Verwaltungsrecht

Leistungen aus Betriebsschließungsversicherung nach behördlicher Maßnahme wegen der Corona-Pandemie

Aktenzeichen  21 O 281/20

Datum:
15.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29047
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 6, § 7
BGB § 307

 

Leitsatz

Es besteht kein Anspruch auf Zahlung für Betriebsausfall wegen Corona-Maßnahmen bei einer Betriebsschließungsversicherung aus der Zeit vor Bekanntwerden von Corona und namentlicher Aufzählung der versicherten Krankheiten. (Rn. 13 – 15)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf 199.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für den streitgegenständlichen Betriebsausfall während der Corona-Pandemie, weil hierfür kein Versicherungsschutz vereinbart ist.
Bei Auslegung der vorliegenden Versicherungsbedingungen, in denen die versicherten Krankheiten und Krankheitserreger in einem umfangreichen Katalog namentlich genannt werden, besteht nach Auffassung des Einzelrichters aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, der die Versicherungsbedingungen aufmerksam liest und verständig – unter Abwägung der Interessen der Beteiligtenkreise und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges – würdigt, Versicherungsschutz nur für Betriebsschließungen aufgrund der in den Versicherungsbedingungen genannten Krankheiten und Krankheitserreger (vgl. zum Auslegungsmaßstab Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., Einleitung Rn. 216). Maßgeblich für die Auslegung ist dabei in erster Linie der Klauselwortlaut (ebenda).
Wie der Versicherungsnehmer dem Versicherungsschein (Seite 3 der Anlage K1) unter dem Stichwort „Vertragsgrundlagen“ entnehmen kann, richten sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten für den Versicherungsvertrag nach dem Antrag, den gesetzlichen Bestimmungen, den nachfolgend vereinbarten Informationen, Mitteilungen, Besonderen und Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie den weiteren Bestimmungen im Versicherungsschein. Im Abschnitt C (Anlage K2) ist die Betriebsschließungsversicherung in neun Ziffern geregelt. In Ziffer 1 ist die Betriebsschließung geregelt, wobei diese in Ziffer 1.1 eine Entschädigungsleistung bei einen Tätigwerden der zuständigen Behörde für fünf verschiedene Unterpunkte (Buchstaben a bis e) allgemein regelt und dem im Vorspann benutzten Passus „Meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger“ im Unterpunkt 1.2 näher definiert sowie in Ziffer 1.3 bestimmt, was nicht versichert ist. Aus dieser Systematik wird für den verständigen Versicherungsnehmer deutlich, dass Ziffer 1.2 nicht eine Einschränkung der Ziffer 1.1 darstellt, wie der Kläger meint, sondern eine Konkretisierung des Versicherungsumfangs, während Ziffer 1.3 Ausschlüsse in Gestalt nicht versicherter Sachen enthält.
Die Versicherungsbedingung 1.2 definiert „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen“ als „die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“, wobei nach insoweit unstreitigen Vortrag alle Krankheiten und Krankheitserreger aufgezählt werden, die zum Zeitpunkt des Versicherungsbeginns Ende 2019 im IfSG aufgeführt waren. Der Versicherungsnehmer wird durch diese Regelung zum einen in die Lage versetzt, für den Fall einer behördlichen Anordnung durch einen Abgleich mit den in den Versicherungsbedingungen aufgeführten Krankheiten und Krankheitserregern festzustellen, ob ein Versicherungsfall vorliegen könnte. Zum anderen wird mit dieser Aufstellung der Krankheiten und Krankheitserreger deutlich, dass andere Krankheiten und Krankheitserreger nicht dem Versicherungsschutz unterfallen, insbesondere nicht solche, die nicht namentlich aufgeführt sind und die das IfSG nur aufgrund einer Auffangklausel zur Anwendung kommen lassen und damit auch nicht solche, die bei Versicherungsbeginn in dem Katalog namentlich genannter Krankheiten und Krankheitserreger nicht enthalten sind und erst nachträglich aufgenommen werden. Dem verständigen Versicherungsnehmer wird diese konkrete Beschreibung des Versicherungsschutzes durch enumerative Aufzählung auch unter Würdigung der Interessen der Versicherungswirtschaft gerechtfertigt erscheinen, weil damit die im Vergleich zur möglichen Entschädigung im Einzelfall relativ niedrige Versicherungsprämie kalkulierbar bleibt.
Dass nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers Ziffer 1.2 der Versicherungsbedingungen keine Leistungseinschränkung der Ziffer 1.1 enthält, sondern vielmehr eine Leistungsbeschreibung, hat zur Folge, dass sich die Frage einer Unwirksamkeit von Ziffer 1.2 als unangemessen benachteiligende Einschränkung oder als überraschende Einschränkung des vereinbarten Versicherungsschutzes nicht stellt.
Andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil er unterlegen ist, § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 Satz 1, 2 ZPO.
Der Streitwert folgt aus der geltend gemachten Hauptforderung.


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