Verwaltungsrecht

Mietspiegel, Berufung, Zulassungsgrund, Zulassung, Auslegung, Klage, Immobilie, Berufungsverfahren, Zweifel, Stadtrat, Bedeutung, Verfahren, Tatsachenfrage, Verfahrensfehler, Zulassung der Berufung, ernstliche Zweifel, erstinstanzliche Entscheidung

Aktenzeichen  4 ZB 21.966

Datum:
3.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2005
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 12 K 18.1072 2020-10-08 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger, ein eingetragener Verein zur Interessenvertretung der Haus- und Grundbesitzer in München und Umgebung und selbst Vermieter eines Mehrfamilienhauses in München, wendet sich gegen den Münchner Mietspiegel 2017.
Der Stadtrat der Beklagten beschloss am 1. Juli 2015, für das Jahr 2017 einen neuen Mietspiegel aufzustellen. Mit der Datenerhebung wurde die T-GmbH und mit der Datenanalyse das Institut für Statistik der …-Universität beauftragt. Mit Beschluss vom 15. März 2017 anerkannte der Stadtrat der Beklagten den von diesen erstellten Mietspiegel 2017 als qualifizierten Mietspiegel. Im Juli 2017 beschloss die Beklagte, für das Jahr 2019 einen neuen Mietspiegel erstellen zu lassen. Mit Beschluss vom 20. März 2019 anerkannte der Stadtrat der Beklagten den Mietspiegel 2019 als qualifizierten Mietspiegel.
Bereits am 6. März 2019 hatte der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben mit dem Antrag,
festzustellen, dass es sich bei dem von der Beklagten aufgestellten Mietspiegel für München 2017 nicht um einen qualifizierten Mietspiegel im Sinne des § 558d BGB handelt.
Zur Begründung trug er vor, die gesetzlichen Anforderungen des § 558d Abs. 1 BGB an die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen seien nicht erfüllt. Es werde bestritten, dass die Datenbasis gesetzeskonform ermittelt und zugrunde gelegt und das Ergebnis vollständig, verfahrensfehlerfrei, in der Sache vertretbar und willkürfrei erarbeitet worden sei. Der Verwaltungsrechtsweg sei eröffnet und eine Feststellungsklage statthaft. In der Erstellung und Anerkennung eines qualifizierten Mietspiegels liege schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln. Ein qualifizierter Mietspiegel entfalte Rechtswirkungen. Durch die Mietpreisbremse des § 556d BGB werde die zulässige Miethöhe bei Vertragsschluss an die ortsübliche Vergleichsmiete gebunden, wie sie durch den qualifizierten Mietspiegel wiedergegeben werde. Durch die widerlegliche Vermutung des § 558d Abs. 3 BGB werde die Orientierung an den Wert des Mietspiegels im privaten Rechtsverkehr faktisch erzwungen. Eine Feststellungsklage sei auch ohne konkretes Rechtsverhältnis statthaft und wirke rechtswegübergreifend. Eine generelle Überprüfung des qualifizierten Mietspiegels sei einer Vielzahl von zivilrechtlichen Streitverfahren, die die Gefahr sich widersprechender Ergebnisse bergen würde, vorzuziehen. Der Kläger sei aus Art. 14 Abs. 1 GG klagebefugt und könne nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gegen den Mietspiegel im Klageweg vorgehen.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen; sie sei bereits unzulässig. Die Auslegung eines Mietspiegels unterliege der uneingeschränkten zivilgerichtlichen Nachprüfung. Der Mietspiegel enthalte abstrakte, generelle Angaben der ortsüblichen Vergleichsmieten für allgemein umschriebene Kategorien von Wohnungen. Es handele sich um eine schlicht-verwaltende Tätigkeit ohne bindende Außenwirkung. Die Vermutungswirkung sei nach § 292 ZPO widerlegbar. Ein etwaiges Feststellungsurteil eines Verwaltungsgerichts hätte keine bindende Wirkung für den Zivilprozess über die Miethöhe. Der angegriffene Mietspiegel entspreche den gesetzlichen Vorschriften.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 8. Oktober 2020 ab. Sie sei aus mehreren Gründen unzulässig. Das Anerkenntnis der Beklagten, dass der von ihm in Auftrag gegebene Mietspiegel ein qualifizierter Mietspiegel sei, sei weder Verwaltungsakt nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG noch eine Allgemeinverfügung nach Art. 35 Satz 2 BayVwVfG. Auch eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO sei nicht statthaft. Gegenstand der Feststellungsklage müsse ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, es müsse also die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig sein. Die erhobene Feststellungsklage ziele auf die rechtliche Qualifikation des Verwaltungshandelns als solches ab, die für sich genommen kein Rechtsverhältnis darstelle, das für eine Feststellungsklage erforderlich sei. Der Kläger sei ohnehin nur als Vermieter eines Mehrfamilienhauses in München betroffen. Nur insoweit würden ihm durch das Bestehen eines als qualifiziert anerkannten Mietspiegels von Gesetzes wegen Pflichten auferlegt. Insoweit fehle es dem Kläger nicht nur an der erforderlichen Klagebefugnis, sondern zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil der Mietspiegel 2017 durch den anerkannten Mietspiegel 2019 überholt sei. Der Kläger habe nicht geltend gemacht, dass er mit Blick auf den Mietspiegel 2017 einer bestehenden oder konkret drohenden Streitigkeit um die Miethöhe ausgesetzt sei. Der Kläger habe für seine Vermietungsimmobilie im Stadtgebiet der Beklagten auch nicht dargelegt, dass sich ein etwaiges bestehendes Rechtsverhältnis durch eine bevorstehende Neuvermietung bzw. Mieterhöhung bereits so konkretisiert habe, dass es auf die Anwendung des Mietspiegels ankommen würde. Die in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene, lediglich abstrakte Möglichkeit, dass einer seiner Mieter eine Rückforderung überzahlter Miete nach § 556b Abs. 1 Satz 3 i.V.m. §§ 812 ff. BGB geltend machen könnte, gehe fehl, weil die Mieterschutzverordnung vom 10. November 2015 (GVBl. S. 398) unwirksam gewesen sei.
Gegen das Urteil wendet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Auch der Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) liegt nicht vor. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.
a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 = juris Rn. 17 m.w.N.). Ist ein Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so setzt die Zulassung der Berufung voraus, dass in Bezug auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2016 – 3 B 38.16 u.a. – NVwZ-RR 2017, 266). Ist der geltend gemachte Zulassungsgrund nur bezüglich einer Begründung gegeben, kann diese Begründung nämlich hinweg gedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – BauR 2013, 2011 Rn. 2).
Hieran gemessen ergibt sich durch die Zulassungsbegründung und den ergänzenden Vortrag des Klägers keine Unrichtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht mangels Rechtsschutzbedürfnis des Klägers abgewiesen, sodass es auf die übrigen Entscheidungsgründe und das Vorbringen in der Zulassungsschrift hierzu hier nicht ankommt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage selbstständig tragend (UA S. 12) auch deswegen abgewiesen, weil dem Kläger für seine Klage gegen den Mietspiegel 2017 das Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil der Mietspiegel 2017 wegen des am 20. März 2019 neu anerkannten Mietspiegels 2019 keinerlei Rechtswirkungen für die Immobilie des Klägers in München, von denen er im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG allein betroffen sei, mehr haben könne. Der Kläger habe nicht geltend gemacht, dass er mit Blick auf den Mietspiegel 2017 einer bestehenden oder konkret drohenden Streitigkeit um die Miethöhe – sei es im Rahmen der Mieterhöhung oder der Neuvermietung – ausgesetzt sei.
Der Kläger hat in seiner Zulassungsbegründung vom 23. April 2021 bestätigt, dass derzeit kein zivilgerichtliches Verfahren über den Mietzins seiner im Stadtgebiet der Beklagten gelegenen Wohnungen anhängig sei. Der Mietspiegel 2017 wirke jedoch auch ohne Gerichtsverfahren in der Zivilgerichtsbarkeit um Miethöhen z.B. für einkommensteuer- und wohngeldrechtliche Veranlagungen nach, die den Geltungszeitraum dieses Mietspiegels beträfen. Gerade im Steuerrecht und im Sozialrecht hätten die Gerichte häufig über zeitlich weit zurückliegende Sachverhalte zu entscheiden und müssten zur Berechnung der ortsüblichen Miete den im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Mietspiegel zugrunde legen. Im Sozialrecht sei der qualifizierte Mietspiegel Basisgrundlage für die Mietobergrenzen im SGB II/SGB III z.B. zur Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft sowie für die Höhe des Wohngeldes. Aufgrund der oft langen Verfahrensdauer müsse auf die Werte von älteren Mietspiegeln zurückgegriffen werden. Gleiches gelte für das Steuerrecht. Sowohl im Einkommensteuergesetz als im Bewertungsgesetz werde auf die ortsübliche Miete Bezug genommen. Die Mietwerte qualifizierter Mietspiegel seien im Steuerrecht Entscheidungsgrundlage für die Finanzämter bei der Frage, ob Vermieter bei einer verbilligten Vermietung Werbungskosten ganz oder nur teilweise ansetzen könnten. Somit könne der Mietspiegel 2017 noch mehrere Jahre bis zum Abschluss sämtlicher diesbezüglicher Verfahren Rechtswirkungen entfalten.
Mit diesen Ausführungen werden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Klageabweisung wegen Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses dargelegt. Der Kläger beruft sich in der Zulassungsbegründung lediglich auf abstrakte Sachverhalte aus dem Steuerrecht und dem Bewertungsrecht, legt jedoch nicht dar, dass hinsichtlich seiner Immobilie diesbezüglich noch ein Verfahren offen sei oder zumindest drohen könnte.
Etwaige Ansprüche aus dem Sozialrecht (z.B. Wohngeld) betreffen ohnehin nicht den Kläger, sondern seine Mieter. Soweit der Kläger geltend macht, dass im Einkommensteuerrecht und im Bewertungsrecht auf eine ortsübliche Miete nach einem qualifizierten Mietspiegel zurückgegriffen werde und im Falle einer verbilligten Vermietung im Einkommensteuerrecht (weniger als 66% der ortsüblichen Miete) und im Bewertungsrecht (vgl. § 186 Abs. 2 BewG: 20%ige Abweichung) dann die entsprechend höhere Miete nach dem qualifizierten Mietspiegel angewandt wird, betreffen diese Fälle wohl nicht die klägerischen Wohnungen im Stadtgebiet der Beklagten; jedenfalls hat der Kläger dergleichen nicht dargelegt. Er führt in der Zulassungsbegründung aus, die durchschnittliche Neuvertragsmiete betrage laut städtischem Wohnungsmarktbarometer 2019 Euro 20,37 pro Quadratmeter, die durchschnittliche Bestandsmiete für vergleichbare Wohnungen des Klägers Euro 15,80 pro Quadratmeter. Der Münchner Mietspiegel 2019 weise als durchschnittliche ortsübliche Miete der Wohnungen des Klägers lediglich Euro 12,52 pro Quadratmeter aus. Dass der Kläger Wohnungen mit einem Mietzins unterhalb der im qualifizierten Mietspiegel 2017 ausgewiesenen ortsüblichen Miete vermietet, trägt er weder vor, noch ist das ersichtlich.
Da das Urteil des Verwaltungsgerichts schon aus diesem Grund im Ergebnis richtig ist, kommt es auf das weitere Vorbringen des Klägers in der Zulassungsbegründung zur Geltendmachung ernstlicher Zweifel, das nach der Entscheidung des Senats vom heutigen Tag im Parallelverfahren zum Mietspiegel 2019, Az. 4 ZB 21.967, ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung rechtfertigt, hier nicht an.
b) Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung setzt voraus, dass eine konkrete, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert wird, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung (entscheidungserheblich) war, deren Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und der eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72).
Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob es trotz der geänderten, nämlich gesteigerten (Vermutungs-) Wirkung qualifizierter Mietspiegel gemäß § 558d Abs. 3 BGB bei der älteren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Ausschluss einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle von Mietspiegeln nach altem Recht bleiben soll.
Diese Frage war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Es hat selbstständig tragend auch darauf abgestellt, dass dem Kläger für seine Klage gegen den Mietspiegel 2017 das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil der Mietspiegel 2017 keine Rechtswirkungen für seine Immobilie in München mehr haben kann.
c) Die Berufung ist auch nicht wegen der in der Zulassungsschrift angesprochenen Verfahrensfehler zuzulassen.
Der Kläger trägt vor, es sei nicht auszuschließen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf Verfahrensmängel beruhe. So sei insbesondere zweifelhaft, ob die Entscheidung noch auf der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2020 beruhe. Zum einen sei das vollständige Urteil mit Gründen erst wenige Tage vor Ablauf der Fünf-Monats-Frist zugestellt worden. Zum anderen sei die Vorsitzende Richterin, die die mündliche Verhandlung noch geleitet habe, wegen Eintritts in den Ruhestand an der Unterschriftleistung gehindert gewesen. Ob sie an der Abfassung der Entscheidungsgründe überhaupt noch mitgewirkt habe, könne vom Kläger nicht beurteilt werden.
Mit diesen Ausführungen wird kein Verfahrensfehler dargelegt im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass ein bei seiner Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil als nicht mit Gründen versehen gilt, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind (BVerwG, B.v. 3.5.2004 – 7 B 60.04 – juris Rn. 4; U.v. 10.11.1999 – 6 C 30.98 – BVerwGE 110, 40, 47; zurückgehend auf Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, B.v. 27.4.1993 – GmS-OGB 1/92 – BVerwGE 92, 367 = juris). Dasselbe ist in den Fällen des § 116 Abs. 2 VwGO anzunehmen, in denen das Urteil anstelle der Verkündung zugestellt wird (BVerwG, B.v. 3.5.2004 – 7 B 60.04 – juris Rn. 4; B.v. 11.6.2001 – 8 B 17.01 – Buchholz 310 § 116 VwGO Nr. 26; B.v. 20.9.1993 – 6 B 18.93 – Buchholz 310 § 116 VwGO Nr. 21).
Die Frage, ab wann die Fünfmonatsfrist des § 117 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 VwGO zu laufen beginnt, wenn ein Fall des Verkündungsersatzes nach § 116 Abs. 2 VwGO gegeben ist, wird unterschiedlich beantwortet (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2019 – 13a ZB 18.32206 – juris Rn. 5 f.). Hier kann offenbleiben, ob die Frist ab der mündlichen Verhandlung, ab der Niederlegung des Urteils oder erst nach Ablauf der gesetzlichen Zweiwochenfrist für die Niederlegung zu laufen beginnt, weil die Fünf-Monats-Frist hier jedenfalls beachtet wurde. Die mündliche Verhandlung war am 8. Oktober 2020. Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten des Klägers mit Postzustellungsurkunde am 5. März 2021 zugestellt.
Ein Verfahrensfehler ergibt sich auch nicht daraus, dass die Vorsitzende Richterin, die die mündliche Verhandlung geleitet hat, die Entscheidungsgründe nicht unterschrieben hat. Sie hat jedenfalls an dem Urteil mitgewirkt, wie der von ihr unterschriebene Tenor der Entscheidung vom 8. Oktober 2020 belegt. Es ist rechtlich ohne Bedeutung, inwiefern sie an der Abfassung der Entscheidungsgründe noch mitgewirkt hat. Sie war jedenfalls nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt nicht mehr in der Lage, die Entscheidungsgründe zu unterschreiben. Für diesen Fall sieht das Gesetz in § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Anbringung eines Verhinderungsvermerks vor. Der entsprechende Vermerk vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil wurde angebracht. Dieser Verhinderungsvermerk ersetzt die fehlende Unterschrift (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, § 117 Rn. 28).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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