Verwaltungsrecht

Mitwirkungsobliegenheit des Prüflings

Aktenzeichen  AN 2 K 18.01793

Datum:
26.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 35006
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 70 Abs. 1 S.1, § 113 Abs. 1 S. 1
ZPO § 708 Nr. 11, § 711, § 713

 

Leitsatz

1. Die zulässige Klage gegen den Bescheid über das endgültige Nichtbestehen eine Prüfung ist unbegründet.  (Rn. 33 und 36 – 56) (redaktioneller Leitsatz)
2. Trotz Verfristung des Widerspruchs gem. § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist die Klage zulässig, da die Widerspruchsbehörde ihren Bescheid materiell begründet und dadurch die Klagemöglichkeit wiedereröffnet hat (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 70 Rn. 8 m.w.N.).  (Rn. 34 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Klage ist unbegründet. Das endgültige Nichtbestehen der Prüfung hat der Kläger durch sein Nichterscheinen zu den Wiederholungsprüfungen zu vertreten, da er seiner Informationsbeschaffungspflicht und seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist.  (Rn. 37 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Prüfungsbehörde hat Informationen so bereitzustellen, dass sich der Prüfling diese in zumutbarer Art und Weise beschaffen kann (Informationsbereithaltungspflicht). Der Prüfling hat die Obliegenheit sich Kenntnis über die entsprechende Prüfungsordnung zu verschaffen und am Prüfungsverfahren mitzuwirken (Informationsbeschaffungspflicht). Damit besteht keine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger förmlich oder postalisch zu Wiederholungsprüfungen zu laden. Würde dies angenommen, dann verkehrt sich die Informationsbereithaltungspflicht in eine „Informierungspflicht“ bei gleichzeitiger Reduzierung der Informationsbeschaffungsobliegenheit auf „Null“. Der Kläger hätte sich über die von der Beklagten bereitgestellten Internetprotale informieren müssen. Dies gilt auch für die Pflichtanmeldungen zur Prüfung seitens der Beklagten. Zu den Mitwirkungspflichten zählt auch die Änderungsmitteilung über die eigene E-Mail-Adresse.  (Rn. 43 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
5. Der Kläger hätte sich auch informieren müssen, dass das Prüfungsrechtsverhältnis rechtlich vom Statusverhältnis der Immatrikulation bzw. Exmatrikulation zu trennen ist und damit eine Exmatrikulation nicht auf das Prüfungsrechtsverhältnis wirkt.  (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
6. Ausbildungsmängel, etwa der Nichtzugang zu Ausbildungsmaterialien aufgrund der Exmatrikulation führen grundsätzlich nicht zur Rechtswidrigkeit einer Prüfungsentscheidung (Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 388a), insbesondere wenn der Prüfungsstoff eigenständig erarbeitet werden muss.  (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
7. Es besteht kein Anspruch auf weitere Wiederholungsprüfungen. Die Beschränkung auf insgesamt drei Prüfungsversuche ist als Eingriff in die Berufsfreiheit des Klägers gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 101 BV gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig. Der Widerspruch des Klägers ist nicht als Erklärung des (nachträglichen) Prüfungsrücktritts auszulegen, da dieser unverzüglich geltend zu machen wäre und  auch kein zum Rücktritt berechtigender triftiger Grund vorliegt. (Rn. 52 – 55) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen den Bescheid über das endgültige Nichtbestehen (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) zulässig, obwohl die einmonatige Widerspruchsfrist aus § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht eingehalten ist. So wurde dem Kläger der angegriffene Bescheid über das endgültige Nichtbestehen am 16. Februar 2018 zugestellt. Hiergegen hat er erst mit Eingang bei der Beklagten am 2. Mai 2018, also nicht binnen Monatsfrist, Widerspruch erhoben. Entsprechend hatte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 15. Juni 2018 zutreffend darauf aufmerksam gemacht, sein Widerspruch sei nicht fristgemäß eingelegt und ihm unter Fristsetzung Gelegenheit zur Widerspruchsrücknahme gegeben.
Dennoch steht hier die Verfristung des Widerspruchs der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Dann für den Fall, dass die Widerspruchsbehörde trotz Verfristung des Widerspruchsbescheids mit ihrem Widerspruchsbescheid in der Sache entscheidet, ist anerkannt, dass hierdurch die Klagemöglichkeit gegen den Bescheid wiedereröffnet wird (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 70 Rn. 8 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Denn die Beklagte hat den Widerspruchsbescheid ausdrücklich nicht mit Zulässigkeitserwägungen, sondern materiell begründet. Die ggf. unzutreffende Begründung, der Kläger habe – trotz des vorherigen Hinweises auf die Verfristung – auf eine Entscheidung in der Sache vertrauen dürfen, ändert jedenfalls nichts daran, dass die Zurückweisung des Widerspruchs tatsächlich in der Sache erfolgte und damit die Klagemöglichkeit neu eröffnet wurde.
Die Klage ist aber unbegründet.
Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. August 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
§ … L. (Studien- und Prüfungsordnung …) sieht vor, dass nicht bestandene Prüfungen der Grundlagen- und Orientierungsprüfung einmal, alle übrigen Prüfungen zweimal wiederholt werden können. Wiederholungsmöglichkeiten darüber hinaus sieht die bezeichnete Prüfungsordnung nicht vor, insbesondere keine Härtefallregelung. Nach § …L. müssen Wiederholungsprüfungen zum nächstmöglichen Termin, spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des ersten Prüfungsergebnisses abgelegt werden. Für den Fall, dass eine Wiederholung in dieser Frist nicht angeboten wird, bestimmt § …L., dass ein anderes Modul angegeben wird, in dem die Wiederholung ersatzweise stattfindet. Gemäß § …L. gelten Studierende bei Nichtbestehen einer Prüfung zum nächsten Wiederholungsversuch als angemeldet. Schließlich bestimmt § …L., dass bei Versäumung der Wiederholung oder der Wiederholungsfrist die Prüfung als nicht bestanden gilt, sofern der Prüfungsausschuss der Studierenden oder dem Studierenden nicht wegen besonderer, nicht selbst zu vertretender Gründe eine Nachfrist gewährt.
Danach erweist sich der angegriffene Bescheid über das endgültige Nichtbestehen als rechtmäßig. Denn der Kläger hat alle rechtlich vorgesehenen und möglichen Prüfungsversuche betreffend die Prüfung „Vorlesung …“ erfolglos ausgeschöpft.
Zunächst hat der Kläger – als solches unstreitig – seinen Erstversuch der Prüfung „Vorlesung …“ im Wintersemester 2016/2017 nicht bestanden und ist zu den beiden nach der Prüfungsordnung vorgesehenen Wiederholungsversuchen am 12. Oktober 2017 und 6. Februar 2018 nicht erschienen. Auch ist das Bestehen der bezeichneten Prüfung unstreitig Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss des klägerischen Studiengangs.
Auch gilt hier das Nichterscheinen des Klägers zu den Wiederholungsprüfungen am 12. Oktober 2017 und 6. Februar 2018 gemäß § …L. als Nichtbestehen der Prüfung. Denn es liegen keine von dem Kläger im Sinne der genannten Vorschrift nicht zu vertretenden Gründe vor, die zu einer Nachfrist oder weiteren Wiederholungsprüfung hätten führen können.
Zunächst führt der Umstand, dass der Kläger zu den Wiederholungsprüfungen weder förmlich noch postalisch geladen wurde, nicht dazu, dass er sein Ausbleiben zu den Prüfungen nicht zu vertreten hätte.
Anerkannt ist, dass es dem Prüfling obliegt, sich über den Inhalt der maßgeblichen Prüfungsordnung Kenntnis zu verschaffen. Die ordnungsgemäße Veröffentlichung der Prüfungsordnungen vorausgesetzt kann davon ausgegangen werden, dass die fraglichen Regelungen allgemein bekannt sind (Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018 Rn. 179). Aus der Fürsorgepflicht der Prüfungsbehörde kann allerdings eine Verpflichtung folgen, zusätzliche Informationen zur Verfügung zu stellen. Jedoch obliegt es dem Prüfling, an dem Prüfungsverfahren mitzuwirken, sodass er gehalten ist, sich in der für ihn zumutbaren Weise zu informieren, welche Anforderungen für ihn gelten. Insbesondere obliegt es dem Prüfling, sich darum zu bemühen, ob an dem üblichen Ort in der üblichen Weise Informationen bereitgehalten werden, wenn im Verlauf des Prüfungsgeschehens mit für ihn wichtigen Bekanntmachungen der Prüfungsbehörde zu rechnen ist (vgl. Jeremias a.a.O.). Diese führt im Grundsatz letztlich zu einem Zusammenspiel von Pflichten der Prüfungsbehörde einerseits und Obliegenheiten des Prüflings anderseits, wonach einerseits die Prüfungsbehörde verpflichtet ist, die maßgeblichen Informationen etwa zum Prüfungsgeschehen so bereitzustellen, dass sich der Prüfling diese in zumutbarer Art und Weise beschaffen kann, und es andererseits dem Prüfling obliegt, sich diese bereitgehaltenen Informationen auch tatsächlich zu beschaffen. Entstehen aufgrund eines Informationsdefizits Mängel im Prüfungsverfahren, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu werten, wer hierfür die Verantwortung trägt (vgl. Jeremias a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze trägt hier der Kläger die Verantwortung für seine geltend gemachte Unkenntnis von den Terminen der Wiederholungsprüfungen. Es bestand keine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger förmlich oder postalisch zu den fraglichen Wiederholungsprüfungen zu laden. Vielmehr oblag es dem Kläger, an dem Prüfungsverfahren mitzuwirken und sich mit Hilfe der Internetplattform „…“ über das Prüfungsgeschehen zu informieren. Denn mit dem Zusammenspiel aus Informationsbereithaltungspflichten der Prüfungsbehörde und Informationsbeschaffungsobliegenheiten des Prüflings wäre es hier unvereinbar, eine Verpflichtung der Beklagten dahingehend anzunehmen, Prüflinge zu Wiederholungsprüfungen förmlich oder postalisch laden zu müssen. Denn auf diese Weise würden sich die beschriebenen Pflichten einerseits und Obliegenheiten andererseits rechtlich gänzlich zum Nachteil der Beklagten verschieben, so dass nicht mehr von einem Zusammenspiel gesprochen werden könnte. Vielmehr würde sich die Informationsbereithaltungspflicht der Beklagten zu einer „Informierungspflicht“ bei gleichzeitiger Reduzierung der Informationsbeschaffungsobliegenheit auf „Null“ wandeln. Zwar mag eine – wenn auch formlose – Ladung zu einer Prüfung erforderlich sein, sofern der Prüfungsbehörde sonst keine (zumutbaren) Informationskanäle zu den Prüflingen zur Verfügung stehen. Zu denken ist etwa an die Ladung staatlicher Behörden zu Staatsexamina. Hier steht aber mit der Prüfung „Vorlesung …“ eine universitäre Prüfung in Frage, wobei die beklagte Universität als Informationskanal für ihre Studierenden unstreitig das Internetportal „…“ verwendet. Dass es sich hierbei nicht um die grundsätzlich übliche, etablierte Art und Weise der Informationsvermittlung zwischen … und Studierenden handelt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Mit Hilfe des Internetportals können sich unstreitig auch exmatrikulierte Studenten insbesondere über anstehende Prüfungen informieren. In Gestalt des Portals ist die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Informationsbereitstellung nicht nur ausreichend, sondern für ihre Studierende besonders komfortabel nachgekommen. So beschränkt sich die Beklagte nicht auf Aushänge, Anschläge, schwarze Bretter o.Ä., sondern stellt jedem Studierenden über das bezeichnete Portal individualisiert eine Übersicht insbesondere hinsichtlich anstehender Prüfungen zur Verfügung. Diese Übersicht ist darüber hinaus weder ortsgebunden noch ist ihre Verfügbarkeit durch Öffnungszeiten beschränkt. Vielmehr kann sie jederzeit komfortabel von jedem Internetanschluss weltweit abgerufen werden. Spiegelbildlich beschränkt sich die Informationsbeschaffungsobliegenheit der Studierenden lediglich darauf, das Internetportal auch regelmäßig zu nutzen. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder ersichtlich, warum dies insbesondere dem Kläger nicht zumutbar gewesen sein sollte. Vielmehr hätte er bei regelmäßiger Nutzung des Portals zuverlässig sowohl von den anstehenden Wiederholungsprüfungen als solchen, als auch von den entsprechenden Prüfungsterminen erfahren.
Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass es sich bei den fraglichen Prüfungen um solche handelte, zu denen der Kläger seitens der Beklagten pflichtangemeldet wurde. Zwar geht bei solchen Prüfungen die Initiative zur Anmeldung gerade nicht von dem Prüfling aus, so dass er nicht schon aufgrund „aktiver“ Anmeldung zu einer Prüfung mit ggf. bereits feststehendem Termin unmittelbar den Zeitpunkt der Prüfung erfährt. Jedoch ist auch insoweit nicht ersichtlich, warum es dem Kläger nicht zumutbar gewesen sein sollte, sich in regelmäßigen Abständen mit Hilfe des Internetportals „…“ über anstehende Pflichtanmeldungen zu Wiederholungsprüfungen zu informieren. Dies gilt umso mehr, als der Kläger gerade im Zeitraum nach dem Nichtbestehen seines Erstversuchs auch zeitnah mit Wiederholungsprüfungen rechnen musste, zu denen er pflichtangemeldet werden würde. Denn aufgrund der Sechsmonatsfrist aus § …L. musste dem Kläger bewusst sein, dass „die Wiederholungsprüfungen“ – also beide nach der Prüfungsordnung vorgesehenen Wiederholungsprüfungen – binnen sechs Monaten nach der Bekanntgabe des Ergebnisses des Erstversuchs stattfinden und entsprechend in das Portal „…“ zu seiner Kenntnisnahme eingestellt würden. Bestätigt wird dies dadurch, dass dem Kläger offenbar auch die Kenntnisnahme des ersten Wiederholungstermins am 25. Juli 2017 möglich war, da sonst sein ordnungsgemäßer Prüfungsrücktritt betreffend diesen Termin kaum erklärbar wäre. Überdies hätte es dem Kläger freigestanden, sich etwa an kompetenter Stelle des Prüfungsamts darüber zu informieren, wann die fraglichen Wiederholungsprüfungen stattfinden bzw. wann diese in das Internetportal „…“ eingestellt würden.
Nach alledem oblag dem Kläger die regelmäßige Nutzung des Internetportals „…“ bereits deswegen, weil ihm die entsprechende Nutzung ohne weiteres zumutbar war und es sich hierbei um die übliche, etablierte Art und Weise der Informationsvermittlung zwischen … und Studierenden handelte.
Offen bleiben kann deshalb, ob und ggf. inwieweit zusätzlich aus der Immatrikulationssatzung der Beklagten eine Obliegenheit des Klägers folgte, das Internetportal „…“ – ggf. auch im Zeitraum seiner Exmatrikulation – zu nutzen. Insoweit enthält die Immatrikulationssatzung der Beklagten erstmals mit Änderungsatzung … – also erst nach Immatrikulation des Klägers – mit § … eine Vorschrift, wonach sich die Studierenden „[M]it der Immatrikulation“ damit einverstanden erklären, dass die Kommunikation in Bezug auf das Studium und die mit der Mitgliedschaft an … einhergehenden Rechte und Pflichten über von der Beklagten bereitgestellte elektronische Mittel stattfinden können, insbesondere über die von der Universität bereitgestellten Portale zur Prüfungsverwaltung.
Auch der Umstand, dass der Kläger nach eigenem Vortrag seine E-Mail-Adresse geändert und ihn deshalb ggf. E-Mails insbesondere der Mitarbeiterin … nicht erreicht haben, stellt keinen nicht selbst zu vertretender Grund für eine Nachfrist bzw. weitere Wiederholungsprüfung im Sinne von § …L. dar. Die Änderung einer E-Mail-Adresse ohne Änderungsmitteilung gegenüber der Beklagten ist vielmehr ein Umstand, den allein der Kläger zu vertreten hat. Denn diese Änderung seiner elektronischen Erreichbarkeit geht alleine auf ihn zurück. Auch die daraus resultierenden Folgen fallen alleine in seinen Verantwortungsbereich, da es sich dem Kläger zumindest aufdrängen musste, dass die Beklagte ohne sein Zutun keine Kenntnis von seiner neuen E-Mail-Adresse haben konnte. Zudem stellt auch die Änderung der E-Mail-Adresse in keiner Weise die Möglichkeit und Obliegenheit des Klägers in Frage, sich regelmäßig mit Hilfe des Internetportals „…“ über anstehende Prüfungen zu informieren.
Ein nicht selbst zu vertretender Grund mit Blick auf eine Nachfrist bzw. weitere Wiederholungsprüfung (im Sinne von § …L…) liegt auch nicht darin, dass der Kläger geltend macht, er sei davon ausgegangen, er könne aufgrund seiner Exmatrikulation Ende des Wintersemester 2017/2018 erst wieder im Sommersemester 2018 an Wiederholungsprüfungen teilnehmen. Dieser Annahme steht rechtlich entgegen, dass das mit Prüfungszulassung entstehende Prüfungsrechtsverhältnis unabhängig von dem Statusverhältnis der Immatrikulation bzw. Exmatrikulation zu beurteilen ist. Beide Rechtsverhältnisse sind grundsätzlich voneinander unabhängig. Insbesondere berührt die Exmatrikulation nicht das Prüfungsrechtsverhältnis. Entsprechend kann ein drohender Misserfolg in Prüfungen nicht durch eine „Flucht in die Exmatrikulation“ abgewendet werden (so zum Ganzen Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018 Rn. 16). Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Differenzierung einem rechtlichen Laien ohne weiteres bewusst ist. Jedoch ist die Beklagte auch insoweit ihrer Informationspflicht nachgekommen. Denn der Exmatrikulationsbescheid enthält ausdrücklich den Hinweis, der Kläger werde gebeten zu beachten, dass die Exmatrikulation „bei nicht bestandenem Prüfungsversuch u.U. nicht von der Pflicht entbindet, (weitere) Wiederholungsprüfungen abzulegen“. Insoweit möge sich der Kläger bei Fragen an das Prüfungsamt wenden. Soweit der Kläger im Widerspruchsverfahren noch geltend gemacht hatte, ihm sei gesagt worden, er könne „bei Bezahlung seine Pflichtprüfungen ablegen“, ist sein Vortrag zum einen unsubstantiiert geblieben. Zum anderen hat er Entsprechendes im Klageverfahren nicht mehr geltend gemacht.
Auch der Umstand, dass der Kläger nach seiner Exmatrikulation keinen Zugriff mehr auf die Internetplattform „…“ bzw. Vorlesungsfolien gehabt hatte, stellt keinen von dem Kläger nicht zu vertretenen Grund im Sinne von § …L. dar. So ist nach dem klägerischen Vortrag schon nicht davon auszugehen, dass sich dieser Umstand kausal auf das Nichterscheinen zu den Wiederholungsprüfungen ausgewirkt hat. Denn der Kläger macht im Wesentlichen geltend, er habe von den Terminen (ohne eigenes Verschulden) keine Kenntnis gehabt. Es ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger im Fall des Zugangs zu dem Portal „…“ diese Kenntnis erlangt hätte. Entsprechend hätte er die Wiederholungsprüfungen auch dann versäumt, wenn der Zugang zu dem Portal dem Geschehen hinzugedacht wird. Allerdings würde der fehlende Zugang zu dem Portal „…“ auch bei unterstellter Kausalität keinen Umstand darstellen, in dem ein von dem Kläger nicht zu vertretender Grund nach § …L. gesehen werden könnte. Denn in dem fehlenden Zugang läge mangels Verfügbarkeit zu Ausbildungsmaterialien ein geltend gemachter Ausbildungsmangel. Anerkannt ist aber, dass Ausbildungsmängel grundsätzlich nicht zur Rechtswidrigkeit einer Prüfungsentscheidung führen (Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 388a). Mangels Rechtswidrigkeit können danach grundsätzlich auch nicht zu Wiederholungsprüfungen führen. Etwas anders gilt lediglich, sofern die Lehre bzw. Ausbildung nach der Konzeption des Bildungs- bzw. Studiengangs integrierter Bestandteil des Prüfungsvorgangs ist (Jeremias a.a.O.). So liegt der Fall hier aber nicht. Vielmehr zeichnet sich die … Ausbildung hier zumindest im Schwerpunkt dadurch aus, dass es den Studierenden obliegt, sich den Prüfungsstoff eigenverantwortlich anzueignen.
Nach Vortrag des Klägers hat sich schließlich der Verkehrsunfall seiner Mutter am 24. März 2018 ereignet. Da beide Wiederholungsprüfungen bereits zuvor stattgefunden hatten – nämlich am 12. Oktober 2017 und 6. Februar 2018 – können bereits zeitlich betrachtet weder der Verkehrsunfall noch dessen Folgen für das Ausbleiben in den fraglichen Wiederholungsprüfungen ursächlich gewesen sein. Entsprechend scheiden auch insoweit nicht von dem Kläger zu vertretende Gründe nach § …L. aus.
Auch aus höherrangigem Recht – insbesondere dem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG – lässt sich kein Anspruch auf weitere Wiederholungsprüfungen herleiten. Die Beschränkung auf insgesamt drei Prüfungsversuche nach § …L. ist als Eingriff in die Berufsfreiheit des Klägers gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 101 BV gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig. Dass Prüfungen innerhalb eines Studiums nicht endlos wiederholt werden können, dient zum einen dazu, die Eignung der Studierenden für einen bestimmten Beruf feststellen zu können, und zum anderen, dem Interesse der Allgemeinheit, dass begrenzte Ausbildungsressourcen für solche Studierende genutzt werden sollen, die ihre Qualifikation in den von der Prüfungsordnung vorgesehenen Prüfungen bzw. Prüfungswiederholungen nachweisen können (vgl. zu letzterem Gesichtspunkt Niehues/ Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 769). Zwar stellen Prüfungen zwangsläufig lediglich Stichproben der Fähigkeiten eines Prüflings zu einem bestimmten Zeitpunkt – dem der Prüfungsleistung – dar. Dabei ist die Aussagekraft einer einzelnen Stichprobe begrenzt (vgl. zum Ganzen OVG Münster a.a.O.; BVerfG, B.v. 14.3.1989 – 1 BvR 1033/82, 1 BvR 174/84 – NVwZ 1989, 850, 853). So mag die Stichprobe zufällig gerade einen Zeitpunkt erfassen, der nicht die durchschnittliche Leistungsfähigkeit des Prüflings widerspiegelt, sondern „Ausreißer“ des Leistungsvermögens nach oben oder unten abbildet. Aus diesem Grund ist die einmalige Wiederholungsmöglichkeit einer Prüfung verfassungsrechtlich geboten, aber auch ausreichend (vgl. BVerwG, B.v. 12.11.1998 – 6 PKH 11.98 – juris Rn. 6; BVerwG, B.v. 7.3.1991 – 7 B 178.90 – juris Rn. 14; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 766, 769). Der Grund für das verfassungsrechtliche Gebot lediglich einer Wiederholungsmöglichkeit liegt grundsätzlich darin begründet, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass sogar zwei – zeitlich zufällige – Stichproben in das Leistungsvermögen des Prüflings jeweils nicht nur „Ausreißer“, sondern zudem noch „Ausreißer nach unten“ abbilden. Schließlich gebieten weder das Grundgesetz noch die Bayerische Verfassung, dass eine Prüfung unbegrenzt wiederholt werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 14.3.1989 – 1 BvR 1033/82 – juris Rn. 96; BayVerfGH, E.v. 27.1.1994 – 14-VII-92 – NVwZ 1994, 503).
Hier geht die einschlägige Prüfungsordnung über die dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben hinaus, indem sie den Studierenden für die hier betroffenen Prüfungen zwei Wiederholungsmöglichkeiten einräumt. Danach ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte nach insgesamt drei Prüfungsgelegenheiten zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger nicht die notwendige Eignung für den gewählten Studiengang und darauf aufbauend später auszuübenden Berufe besitzt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger in den Wiederholungsprüfungen keine Leistungen erbracht hat, sondern zu diesen nicht erschienen ist. Zwar liegen – mangels tatsächlich abgelegter Prüfungen – insoweit keine Stichproben in das Leistungsvermögen des Klägers vor. Jedoch rechtfertigt hier das Allgemeininteresse, begrenzte Ausbildungsressourcen nur für solche Studierende zu nutzen, die ihre Qualifikation in den von der Prüfungsordnung vorgesehenen Prüfungen bzw. Prüfungswiederholungen nachweisen können, den Eingriff in die Berufsfreiheit des Klägers.
Dieser Eingriff ist auch im vorliegenden Einzelfall verhältnismäßig. Hinsichtlich des bezeichneten Allgemeininteresses ist das Mittel der Begrenzung von Prüfungsmöglichkeiten auch vorliegend nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich. Denn jede weitere Wiederholungsmöglichkeit würde das Ziel der effektiven Nutzung begrenzter Ressourcen weniger wirksam verwirklichen. Die Versagung einer weiterer Wiederholungsprüfungen mit der Konsequenz des endgültigen Nichtbestehens ist hier auch angemessen. So ist zunächst zu berücksichtigen, dass dem Kläger – über das verfassungsrechtlich Gebotene hinaus – drei Gelegenheiten eingeräumt wurden, die Prüfung abzulegen. Darüber hinaus ist bereits ausgeführt, dass die nach klägerischem Vortrag ausgebliebene Kenntnisnahme von den Terminen der Wiederholungsprüfungen auf eine Obliegenheitsverletzung des Klägers zurückgeht. Hinzu kommt, dass die Obliegenheitsverletzung ohne nennenswerten Aufwand durch regelmäßige Einsicht in das Internetportal „…“ zu vermeiden gewesen wäre.
Ein Anspruch des Klägers auf weitere Wiederholungsprüfungen ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass der Widerspruch des Klägers als Erklärung des (nachträglichen) Prüfungsrücktritts ausgelegt oder dahingehend umgedeutet werden könnte. Denn jedenfalls wäre ein solcher Rücktritt nicht – wie bereits nach allgemeinen prüfungsrechtlichen Grundsätzen erforderlich – unverzüglich geltend gemacht (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 282 ff.). Vielmehr hätte der Kläger etwaige Rücktrittsgründe schriftlich (§§ …L.) erst verspätet nach Mitteilung des endgültigen Nichtbestehens geltend gemacht. Überdies macht der Kläger nicht geltend, er sei – ggf. krankheitsbedingt – prüfungsunfähig gewesen, sondern im Wesentlichen, er habe von den Terminen der Wiederholungsprüfungen unverschuldet keine Kenntnis gehabt. Da der Kläger seine etwaige Unkenntnis wie ausgeführt selbst zu vertreten hat, läge insoweit auch kein zum Rücktritt berechtigender triftiger Grund gemäß § …L. vor.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1,154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.


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