Verwaltungsrecht

Nachweis der Dichtheit einer Abwässerungsanlage

Aktenzeichen  4 ZB 17.2066

Datum:
4.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11376
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EWS § 29 Abs. 1, Abs. 2, § 30
WHG § 48 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Bei Kanälen, für die – abweichend von der heutigen Rechtslage – zum Zeitpunkt ihrer Errichtung noch keine Dichtheitsprüfung vorgeschrieben war, kann auch ohne konkret nachweisbare Anhaltspunkte für Undichtigkeiten auch im Nachhinein ein Dichtheitsnachweis gefordert werden. (Rn. 14)

Verfahrensgang

M 10 K 16.4718 2017-08-01 GeB VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger wenden sich als Eigentümer eines an eine kommunale Entwässerungsanlage angeschlossenen Grundstücks gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem sie verpflichtet werden, die Dichtheit einer Abwasserleitung (Außengrundleitung) durch ein fachkundiges Unternehmen nachzuweisen bzw. die entsprechenden Handlungen zu dulden.
Ihre Anfechtungsklage wurde mit Gerichtsbescheid vom 1. August 2017 abgewiesen.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Die Beklagte und die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses treten dem Antrag entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht vorliegt.
In der Begründung des Zulassungsantrags wird ein Zulassungsgrund im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO nicht ausdrücklich benannt. Den Ausführungen der Kläger ist aber zu entnehmen, dass sie sich gegen die inhaltliche Richtigkeit der vom Verwaltungsgericht getroffenen Entscheidung wenden und damit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend machen wollen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ihr Vorbringen ist jedoch nicht geeignet, einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 21.1.2009 – 1 BvR 2524/06 – NVwZ 2009, 515/516 m.w.N.).
Die Kläger tragen vor, der angefochtene Bescheid sei auf eine unmögliche Leistung gerichtet, da sich an der im beigefügten Plan gekennzeichneten Stelle keine Abwasserleitung befinde. Wegen fehlender Kenntnis von der Lage der Leitung könne die Beklagte keine konkreten Erkenntnisse über deren Zustand haben; sie trage dazu auch nichts vor. Eine Dichtheitsprüfung für 500 Euro, wie im angefochtenen Bescheid zu lesen, gebe es nicht. Eine DIN-Norm, auf die sich das erstinstanzliche Gericht berufe, sei kein Gesetz, so dass sich daraus keine rechtliche Verpflichtung ergeben könne. Das Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs hätte zunächst eine Abklärung des Zustands der Rohre erfordert, wobei im Falle von Anhaltspunkten für eine Undichtigkeit eine Videokontrolle angesagt gewesen wäre. Die Annahme des Gerichts, eine 1972 baulich noch nicht erforderliche Druckprüfung müsse nunmehr bei allen Anwesen auch ohne konkreten Anlass durchgeführt werden, verstoße gegen das Rückwirkungsverbot. Die Güterabwägung des Gerichts sei abstrakt erfolgt und habe nicht berücksichtigt, dass das Grundwasser vermutlich überhaupt nicht verunreinigt werde. Die Vorschriften bezögen sich auf Mehrfamilienhäuser und nicht auf einen Zwei-Personen-Haushalt. Soweit von dem Gericht eine Abdichtung durch Ablagerungen als mangelhaft betrachtet werde, sei dem nicht zu folgen; durch die Ablagerungen würden die Rohre vielmehr abgedichtet, so dass erst durch die Druckprüfung das Grundwasser gefährdet werde.
Aus diesen Ausführungen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 15. September 2016 zu Recht abgewiesen.
a) Die angegriffene Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 29 Abs. 4 Satz 2 der geltenden Entwässerungssatzung der Beklagten (EWS), wonach bei bestehenden Privatkanälen unabhängig von ihrem baulichen Zustand ein Dichtheitsnachweis verlangt werden kann, wenn sie bisher noch nicht auf Dichtheit geprüft worden sind. Bei der in dem Bescheid bezeichneten Leitung handelt es sich unstreitig um einen Privatkanal (§ 2 Abs. 6 EWS), der seit seiner Errichtung Anfang der 1970er Jahre nicht auf Dichtheit überprüft wurde. Dass ein solcher Nachweis nach der aktuell geltenden Entwässerungssatzung auch für solche Leitungen verlangt werden kann, bei deren erstmaliger Verlegung noch keine entsprechende Verpflichtung galt, berührt nicht das aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende grundsätzliche Rückwirkungsverbot. Die genannte Satzungsregelung zielt nicht auf eine Änderung der Rechtslage für die Vergangenheit, sondern legt fest, unter welchen Voraussetzungen die von der Beklagten betriebene öffentliche Entwässerungseinrichtung von den Eigentümern der angeschlossenen Grundstücke dauerhaft in Anspruch genommen werden kann. Im Rahmen dieses auf unbestimmte Zeit bestehenden öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses steht es der Beklagten frei, geänderten rechtlichen und technischen Anforderungen an die Abwasserbeseitigung auch durch neue Verpflichtungen der Anschlussnehmer fortwährend Rechnung zu tragen.
Der Umstand, dass nach § 29 Abs. 5 Satz 1 EWS Dichtheitsprüfungen durch Wasser- oder Luftdruckprüfungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik, „insbesondere den einschlägigen DIN-Normen und Euro-Normen“, durchzuführen sind, ändert entgegen der Auffassung der Kläger nichts an der Verbindlichkeit der satzungsrechtlich begründeten Handlungsverpflichtung. In dem Verweis auf DIN- und Euro-Normen liegt keine Übertragung der kommunalen Rechtsetzungshoheit auf einen demokratisch nicht legitimierten Normgeber, sondern lediglich eine Verdeutlichung des Inhalts der getroffenen Regelung (vgl. BayVGH, B.v. 26.6.2015 – 4 ZB 15.150 – BayVBl 2016, 168 Rn. 14).
b) Dem angegriffenen Bescheid fehlt es nicht an der nötigen Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Der betroffene Leitungsabschnitt ist in Nr. 1 des Bescheidstenors genau beschrieben („von der Putzöffnung im Gebäudekeller Punkt 30j1 bis inklusive Anbindung an die Sammelgrundleitung Punkt 30j“). Die Bezeichnung der beiden Endpunkte ergibt sich aus einer bei der Errichtung der Anlage im Jahr 1971 der Beklagten vorgelegten Planzeichnung, die in Kopie dem Bescheid beigefügt wurde. Ein möglicherweise planabweichender tatsächlicher Verlauf der Außengrundleitung würde an der Bestimmtheit der behördlichen Verfügung nichts ändern. Aus Sicht der Adressaten des Bescheids kann es sich bei dem fraglichen Leitungsabschnitt nur um jene (einzig bestehende) Abwasserleitung handeln, die von ihrem Haus zur Sammelleitung verläuft. Dass die Anordnung auch tatsächlich so verstanden wurde, beweist das bei den Behördenakten befindliche Schreiben des Klägers zu 1 vom 10. Dezember 2015, in dem von „5 m Abwasserrohr“ die Rede ist, welches anscheinend zwei kurz hintereinander befindliche rechtswinklige Knicke aufweise.
c) Die dem Bescheid zugrunde liegenden Ermessenserwägungen der Beklagten sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die in § 29 Abs. 4 Satz 2 EWS normierte Befugnis, von den Anschlussnehmern für ihre bisher noch nicht auf Dichtheit geprüften Privatkanäle einen Dichtheitsnachweis zu verlangen, setzt weder tatbestandlich noch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift voraus, dass es im jeweiligen Einzelfall bereits nachprüfbare Hinweise auf undichte Stellen gibt. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Beklagte bei Kanälen, die sie nicht selbst verlegt hat und für deren Unterhalt sie nicht zuständig ist (vgl. § 30 Abs. 1 EWS), in der Regel keine Erkenntnisse darüber besitzt, ob der private Leitungsstrang fachgerecht hergestellt wurde und auch nach längerer Zeit noch uneingeschränkt funktionsfähig ist. Bei solchen Kanälen, für die abweichend von der heutigen Rechtslage (§ 29 Abs. 1 und 2 EWS) zum Zeitpunkt ihrer Errichtung noch keine Dichtheitsprüfung vorgeschrieben war, kann daher – anders als bei den bereits mindestens einmal geprüften Abwasserkanälen (§ 29 Abs. 4 Satz 1 EWS) – ohne konkret nachweisbare Anhaltspunkte für Undichtigkeiten jederzeit im Nachhinein ein Dichtheitsnachweis gefordert werden.
Dass von dieser Befugnis willkürlich oder zweckwidrig Gebrauch gemacht worden wäre, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte verweist in der Bescheidsbegründung auf ihre Erfahrungen mit den Grundstücksentwässerungsanlagen der zur selben Zeit (1971) errichteten umliegenden Häuser, die sich inzwischen nachweislich größtenteils als undicht erwiesen haben und teilweise bereits saniert wurden. Daraus wird erkennbar, dass das Vorgehen gegenüber den Klägern Teil einer Gesamtmaßnahme ist, so dass das Gebot der Gleichbehandlung gewahrt ist. Die Erfahrungen mit dem Erhaltungszustand benachbarter Abwasserleitungen boten hinreichend Veranlassung, auch den Privatkanal auf dem klägerischen Grundstück einer näheren Kontrolle zu unterziehen.
Die Verpflichtung der Kläger, auf eigene Kosten eine Dichtheitsprüfung durch ein fachkundiges Unternehmen durchführen zu lassen, verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da keine schonendere Maßnahme ersichtlich ist. Wollte man von der Beklagten fordern, den Zustand der Leitung zunächst von sich aus zu untersuchen, liefe dies im Ergebnis darauf hinaus, die in der Satzung vorgesehene Unterhaltslast für die Grundstücksentwässerungsanlage, zu der auch die fortlaufende Kontrolle der Wasserdichtheit und Wurzelfestigkeit der Anschlusskanäle gehört (§ 30 Abs. 1 Satz 1 EWS), von den Anschlussnehmern auf den Betreiber der öffentlichen Entwässerungseinrichtung abzuwälzen. Wie die Beklagte nachvollziehbar dargelegt hat, ließe sich mit einer (kostengünstigeren) Kamerabefahrung der Aufklärungszweck nicht erreichen, da im Falle von Ablagerungen Schäden an der Rohrleitung nicht entdeckt werden könnten. Der dagegen gerichtete Einwand der Kläger, etwaige Rohrschäden würden durch derartige Ablagerungen abgedichtet, geht ersichtlich fehl, da bei einem bloßen Verdecken undichter Stellen durch abgelagertes Sediment keineswegs sichergestellt ist, dass kein Abwasser in den Untergrund gelangen kann.
Die geforderte Vorlage eines fachkundig erstellten Dichtheitsnachweises stellt für die Kläger auch keine unzumutbare Belastung dar. Dem Umstand, dass auf ihrem derzeit nur von zwei Personen bewohnten Anwesen vergleichsweise wenig Abwasser anfällt, kommt kein so hohes Gewicht zu, dass auf die Kontrolle und ggf. Sanierung etwaiger Leitungsschäden verzichtet werden müsste. Da der Schutz des Grundwassers vor Verunreinigungen und sonstigen nachteiligen Veränderungen ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut darstellt (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 WHG), rechtfertigt bereits der Austritt geringer Mengen von Haushaltsabwässern in den Untergrund ein behördliches Eingreifen; dementsprechend können auch diesbezügliche Aufklärungsmaßnahmen gefordert werden. Die für die Betroffenen daraus resultierenden finanziellen Belastungen haben demgegenüber weniger Gewicht. Dabei kann dahinstehen, ob die im vorliegenden Verfahren von der Beklagten geäußerte Kostenprognose zutrifft, wonach für die bloße Dichtheitsprüfung lediglich ca. 500 Euro zu veranschlagen seien. Da dieser Schätzbetrag nicht Inhalt der Bescheidsbegründung und damit Teil der Ermessenserwägungen ist, würde eine mögliche Fehleinschätzung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids in jedem Fall unberührt lassen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 84 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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