Verwaltungsrecht

Kostentragung Einstufungstest Sprachmodul für Spätaussiedler

Aktenzeichen  AN 6 K 17.01990

Datum:
27.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27756
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwVfG § 35 S. 1, § 48, § 49a
IntV § 4 Abs. 1, § 11 Abs. 2, § 20 Abs. 3, Abs. 6
AbrRL § 1 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Eine vom Kursträger mit Vorlage von Abrechnungsunterlagen beantragte Entscheidung des Bundesamtes über die jeweils zu gewährende Kostenerstattung ist unabhängig von ihrer äußeren Form (hier: einfaches Schreiben ohne Rechtsbehelfsbelehrung) als Verwaltungsakt zu behandeln. (Rn. 28 und 31)
2. Die auf § 20 Abs. 6 IntV basierenden Abrechnungsrichtlinien stellen dem öffentlichen Recht zuzuordnende Verwaltungsvorschriften und kein zivilvertragliches Regelwerk zwischen dem Bundesamt und den Kursträgern dar. (Rn. 30)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die Klage ist zwar zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu.
1. Die in Ziffer 1) des Bescheides der Beklagten vom 25. Juli 2017 ausgesprochene Rücknahme der Abrechnung … mit Ausnahme zweier Einstufungstests ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen des § 48 VwVfG sind vorliegend erfüllt.
a) Die Abrechnungsentscheidung der Beklagten vom 3. März 2017 ist entgegen der Auffassung der Klägerseite als Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG zu qualifizieren.
Eine vom Kursträger mit Vorlage der Abrechnungsunterlagen beantragte Entscheidung des Bundesamtes über die jeweils zu gewährende Kostenerstattung stellt eine auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Entscheidung dar, die das Bundesamt zur Regelung eines Einzelfalls trifft.
Diese Entscheidung erfolgt auch hoheitlich und auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts: Integrationskurse werden gemäß § 1 IntV vom Bundesamt für… durchgeführt, welches die Kurse in der Regel von privaten oder öffentlichen Trägern durchführen lässt. Letztere lässt das Bundesamt anhand der Kriterien aus § 18 IntV auf Antrag als Kursträger zur Durchführung der Integrationskurse und des Einstufungstests nach § 11 Abs. 2 IntV zu, wobei diese hoheitliche Zulassungsentscheidung der Beklagten den Kursträger grundsätzlich dazu berechtigt, beliebig viele Integrationskurse zu beliebigen Zeitpunkten innerhalb des Zulassungszeitraums durchzuführen (Umkehrschluss zu § 18 Abs. 4 Satz 1 IntV). Nach den Nebenbestimmungen zur Durchführung von Integrationskursen, die Bestandteil eines jeden Zulassungsbescheides sind, ist der Kursträger zur Einhaltung der Bestimmungen der IntV verpflichtet, weiter sind die Richtlinien des Bundesamtes für … für die Abrechnung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler nach der Integrationskursverordnung (im Folgenden: AbrRL) in ihrer jeweils geltenden Fassung verbindlich. Nach § 1 Abs. 1 AbrRL erstattet das Bundesamt einem zugelassenen Kursträger die Kosten für die ordnungsgemäße Durchführung der Integrationskurse für Teilnahmeberechtigte gemäß § 4 Abs. 1 IntV (unter Abzug eines ggf. gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 IntV vom Teilnahmeberechtigten zu leistenden Kostenbeitrages). Gemäß § 20 Abs. 6 IntV setzt es hierfür nach Ermittlung der bundesweiten Preisentwicklung angemessene, den Grundsätzen der Sachgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit genügende Kostenerstattungssätze fest, die ihren Niederschlag in der jeweils gültigen Fassung der Abrechnungsrichtlinien finden. Ob und in welcher Höhe ein Kursträger sodann vom Bundesamt im Einzelfall Kostenerstattung für die Durchführung eines Integrationskurses für Teilnahmeberechtigte verlangen kann, erfordert eine Einzelfallprüfung des Bundesamtes, gemessen an den Vorgaben der Integrationskursverordnung sowie der Abrechnungsrichtlinien. Bei diesen Vorschriften handelt es sich dabei insgesamt um öffentlich-rechtliche Vorschriften, da sie das Bundesamt als Träger öffentlicher Gewalt berechtigen, die Kostenerstattung der Integrationskurse nach den dort aufgestellten Voraussetzungen gegenüber den Kursträgern (einseitig) festzulegen. Insbesondere die auf § 20 Abs. 6 IntV basierenden Abrechnungsrichtlinien stellen vor diesem Hintergrund dem öffentlichen Recht zuzuordnende Verwaltungsvorschriften und kein zivilvertragliches Regelwerk zwischen dem Bundesamt und den Kursträgern dar. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 1 Satz 2 IntV, wonach das Bundesamt die Kurse in der Regel von privaten oder öffentlichen Träger durchführen lässt. Denn hierdurch wird ein hoheitliches Tätigwerden des Bundesamtes gegenüber den Kursträgern nicht ausgeschlossen, was bereits die zahlreichen Regelungen der Integrationskursverordnung zu den Zulassungsvoraussetzungen von Kursträgern und den Befugnissen des Bundesamtes gegenüber den Trägern (vgl. etwa § 20b Abs. 1 Nr. 3 IntV) erhellen.
Der Umstand, dass das Ergebnis der Abrechnungsprüfung dem Kursträger jeweils mit einfachem Schreiben unter Übersendung der Abrechnungsunterlagen mitgeteilt wird, steht einer Qualifizierung dieser Entscheidung als Verwaltungsakt (§ 35 Satz 1 VwVfG) darüber hinaus nicht entgegen, da es hierfür nicht entscheidend auf die äußere Gestalt wie etwa eine Bezeichnung als „Bescheid“ unter Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung:ankommt.
b) Die Beklagte durfte ihren Abrechnungsbescheid vom 3. März 2017 auch auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG mit Bescheid vom 25. Juli 2017 zurücknehmen, da der Klägerin zu Unrecht Kurskostenerstattung in Höhe von 1.389,40 EUR für die Durchführung des Integrationskurses … (Orientierungskurs) gewährt worden war.
Die Beklagte gewährte der Klägerin auf der Basis von 100 Unterrichtseinheiten eine Realvergütung zur Durchführung des Orientierungskursabschnittes des Kurses … für fünf Kursteilnehmer in Höhe von 1.389,40 EUR, obwohl die Klägerin diesen Kursabschnitt entgegen den verbindlichen Vorgaben des Bundesamtes nicht vollständig durchgeführt hatte.
Gemäß § 1 Abs. 2 AbrRL hat die Abrechnung von Integrationskursen kursabschnittsweise und nur für vollständig durchgeführte Sprachkursabschnitte zu je 100 Unterrichtsstunden und den vollständig durchgeführten Orientierungskurs zu erfolgen. Der Orientierungskursabschnitt des Kurses … wurde von der Klägerin im Zeitraum von 16. Januar 2017 bis 10. Februar 2017 in einem Umfang von 60 Unterrichtseinheiten und damit nicht vollständig durchgeführt. Gemäß § 12 Satz 1 IntV in der maßgeblichen Fassung vom 31. Juli 2016 umfasste der Orientierungskurs nämlich mangels anderslautender Übergangsregelung in § 22 IntV bereits mit Wirkung ab dem 6. August 2016 grundsätzlich 100 Unterrichtsstunden, wobei für die Einführung der erweiterten Stundenzahl beim Orientierungskurs zunächst gemäß dem Trägerrundschreiben 19/16 vom 11. Oktober 2016 eine Übergangsphase bis zum 31. Oktober 2016 vorgesehen war, welche mit Trägerrundschreiben 21/16 vom 21. Oktober 2016 nochmals um zwei Monate bis zum 31. Dezember 2016 verlängert worden war. Vor dem 1. Januar 2017 beginnende Orientierungskursabschnitte durften danach abweichend von der ab 6. August 2016 geltenden Gesetzeslage zunächst noch wahlweise mit einem Stundenumfang von 60 oder 100 Unterrichtseinheiten durchgeführt werden. Ab dem 1. Januar 2017 beginnende Orientierungskursabschnitte waren jedoch verpflichtend ohne Ausnahmen mit 100 Unterrichtseinheiten durchzuführen. Die Klägerin hatte diese Änderung zu berücksichtigen, ohne dass es hierfür einer vertraglichen Vereinbarung etwa nach § 305 Abs. 2 BGB bedurfte. Nach den allgemeinen Nebenbestimmungen, die Bestandteil des Zulassungsbescheides vom 5. Januar 2016 waren, ist die Klägerin nämlich zur Einhaltung der Bestimmungen der Integrationskursverordnung in ihrer jeweils geltenden Fassung verpflichtet gewesen.
c) Die Klägerin durfte auch nicht auf den Bestand der Abrechnungsentscheidung vom 3. März 2017 vertrauen.
Als begünstigender Verwaltungsakt, der eine einmalige Geldleistung gewährt, durfte die Abrechnungsentscheidung vom 3. März 2017 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG nur unter der Einschränkung aus § 48 Abs. 2 VwVfG zurückgenommen werden.
Die Klägerin kann sich jedoch nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG nicht auf schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes berufen, da sie die Rechtswidrigkeit der Abrechnungsentscheidung vom 3. März 2017 jedenfalls in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Die Klägerin verkannte unter grober Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht als Kursträgerin zur Einhaltung der Integrationskursverordnung in der jeweils geltenden Fassung, dass sie als Kursträgerin ab 1. Januar 2017 beginnende Orientierungskursabschnitte verpflichtend in einem Umfang von 100 Unterrichtseinheiten hätte durchführen müssen und sich die Abrechnung vom 3. März 2017 auf der Basis von 100 Unterrichtseinheiten bereits deshalb als rechtswidrig darstellt, weil die Klägerin nur Unterricht im Umfang von 60 Einheiten abhalte und damit entgegen § 1 Abs. 2 AbrRL einen unvollständig durchgeführten Orientierungskurs zur Abrechnung gebracht hatte. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass zu Beginn des ersten Sprachkursmoduls des Integrationskurses … im Mai 2016 noch § 12 IntV in der Fassung vom 20. Februar 2012 gegolten hat. Denn das Bundesamt hatte jedenfalls mit Trägerrundschreiben 21/16 vom 21. Oktober 2016 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Unterrichtseinheiten beim Orientierungskurs von 60 auf 100 Stunden erhöht worden sind und die Übergangsfrist zur Durchführung solcher Kurse mit nur 60 Stunden nur für Orientierungskursabschnitte gilt, die vor dem 1. Januar 2017 beginnen. Diese eindeutige Regelung durfte die Klägerin auch nicht deshalb in Zweifel ziehen, weil die Erhöhung der Stundenzahl für den Orientierungskurs zunächst in § 10 IntV (Fassung vom 20.2.2012, gültig bis 24.6.2017) noch keinen Eingang gefunden hatte. Hierauf hatte das Bundesamt auch bereits mit Trägerrundschreiben 19/16 vom 11. Oktober 2016 hingewiesen. Dass die genannten Trägerrundschreiben der Klägerin nicht zur Kenntnis gelangt wären, wurde zu keinem Zeitpunkt vorgetragen. Die grob fahrlässige Fehlinterpretation der Änderungen des § 12 IntV durch die Klägerin geht zu ihren Lasten.
d) Auch Ermessensfehler bestehen nicht.
Nach § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG wird in den Fällen des Satzes 3 der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Beklagte durfte daher die Abrechnungsentscheidung in Höhe der rechtswidrig gewährten Realvergütung von 1.389,40 EUR zurücknehmen, wobei wegen des Falles des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG nicht nur die Schutzwürdigkeit des Bestandsvertrauens der Klägerin entfällt, sondern nach § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG umgekehrt sogar für den Regelfall eine Rücknahmepflicht der Beklagten bestand (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2012, § 48 Rn. 127b). Besondere Gründe, aufgrund derer von einer Rücknahme entgegen dem in Richtung Rücknahmeentscheidung intendierten Ermessen der Beklagten abgesehen werden sollte, lagen nicht vor. Ermessensfehler sind mithin nicht erkennbar.
e) Die Jahresfrist aus § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG wurde gewahrt.
2. Die von der Beklagten in Ziffer 1) ihres Bescheides vom 25. Juli 2017 angeordnete Erstattung des zu Unrecht ausgezahlten Betrages in Höhe von 1.389,40 EUR erweist sich ebenfalls als rechtmäßig.
Gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Die zu erstattende Leistung ist gemäß § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen, wobei der Erstattungsausspruch mit der Rücknahmeentscheidung verbunden werden kann. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich die Klägerin gemäß § 49a Abs. 2 Satz 2 VwVfG nicht berufen, da sie die Umstände, die zur Rücknahme der Abrechnungsentscheidung vom 3. März 2017 geführt haben, jedenfalls infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (vgl. I. 1. c)).
II.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Gründe, die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.

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