.
Der Antragsteller habe seinen Asylantrag zurückgenommen, es sei jedoch noch nicht zu einer Entscheidung durch das Bundesamt gekommen, so dass eine Abschiebung (nur) aus diesem Grund scheitere.
Mit weiterem Bescheid des Bundesamts vom 05. Januar 2016 wurde der Bescheid vom 28. Dezember 2015 aufgehoben (Nr. 1 des Bescheids) und das Asylverfahren eingestellt (Nr. 2 des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Nr. 3 des Bescheids). Der Antragsteller wurde binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zur Ausreise aufgefordert, die Abschiebung nach Kosovo oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angedroht (Nr. 4 des Bescheids). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet wurde ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate (Nr. 5 des Bescheids) befristet.
Im weiteren Verfahren hat der Antragsteller Bezug genommen auf eine vorgelegte, aus der albanischen Sprache übersetzten beglaubigten Bescheinigung der Familiengesellschaft für vermisste Personen und Kriegsopfer im Kosovo vom 01. Oktober 2015. Demnach befänden sich die Familien R. und G. in Blutrache, so dass die Kinder der Familie R. in Gefahr seien. Weiter wurde eine Aussage der Mutter des Antragstellers vom 01. Oktober 2015 vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag des Bevollmächtigten des Antragstellers wird gemäß § 88 VwGO dahingehend ausgelegt, dass beantragt wird, das Bundesamt im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass der Antragsteller vorläufig nicht nach Kosovo abgeschoben werden darf. Ein solcher Antrag auf einstweilige Anordnung (§ 123 VwGO) zur (vorläufigen) Sicherung des Begehrens bezüglich des nunmehr geltend gemachten Abschiebungsverbots ist statthaft (vgl. BayVGH, B. v. 21.04.2015 – 10 CE 15.810, 10 C 15.813 – juris, Rn. 3 ff; vgl. auch VG München, B. v. 11.08.2015 – M 16 E 15.30965 – juris, Rn. 7).
Der Antrag bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO darf nur ergehen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller hat demnach sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sogenannten Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sogenannten Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Der Antragsteller hat den für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, weil sich aus den vorgebrachten Gründen nicht mit der für die Glaubhaftmachung erforderlichen Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ihm der behauptete Anspruch auf Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zusteht. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Vorschrift kann einen Anspruch auf Abschiebungsschutz begründen, wenn die Gefahr besteht, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Herkunftsland wesentlich verschlechtert.
Soweit im Rahmen des vorliegenden Verfahrens angeführt wurde, dass der Antragsteller an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, wurde im weiteren Verfahren ein angekündigtes entsprechendes ärztliches Attest nicht vorgelegt. Es kann daher weder vom Vorliegen einer solchen Erkrankung beim Antragsteller ausgegangen werden, noch davon, dass diese im Kosovo nicht hinreichend behandelt werden könnte. Psychische Erkrankungen im Kosovo sind nach dem dortigen Standard, auf den sich der Antragsteller verweisen lassen muss, sowohl medikamentös als auch psychologisch grundsätzlich behandelbar (vgl. z. B. Verwaltungsgericht des Saarlands, U. v. 29.01.2016 – 6 K 537/15 – juris, Rn. 40 ff m. w. N.).
Soweit eine Verfolgung des Antragstellers im Kosovo im Hinblick auf eine Blutrache ausgehend von der Person eines G. G. angeführt wird, fehlt es an einer zeitlichen Bestimmung, wann der Antragsteller zuletzt von dieser Seite einer Bedrohung ausgesetzt gewesen sei. Aufgrund dessen kann schon in tatsächlicher Hinsicht nicht davon ausgegangen werden, dass eine diesbezügliche Bedrohung aktuell noch fortbesteht. Weiter kann von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der kosovarischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, nicht ausgegangen werden (Bericht des auswertigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 09. Dezember 2015, im Folgenden: Lagebricht; Ausführungen im Bescheid des Bundesamts zur Polizei, Justiz und EULEX, § 77 Abs. 2 AsylG; ebenso u. a. VG Leipzig, U. v. 16.10 2015 – 7 K 643/15.A – juris; VG Darmstadt, B. v. 24.04.2015 – 2L430/15.DA.A – juris). Vielmehr ist der Kosovarische Staat bei einer Bedrohung, bei der es sich um kriminelles Unrecht eines nichtstaatlichen Akteurs handelt, in der Lage und auch willens, hinreichenden Schutz zu gewähren (§ 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 und 2 AsylG).
Demnach kann von vielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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