Verwaltungsrecht

Nichtannahmebeschluss: Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen Versagung des passiven Wahlrechts auf kommunaler Ebene – kein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges Recht auf Wählbarkeit bei Kommunalwahlen

Aktenzeichen  2 BvR 511/10

Datum:
11.5.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2010:rk20100511.2bvr051110
Normen:
Art 28 Abs 1 S 2 GG
Art 38 Abs 1 S 1 GG
Art 93 Abs 1 Nr 4a GG
§ 90 Abs 1 BVerfGG
Art 75 Nr 6 Verf ST 1992
§§ 47ff VGHG ST
§ 2 Nr 7 VGHG ST
§ 47 VGHG ST
Spruchkörper:
2. Senat 3. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 29. Januar 2010, Az: 4 L 36/09, Beschlussvorgehend VG Dessau-Roßlau, 26. November 2008, Az: 1 A 84/08 DE, Urteil

Gründe

1
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

2
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines passiven Wahlrechts auf kommunaler Ebene. Insoweit steht ihm ein mit der
Verfassungsbeschwerde rügefähiges Recht nicht zur Seite (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG).

3
Während bei Bundestagswahlen die Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG im Wege einer Verfassungsbeschwerde
gerügt werden kann, fehlt eine vergleichbare Gewährleistung, wenn es um die Durchsetzung dieser Grundsätze bei allgemeinen
politischen Wahlen und Abstimmungen im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG auf der Ebene der Länder geht (vgl. BVerfGE 99,
1 ; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2005 – 2 BvR 315/05 -, NVwZ-RR 2005, S. 494 f.;vom
9. März 2009 – 2 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, S. 776 f., und vom 3. Juli 2009 – 2 BvR 1291/09 -, juris).

4
Art. 38 GG erfasst unmittelbar nur die Wahlen zum Deutschen Bundestag. Eine analoge Anwendung auf Wahlen in den Ländern scheidet
mit Rücksicht auf die selbständigen Verfassungsräume von Bund und Ländern aus. Zwar verlangt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, dass
die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl auch bei politischen Wahlen in den Ländern
gelten. Die Länder haben diesem Verfassungsgebot bei der Regelung des Wahlrechts zu ihren Länderparlamenten und auf kommunaler
Ebene zu genügen. Dem Einzelnen vermittelt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG jedoch keine mit der Verfassungsbeschwerde rügefähige
subjektive Rechtsposition. Das objektivrechtliche Verfassungsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG kann auch nicht über die in
Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit als subjektives Recht eingefordert werden. Im Anwendungsbereich von
Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG scheidet auch ein Rückgriff auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 1 GG aus (vgl. BVerfGE 99, 1 ).

5
Die Länder genießen im Rahmen ihrer Bindung an die Grundsätze des Art. 28 GG im staatsorganisatorischen Bereich Autonomie.
In diesem Bereich dürfen sie das Wahlsystem und Wahlrecht zu ihren Parlamenten und den kommunalen Vertretungen des Volkes
selbst regeln (vgl. BVerfGE 99, 1 ). Die Länder gewährleisten auch den subjektivrechtlichen Schutz des Wahlrechts bei
politischen Wahlen in ihrem Verfassungsraum allein und abschließend (vgl. BVerfGE 99, 1 ; BVerfG, Beschlüsse der 3.
Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2005, a.a.O.; vom 9. März 2009, a.a.O., S. 777, und vom 3. Juli 2009, a.a.O.).

6
Zwar kann der Beschwerdeführer im Hinblick auf die von ihm geltend gemachte Verletzung seines passiven Wahlrechts über den
auf Länderebene gewährleisteten verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz hinaus keinen landesverfassungsgerichtlichen Rechtsschutz
erlangen. Nach Art. 75 Nr. 6 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt in Verbindung mit § 2 Nr. 7, §§ 47 ff. des Gesetzes
über das Landesverfassungsgericht ist eine Verfassungsbeschwerde nur gegen Landesgesetze statthaft, nicht gegen Maßnahmen
und Entscheidungen von Trägern der Verwaltung oder Organen einer Gemeinde; ebenso wenig können Gerichtsentscheidungen statthafter
Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht sein (vgl. auch LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.
Juli 2001 – LVG 2/01 -, juris). Dies ist von Verfassungs wegen jedoch auch nicht geboten; Art. 19 Abs. 4 GG verbürgt keinen
subjektiven verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz (vgl. BVerfGE 99, 1 ; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats
vom 9. März 2009, a.a.O., S. 777).

7
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

8
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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