Verwaltungsrecht

Mindestanforderungen der Darlegung innerhalb der Frist, Ankündigung eines Privatgutachtens

Aktenzeichen  3 ZB 19.2426

Datum:
19.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9501
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 1 K 19.1083 2019-10-24 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 37.853,56 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der geltend gemachte Berufungszulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht den Anforderungen der Vorschrift entsprechend dargelegt worden.
Innerhalb der Begründungsfrist für den Zulassungsantrag ist der Kläger mit dem am letzten Tag der Frist eingereichten Schriftsatz vom 7. Januar 2020 über die Behauptung des genannten Zulassungsgrunds, eine Wiederholung des Sachverhalts und seines erstinstanzlichen Vortrags nicht hinausgekommen. Er räumt ein, dass die Argumentation des Verwaltungsgerichts, dass die umfangreichen Tätigkeiten des Klägers im sportlichen Bereich und seine sonstigen ehrenamtlichen Tätigkeiten mit den Anforderungen an einen Berufsbeamten nicht vergleichbar seien, zutreffend sein könne. Daran schließt er die Behauptung, dass die umfangreichen Tätigkeiten des Klägers ein eindeutiges Zeichen dafür seien, dass die Feststellungen der medizinischen Begutachtung nicht richtig sein könnten. Er moniert, dass die nach dem Reaktivierungsantrag eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen nicht auf neuerlichen Untersuchungen beruhten, sondern sich explizit auf die Untersuchungen im Jahr 2012 bezögen. Der Kläger habe nunmehr die Begutachtung durch einen Facharzt für Neurologie in Auftrag gegeben.
Damit setzt der Kläger seine Sachverhaltswürdigung an die Stelle der richterlichen Überzeugungsbildung, ohne tatsächliche oder rechtliche Fehler in der Tatsachenwürdigung des Verwaltungsgerichts aufzuzeigen. Das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert eine substantiierte Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen oder aufbereitet wird. Dies kann regelmäßig nur dadurch erfolgen, dass konkret auf die angegriffene Entscheidung bezogen aufgezeigt wird, was im Einzelnen und warum dies als fehlerhaft erachtet wird. Eine Bezugnahme auf früheren Vortrag genügt dabei nicht. Werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gerade hinsichtlich einer Tatsachenwürdigung geltend gemacht, gelten besondere Anforderungen an die Darlegung. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Verwaltungsgericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es ist bei der Würdigung aller erheblichen Tatsachen – nicht nur des Ergebnisses einer gegebenenfalls durchgeführten förmlichen Beweisaufnahme, sondern auch des Inhalts der Akten, des Vortrags der Beteiligten, eingeholter Auskünfte usw. – frei, d. h. nur an die innere Überzeugungskraft der in Betracht kommenden Gesichtspunkte und Argumente, an die Denkgesetze, anerkannten Erfahrungssätze und Auslegungsgrundsätze gebunden. Ist das Gericht unter umfassender Würdigung des Akteninhalts und der Angaben der Beteiligten (sowie gegebenenfalls des Ergebnisses einer Beweisaufnahme) zu der Überzeugung gelangt, dass entscheidungserhebliche Tatsachen vorliegen oder nicht, können ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung nicht schon durch die Darlegung von Tatsachen hervorgerufen werden, die lediglich belegen, dass auch eine inhaltlich andere Überzeugung möglich gewesen wäre oder dass das Berufungsgericht bei einer Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach Aktenlage (für die Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht fehlt dem Berufungsgericht im Zulassungsverfahren ohnehin regelmäßig der im Einzelfall wesentliche persönliche Eindruck von den Beteiligten und Zeugen) zu einem anderen Ergebnis gelangen könnte. Vielmehr bedarf es der Darlegung erheblicher Fehler bei der Tatsachen- oder Beweiswürdigung, die etwa dann vorliegen können, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen Denkgesetze verstoßen oder gesetzliche Beweisregeln missachtet hat (vgl. zum Ganzen, VGH BW, B.v. 30.7.2015 – 4 S 2131/14 – BeckRS 2016,47273 Rn. 3 m.w.N.).
Ohne substantiierte Darlegung eines Zulassungsgrunds ist der Zulassungsantrag unzulässig. Eine „Ergänzung“ nach Ablauf der Begründungsfrist ist dann nicht mehr möglich, weil eine solche Ergänzung das Vorliegen fristgerechter Ausführungen mit ergänzungsfähigem Inhalt voraussetzt (Roth in Posser/Wolff BeckOK VwGO, Stand: Jan. 2021, § 124a Rn. 71 m.w.N.). Das bloße Ankündigen eines Privatgutachtens ist für sich genommen nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Feststellungen zu wecken. Es ist nicht vergleichbar mit dem Hinweis auf während der Begründungsfrist des Zulassungsantrags erkennbar werdende künftige Änderungen der Rechts- oder Tatsachenlage, die bereits mit dem Hinweis eine Beurteilung des Vorliegens eines Zulassungsgrunds erlauben. Mit der bloßen Ankündigung einer Gutachtenserstellung wird keine Änderung der Tatsachenlage glaubhaft gemacht; die spätere Gutachtensvorlage bestärkt dementsprechend nicht bereits dargelegte tatsächliche ernsthafte Zweifel, sondern stellt der Sache nach den Vortrag eines neuen selbständigen Zulassungsgrunds dar (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 53). Etwaige durch die Gutachtensvorlage geweckte Zweifel sind nicht innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt worden (vgl. BVerwG, B.v. 15.3.2003 – 7 AV 2.03 – juris Rn. 11).
Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Erörterung, ob die Einwände des Beklagten gegen das Gutachten durchgreifen oder ob diese Einwände durch die Stellungnahme des Gutachters vom 3. März 2020 widerlegt werden konnten. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass das Gutachten nicht klarstellt, welche Unterlagen vorab übersandt wurden (Seite 2 Nr. 6).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 6 GKG (wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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