Verwaltungsrecht

Kostentragung wegen Verschulden (bejaht), Akteneinsicht bei Konkurrentenstreitverfahren

Aktenzeichen  AN 1 E 21.01017

Datum:
2.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22569
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Das Verfahren wird eingestellt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Der Streitwert wird auf 8.961,54 EUR festgesetzt.

Gründe

II.
Der Antragsteller hat den Antrag vom 28. Mai 2021 mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 25. Juni 2021 zurückgenommen. Das Verfahren ist daher gem. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO durch Beschluss einzustellen (Rennert in: Eyermann, VwGO, § 92 Rn. 3). Dabei entscheidet das Gericht auch über die Kosten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich vorliegend nicht aus § 155 Abs. 2 VwGO, sondern aus § 155 Abs. 4 VwGO, der eine abweichende Kostenentscheidung bei Vorliegen eines Verschuldens eines Beteiligten ermöglicht (Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 155 Rn. 77).
Gemäß § 155 Abs. 4 VwGO können Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Dabei kann die Rechtsfolge des § 155 Abs. 4 VwGO auch aufgrund eines vorprozessualen Verhaltens des Beklagten bzw. Antragsgegners ausgesprochen werden, so z.B. bei einer unzureichenden oder irreführenden Begründung eines Verwaltungsaktes (Rennert in: Eyermann, VwGO, § 155 Rn. 13) oder wenn durch ein vorprozessuales Verhalten die Erhebung einer an sich vermeidbaren Klage verursacht wurde (Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 155 Rn. 84).
Insbesondere in beamtenrechtlichen Stellenbesetzungsverfahren hat ein Bewerber nach ständiger Rechtsprechung einen Anspruch auf verbindliche Information durch den Dienstherrn über das Ergebnis des Auswahlverfahrens, denn ein unterlegener Bewerber ist gehalten, vor der Ernennung des ausgewählten Bewerbers seinen Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG in der grundrechtlich gebotenen Weise gerichtlich geltend zu machen. Damit der Bewerber nicht Gefahr läuft, ein Rechtsmittel auf ungesicherter tatsächlicher oder rechtlicher Grundlage zu ergreifen oder mit dem Rechtsmittel zu spät zu kommen, ist ihm nicht nur der Name des ausgewählten Bewerbers bekanntzugeben, sondern es sind ihm jedenfalls auf sein Verlangen hin die für die Auswahlentscheidung wesentlichen Erwägungen mitzuteilen oder zumindest im Wege der Akteneinsicht zugänglich zu machen. Die Mitteilung soll den unterlegenen Bewerber in die Lage versetzen, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will (BVerwG, U.v. 13.12.2018 – 2 A 5/18 – juris Rn. 35).
Zur Sicherung des Gebotes effektiven Rechtsschutzes folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG auch die Verpflichtung, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen auch dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen (BVerfG, B.v. 20.9.2016 – 2 BvR 2453/15 – juris Rn. 20).
Dies berücksichtigend liegt ein Verschulden des Antragsgegners im Sinne des § 155 Abs. 4 VwGO vor.
Da der Antragsteller Beamter (technischer Regierungshauptsekretär) ist, musste grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass er die geforderte Laufbahnbefähigung besitzt und somit dem Grunde nach als für die Stelle geeignet angesehen werden kann. Vor diesem Hintergrund war es für den Antragsteller unerlässlich, Akteneinsicht in den Auswahlvorgang zu erhalten, damit er anhand der schriftlich niedergelegten Auswahlerwägungen die Erfolgsaussichten eines Antrages nach § 123 VwGO einschätzen und die Ausführungen des Antragsgegners nachprüfen kann.
Hierfür ist jedoch die Kenntnis des Inhalts der Behördenakte erforderlich, da nur so eine umfassende Würdigung der Rechtslage möglich ist, insbesondere auch, ob formelle Fehler bestehen, ob weitere Bewerber vorhanden sind, die bei dem Leistungsvergleich berücksichtigt wurden, auf welcher Grundlage der Leistungsvergleich erfolgte und inwieweit die Bewerbungsgespräche Eingang in die Entscheidung gefunden haben.
Diesbezüglich muss sich der Antragsgegner aber vorwerfen lassen, dass er trotz des wiederholten Antrages des Bevollmächtigten des Antragstellers auf Akteneinsicht mit Schreiben vom 27. Mai 2021 keine Akteneinsicht gewährte, sondern diese sogar mit E-Mail vom 28. Mai 2021, 8:29 Uhr, jedenfalls erneut konkludent verweigerte, da er lediglich auf eine Nachreichung einer Begründung der Auswahlentscheidung verwies, sich jedoch zu der begehrten Akteneinsicht nicht äußerte.
Der Umstand, dass der Antragsgegner auch weiterhin der Auffassung ist, dass dem Antragsteller keine Akteneinsicht gewährt zu werden brauche, wird für das Gericht auch dadurch belegt, dass in dem Schreiben vom 1. Juli 2021 ausgeführt wurde, dass kein berechtigtes Interesse an einer Akteneinsicht begründet worden sei.
Das Gericht hat bei seiner Entscheidung auch gewürdigt, dass der Antragsgegner zwar in der Konkurrentenmitteilung vom 20. Mai 2021 weder den Namen des ausgewählten Bewerbers noch die maßgeblichen Gründe für die Auswahlentscheidung angab, jedoch in der E-Mail vom 26. Mai 2021 ergänzende Ausführungen machte. Zwar wurde auch hier der Name des Beigeladenen nicht genannt, zumindest wurde aber der wesentliche Grund für die Nichtberücksichtigung des Antragstellers, namentlich die umfassenderen Kenntnisse und Qualifikationen in den geforderten Bereichen des Beigeladenen, aufgeführt.
Jedoch konnte der Antragsteller auch auf dieser Grundlage keine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs vornehmen, zumal auch weiterhin der Name des Beigeladenen nicht angegeben wurde.
Vor diesem Hintergrund war es zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes aus Sicht des Antragstellers nötig, einen Antrag nach § 123 VwGO bei Gericht zu stellen, da andernfalls eine Verwirkung der Rechte des Antragstellers gedroht hätte, da auch bei Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages eine Rückgängigmachung nicht mehr ohne weiteres möglich wäre (OVG SH, B.v. 11.12.2014 – 2 MB 28/14 – juris Rn. 5; (VG Ansbach, B.v. 25.11. 2020 – AN 1 E 20.01504 – juris Rn. 193).
Der Bevollmächtigte des Antragsstellers hat die beantragte Akteneinsicht erst im gerichtlichen Verfahren erhalten. Er hat nach Erlangung der Akteneinsicht im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens das Verfahren umgehend und vorbehaltlos beendet (VG Würzburg, B.v. 17.5.2019 – W 1 E 19.489 – juris Rn. 37), sodass davon ausgegangen werden kann, dass das Verschulden des Antragsgegners kausal für die entstandenen Verfahrenskosten ist.
Dabei ist es unschädlich, dass der Antrag nicht bereits in dem Schreiben vom 23. Juni 2021, sondern erst zwei Tage später mit Schreiben vom 25. Juni 2021 zurückgenommen wurde. Ein derart kurzer Zeitraum steht einer umgehenden Antragsrücknahme nicht entgegen, da diesbezüglich zu berücksichtigen ist, dass der Bevollmächtigte des Antragstellers insbesondere die materielle Rechtslage zu prüfen und auch mit dem Antragsteller zu besprechen hat, was vorliegend innerhalb einer Woche nach Versand der Behördenakte erfolgt ist.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 GKG. Danach beträgt der Streitwert ein Viertel der für ein Kalenderjahr in dem angestrebten (funktionellen oder statusrechtlichen) Amt zu zahlenden Bezüge, ausgehend von einem funktionellen Amt der Besoldungsgruppe A 8, mithin 8.961,54 EUR (1/4 von 35.846,14 EUR; vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2018 – 3 CE 17.2188 – juris; B.v. 24.10.2017 – 6 C 17.1429 – juris).


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