Verwaltungsrecht

Nachzahlung Familienzuschlag

Aktenzeichen  M 5 K 18.5878

Datum:
7.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30653
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EheöffnungsG § 3 Abs. 2
BBesG § 39
BayBesG Art. 108 Abs. 10
LPartG § 20 a Abs. 5 des

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Leistungswiderspruchsbescheid des Beklagten vom … November 2018 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger den Familienzuschlag der Stufe 1 für die Zeit vom *. August 2003 bis … November 2003 zu zahlen zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit … Dezember 2018.
III. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Der Leistungswiderspruchsbescheid vom … November 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Nachzahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 für den Zeitraum vom *. August 2003 bis … November 2003 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem *. Dezember 2018 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
a) Der Anspruch des Klägers ergibt sich für den streitgegenständlichen Zeitraum vorliegend aus §§ 39 ff. des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) i.V.m. Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (Eheöffnungsgesetz) bzw. §§ 39 ff. BBesG i.V.m. § 20 a Abs. 5 des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG).
Nach Art. 3 Abs. 2 des Eheöffnungsgesetzes und § 20a Abs. 5 LPartG soll für Rechte und Pflichten der Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft maßgebend sein. Nach der Gesetzesbegründung zu Art. 3 Abs. 2 Eheöffnungsgesetz (BT-Drs. 18/6665 S. 10) sollen sie daher die gleichen Rechte und Pflichten haben, als ob sie an dem Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten. Die bestehende Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerinnen und Lebenspartner mit Ehegatten, auf die bereits mehrmals sowohl europäische als auch deutsche Gerichte hingewiesen und sie als europarechts- und verfassungsrechtswidrig bewertet haben, soll rückwirkend beseitigt werden.
Hätte der Kläger am *. August 2003 eine Ehe geschlossen und wäre nicht eine Lebenspartnerschaft eingegangen, so hätte ihm gemäß des damals in Bayern geltenden Art. 40 BBesG in dem streitgegenständlichen Zeitraum ein Anspruch auf Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 zugestanden.
Denn der Familienzuschlag ist gem. Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 BayBesG (entspricht § 1 Abs. 2 Nr. 3 BBesG) Teil der Besoldung und steht dem Beamten von Gesetzes wegen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu (Art. 3 Abs. 1 BayBesG, entspricht § 2 Abs. 1 BBesG). Ein Antrag ist hierfür nicht erforderlich. Gleichwohl setzt die Zahlung voraus, dass die Behörde Kenntnis vom Familienstand des Beamten erlangt. Dieser ist daher im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht gehalten, dem Dienstherrn jede Änderung seines Familienstandes anzuzeigen. Gem. Art. 37 Satz 1 BayBesG (entspricht § 41 Satz 1 BBesG) wird der Familienzuschlag sodann ab dem Ersten des Monats gezahlt, in den das hierfür maßgebende Ereignis fällt (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 24.11.2015 – 5 LB 81/15 – juris Rn. 49 f.).
Zwar heißt es in dem Gesetzesentwurf zu dem Gesetz zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (Eheöffnungsumsetzungsgesetz, BT-Drs. 19/4670 S. 21), dass das Eheöffnungsgesetz keine Rückwirkung auf den Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft für in der Vergangenheit bereits abgeschlossene Sachverhalte entfalten soll. Die Bestandskraft von Bescheiden oder die Verjährung von Ansprüchen sollen nicht durchbrochen werden. Dieser Gesetzesentwurf ist auch bei der Auslegung der Intention des Gesetzgebers bei Erlass des Eheöffnungsgesetzes zu berücksichtigen. Vorliegend wird jedoch kein bestandskräftiger Bescheid durchbrochen, denn über den streitgegenständlichen Zeitraum ist nicht abschließend entschieden worden. Der Kläger hat mit der Übersendung der Lebenspartnerschaftsurkunde im Oktober 2003 zeitnah die Änderung seines Familienstandes angezeigt und damit konkludent den Antrag auf Zahlung des Familienzuschlags ab dem Zeitpunkt der Begründung der Lebenspartnerschaft (August 2003) gestellt. Dieser Antrag ist durch die Bezirksfinanzdirektion München mit Bescheid vom … Oktober 2003 abgelehnt worden. Mit Schreiben vom … Oktober 2003 hat der Kläger nochmals die Zahlung des Familienzuschlags „spätestens ab Dezember 2003“ beantragt. Mit Bescheid vom … November 2003 ist die Auszahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 ab Dezember 2003 abgelehnt worden.
Mit der Formulierung „spätestens“ ab Dezember 2003 hat der Kläger deutlich gemacht, dass er an der Zahlung ab August 2003 festhält. Nach sachgerechter Auslegung ist das Schreiben des Klägers vom … Oktober 2003 als Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom … Oktober 2003 anzusehen. Im weiteren Verlauf ist jedoch nur über den Zeitraum ab *. Dezember 2003 weiter entschieden worden. Daher hat der Kläger schließlich den Familienzuschlag rückwirkend erst ab *. Dezember 2003 ausbezahlt erhalten. Er hat jedoch die Auszahlung ab dem Zeitpunkt der Eintragung der Lebenspartnerschaft beantragt und diesen Antrag auch weiter verfolgt („spätestens“). Über den Zeitraum vom *. August 2003 bis … November 2003 ist nicht bestandskräftig entschieden worden. Es liegt daher kein abgeschlossener Sachverhalt vor. Die Frage nach der Zulässigkeit einer rückwirkenden Änderung eines bestandskräftigen Bescheides stellt sich vorliegend nicht.
b) Art. 108 Abs. 10 BayBesG (entspricht Art. 108 Abs. 12 BayBesG a.F.) steht dem nicht entgegen. Denn diese Übergangsvorschrift erfasst nach ihrem eindeutigen Wortlaut ausschließlich diejenigen Beamtinnen und Beamten, die zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Anwendung „in einer Lebenspartnerschaft“ (im Sinne des LPartG) leben (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2020 – 3 ZB 19.1356 – juris Rn. 11). Dies ist beim Kläger jedoch seit dem *. Oktober 2017 nicht mehr der Fall, nachdem er und sein Lebenspartner die eingetragene Lebenspartnerschaft an diesem Tag in eine Ehe umgewandelt haben. In der Folge haben sie die gleichen Rechte und Pflichten, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten (BT-Drs. 18/6665 S. 10).
c) Der Anspruch des Klägers ist auch nicht verjährt. Da der Familienzuschlag ein Teil der Besoldung ist, richtet sich die Verjährung nach Art. 13 BayBesG. Danach verjähren Ansprüche auf Besoldung in drei Jahren. Gemäß Art. 13 S. 2 BayBesG beginnt die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Da der Anspruch des Klägers auf Nachzahlung des Familienzuschlags erst mit der Umwandlung in eine Ehe am … Oktober 2017 entstanden ist, begann die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des … Dezember 2017 zu laufen (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2020 – 3 ZB 19.1356 – juris Rn. 15).
Dem Kläger steht daher die Zahlung des Familienzuschlags für den Zeitraum vom *. August 2003 bis … November 2003 zu.
2. Der Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen ergibt sich aus der analogen Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (Rennert in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 90 Rn. 14). Entscheidend ist der Eintritt der Rechtshängigkeit i. S. d. § 90 VwGO. Für den Zinsbeginn gilt § 187 Abs. 1 BGB entsprechend (Lorenz in: BeckOK, BGB, Stand: August 2020, § 291 Rn. 6). Die Zinspflicht entsteht ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag. Da die Klage vorliegend am *. Dezember 2018 rechtshängig geworden ist, steht dem Kläger der Anspruch auf Prozesszinsen ab *. Dezember 2018 zu.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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