Verwaltungsrecht

Nichtbestehen der Abschlussprüfung im Fach Sozialpädagogische Praxis

Aktenzeichen  M 16 K 14.5156

Datum:
28.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB III SGB III § 144
FakOSozPäd FakOSozPäd § 31 Abs. 2 S. 2 Nr. 2
BFSOHwKiSO § 51 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Der das Prüfungsrecht beherrschende Grundsatz der Chancengleichheit gebietet eine gleichmäßige Beurteilung aller vergleichbaren Kandidaten. Dies ist nur dann erreichbar, wenn den Prüfungsbehörden bei prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum verbleibt, in den die Gerichte nicht eingreifen können (Anschluss an BVerfG BeckRS 9998, 56725). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Gegenstände des prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, die Erstellung verschiedener Aufgaben und deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ebenso handelt es sich bei der Frage, ob im Hinblick auf eine entsprechend definierte Notenstufe bzw. zugeordnete Punktzahl eine Prüfungsleistung als „brauchbar“ zu bewerten ist, um eine dem Prüfer vorbehaltene prüfungsspezifische Wertung (Anschluss an BVerwG BeckRS 2011, 53783). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
4 Für die Besorgnis der Befangenheit des Prüfers müssen Tatsachen vorliegen, die ohne Rücksicht auf individuelle Empfindlichkeiten den Schluss rechtfertigen, dass dieser Prüfer speziell gegenüber diesem Prüfling nicht die notwenige Distanz und sachliche Neutralität aufbringen wird bzw. in der Prüfung nicht aufgebracht hat. Weder eine harte Kritik noch die Bewertung einer Arbeit bzw. Prüfung als nicht bestanden vermögen jedoch für sich eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (Anschluss an HessVGH BeckRS 2012, 56268). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubewertung ihrer Abschlussprüfung im Sozialpädagogischen Seminar im Fach „Sozialpädagogische Praxis“ (§ 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Vergabe der Note „mangelhaft“ ist nicht zu beanstanden. Die Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 11. Juli 2013 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 26. September 2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat daher auch keinen Anspruch auf Ausstellung eines von der vergebenen Note abweichenden Zeugnisses. Da die Klägerin auch keinen Anspruch auf Wiederholung der Prüfung hat, war auch der Hilfsantrag abzuweisen.
Grundlage für die Durchführung der streitgegenständlichen Prüfung sind die Regelungen über das Sozialpädagogische Seminar in Anlage 3 der Schulordnung für die Fachakademien für Sozialpädagogik (Fachakademieordnung Sozialpädagogik – FakOSozPäd) vom 4. September 1985, in der Gültigkeit vom 1. August 2011 bis 29. August 2014. Nach Nr. 10.1.10 der Anlage 3 legen Erzieherpraktikanten, die – wie die Klägerin – das Sozialpädagogische Seminar einer staatlich genehmigten Fachakademie für Sozialpädagogik besuchen, die Abschlussprüfung als andere Bewerber an einer öffentlichen oder staatlich anerkannten Fachakademie für Sozialpädagogik ab. Bei Bedarf können besondere staatliche Prüfungsausschüsse eingesetzt werden (Nr. 10.1.10 Anlage 3 i.V.m § 37 Abs. 1 Satz 2 FakOSozPäd). Nach Nr. 10.1.4, die nach Nr. 10.1.10 der Anlage 3 entsprechende Anwendung findet, ist in der Sozialpädagogischen Praxis eine praktische Prüfung abzulegen (Bearbeitungszeit 60 Minuten). Es werden ein schriftlicher Organisationsplan, die Materialvorbereitung und eine 30 bis 40 Minuten dauernde Durchführung der Aufgabe gefordert; der Organisationsplan wird in häuslicher Arbeit erstellt und nicht eigens bewertet, seine Vorlage ist jedoch Voraussetzung für die Abnahme der praktischen Prüfung. Nach § 31 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FakOSozPäd hat die Abschlussprüfung nicht bestanden, wer im Fach „Sozialpädagogische Praxis“ eine schlechtere Gesamtnote als 4 erhalten hat. Nr. 10.1.10 der Anlage 3 verweist u.a. auf eine entsprechende Anwendung des § 51 der Berufsfachschulordnung Hauswirtschaft, Kinderpflege und Sozialpflege – BFSOHwKiSO. Nach § 51 Abs. 1 BFSOHwKiSO, der vorliegend in der Gültigkeit vom 1. August 2007 bis 31. Juli 2014 Anwendung findet, ergeben sich die Zeugnisnoten ausschließlich aus den in der Prüfung erbrachten Leistungen.
Die Bewertung der streitgegenständlichen Prüfungsleistung der Klägerin mit der Note 5 ist nicht zu beanstanden. Rechtlich beachtliche Verfahrens- und Bewertungsfehler bei der Ausübung des den Prüferinnen im Rahmen der Beurteilung der Prüfungsleistung eröffneten Spielraums, die zu einem Anspruch auf Neubewertung der von der Klägerin abgelegten Prüfung oder einer – von ihr hilfsweise beantragten – Zulassung zu einer Wiederholungsprüfung führen würden, liegen nicht vor.
Dabei ist zunächst zu beachten, dass die Kontrollmöglichkeiten des Gerichts in Prüfungsangelegenheiten eingeschränkt sind, denn das Gericht ist nicht dazu berufen, angeblich zu strenge oder vom Prüfling als ungerecht empfundene Beurteilungen nach eigenen Bewertungsmaßstäben zu korrigieren (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 804). Vielmehr gebietet der das Prüfungsrecht beherrschende Grundsatz der Chancengleichheit eine gleichmäßige Beurteilung aller vergleichbaren Kandidaten. Dies ist nur dann erreichbar, wenn den Prüfungsbehörden bei prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum verbleibt, in den die Gerichte nicht eingreifen können (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 – juris Rn. 52 ff.). Gegenstände des prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, die Erstellung verschiedener Aufgaben und deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels. Ebenso handelt es sich bei der Frage, ob im Hinblick auf eine entsprechend definierte Notenstufe bzw. zugeordnete Punktzahl eine Prüfungsleistung als „brauchbar“ zu bewerten ist, um eine dem Prüfer vorbehaltene prüfungsspezifische Wertung (vgl. BVerwG, B.v. 16.8.2011 – 6 B 18/11 – juris Rn. 16 m.w.N.). Eine Prüfungsnote kann auch nicht isoliert gesehen werden; sie ist in einem Bezugssystem zu finden, das durch die persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer beeinflusst wird. Die durch diese angestellten komplexen Erwägungen lassen sich nicht regelhaft erfassen, weshalb eine gerichtliche Kontrolle insoweit zu einer Verzerrung der Maßstäbe führen könnte. Im Verwaltungsgerichtsprozess eines einzelnen Kandidaten könnte das Gericht – auch mit der Hilfe eines Sachverständigen – die Bewertungskriterien, die für die Gesamtheit vergleichbarer Prüflinge maßgebend waren, nicht aufdecken, um sie auf eine nur in Umrissen rekonstruierbare Prüfungssituation anzuwenden. Das Gericht müsste eigene Bewertungskriterien entwickeln und an die Stelle derjenigen der Prüfer setzen. Da aber vergleichbare Prüflinge so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien haben müssen, wäre eine derartige Vorgehensweise im Verwaltungsprozess geeignet, die Chancengleichheit zu verletzen (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 – juris Rn. 53).
Der den Prüfern eingeräumte Bewertungsspielraum ist aber überschritten, wenn die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Ein in diesem Sinne allgemein gültiger Bewertungsgrundsatz ist es, dass zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen im Prinzip nicht als falsch bewertet werden und nicht zum Nichtbestehen führen dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar sind, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum; diesem steht aber ein Antwortspielraum des Prüflings gegenüber. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch bewertet werden. Überschritten wird der Beurteilungsspielraum ferner, wenn eine Bewertung auf einer wissenschaftlich-fachlichen Annahme des Prüfers beruht, die einem Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muss (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 – juris Rn. 58).
Unter Beachtung dieser Grundsätze greifen die von der Klägerin gegen die Bewertung ihrer Prüfung vorgebrachten formellen und materiellen Rügen nicht durch.
Allgemein gilt, dass Rügen rechtzeitig zu erheben sind. Dem Prüfling ist die spätere Berufung auf die Beachtlichkeit eines Fehlers des Prüfungsverfahrens verwehrt, wenn er eine ihm zumutbare zeitnahe Rüge des Fehlers unterlässt (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 214). Um rechtzeitig zu sein, ist die Rüge unverzüglich zu erheben, wobei grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen ist.
Soweit die Klägerin eine unzureichende Vorbereitung durch die Praxisstelle während ihrer Ausbildungszeit und unklare Zuständigkeiten des ausbildungsleitenden Personals rügt, kann dies nicht zur Fehlerhaftigkeit der vorliegenden Prüfung führen, da sich die Klägerin entsprechend rügelos auf die Prüfung eingelassen hat (vgl. VG Berlin, U.v. 29.1.2013 – 3 K 616.11 – juris Rn. 32; U.v. 22.2.2013 – 3 K 291.12 – juris Rn. 10).
Soweit die Klägerin erst in ihrem Widerspruchsschreiben vom 7. August 2013 rügt, die Prüferinnen hätten den Prüfungsablauf durch störende Bemerkungen beeinflusst, seien unruhig gewesen und hätten sich mit anderen Dingen beschäftigt, ist die Rüge zu spät erhoben worden. Es wäre der Klägerin zumutbar gewesen, auf entsprechende Störungen des Prüfungsablaufs – soweit solche überhaupt vorlagen – bereits während der Prüfung hinzuweisen, um etwaige Störungen abzustellen.
Auch die erstmals mit Schreiben vom 15. Oktober 2013 geltend gemachten formalen Fehler (keine ordnungsgemäße Teamabsprache im Vorfeld der Prüfung, nicht rechtzeitiger Prüfungsbeginn, Auswahl eines ungeeigneten Prüfungsraums) sind nicht rechtzeitig gerügt.
Was den zeitlichen Umfang der Durchführung der Aufgabe anbelangt, wurde die Prüfung den Vorgaben folgend durchgeführt. Die jedenfalls mindestens 35 Minuten dauernde Durchführung der Aufgabe liegt innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens von 30 bis 40 Minuten. Der von der Klägerin gerügte Abbruch der Prüfung durch eine Prüferin ist dem Umstand geschuldet, dass für die Prüferinnen – wie sie übereinstimmend und glaubhaft angegeben haben – nicht ersichtlich war, dass die Klägerin von sich aus innerhalb der vorgegebenen Zeit zu einem Abschluss ihres Angebots kommen würde und daher nicht zu beanstanden.
Auch soweit die Klägerin eine persönliche Voreingenommenheit der Prüferinnen rügt, führt dies nicht zum Erfolg der Klage. Die gegen einen Prüfer gerichtete Befangenheitsrüge ist rechtzeitig zu erheben und so zu begründen, dass erkennbar wird, welchen Prüfer und welchen Vorgang im Rahmen des Prüfungsgeschehens der Prüfling meint. Durch die Begründung der Rüge wird der Kreis der relevanten Befangenheitsgründe geschlossen; die Darlegungen dazu können zwar später weiter konkretisiert werden, es können aber nicht durch eine zusätzliche Begründung neue – selbständige – Befangenheitsgründe geltend gemacht werden, es sei denn, der Prüfling hat von diesen erst später Kenntnis erlangt (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 348). Die Besorgnis der Befangenheit ist berechtigt, wenn nach den Umständen des Einzelfalls ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Dies ist objektiv, wenngleich aus dem Blickwinkel eines Prüflings zu beurteilen, d.h. wie ein verständiger Prüfling in der gegebenen Situation das Verhalten oder die Bemerkung des Prüfers verstehen darf. Damit ist jedenfalls nicht die bloß subjektive Besorgnis der Befangenheit gemeint, die den Prüfling aufgrund seiner persönlichen Vorstellungen, Ängste oder Mutmaßungen ohne vernünftigen und objektiv fassbaren Grund überkommen hat. Es müssen vielmehr Tatsachen vorliegen, die ohne Rücksicht auf individuelle Empfindlichkeiten den Schluss rechtfertigen, dass dieser Prüfer speziell gegenüber diesem Prüfling nicht die notwenige Distanz und sachliche Neutralität aufbringen wird bzw. in der Prüfung nicht aufgebracht hat (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 338; BayVGH, B.v. 17.11.2014 – 22 ZB 14.1633 – juris Rn. 18). Weder eine harte Kritik noch die Bewertung einer Arbeit bzw. Prüfung als nicht bestanden vermögen jedoch für sich eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. HessVGH, B.v. 1.8.2012 – 9 A 2384/11.Z – juris Rn. 11).
Das Vorbringen der Klägerin in ihrem Widerspruchsschreiben vom 7. August 2013 genügt schon nicht den Anforderungen hinreichender Substantiiertheit einer Befangenheitsrüge. Die Klägerin trägt dort lediglich vor, sie habe nachträglich von mehreren Seiten erfahren, dass sich die Anleiterin gegenüber der Prüferin L. gegen sie ausgesprochen habe. Das Vorbringen der Klägerin in ihrem ergänzenden Schreiben vom 15. Oktober 2013, wonach die Prüferin U. ihr unmittelbar nach der Prüfung vorgeschlagen habe „weiterhin putzen zu gehen“, stellt somit keine Konkretisierung einer Befangenheitsrüge im dargestellten Sinne dar und ist daher verspätet. Anders verhält es sich, soweit die Klägerin in diesem Schreiben den Vermerk „Chaos“ in den handschriftlichen Aufzeichnungen der Prüferin L. als unsachlich rügt. Denn von der Existenz dieser Bemerkung erhielt sie erst durch Einsichtnahme in die Prüferbewertungen am 27. September 2013 Kenntnis. Eine Befangenheit der Prüferin L. lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Der entsprechende Vermerk ist weder unsachlich noch beleidigend, sondern stellt lediglich eine kurze, kritische Zusammenfassung der Feststellungen der Prüferin im Hauptteil der Prüfung dar. Wie sich ihrer Stellungnahme vom 3. August 2016 entnehmen lässt, bezieht sich die Anmerkung auf die aus ihrer Sicht mangelhaften pädagogischen Verhaltensweisen der Klägerin in Bezug auf Gruppensituation und Gruppenatmosphäre im Hauptteil der Prüfung. So seien einige Kinder auf die Stühle und die Lehnen der Holzbank geklettert. Ein Junge sei zum dritten Mal verwarnt worden, da er sich immer wieder einen Ball vom Dosenwerfen holte und damit spielte. Ein anderes Kind habe etwas trinken wollen, worauf alle etwas trinken wollten, so dass eine Trinkpause für alle Kinder habe eingelegt werden müssen. Kinder unterhielten sich oder gähnten. Die Klägerin habe sich zwar bemüht auf jedes einzelne Kind einzugehen, habe aber wiederholt den Überblick über die ganze Gruppe verloren und habe die Kinder nicht mehr dazu bringen können, dem pädagogischen Angebot die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken. Diese Situation habe auf sie „chaotisch“ gewirkt.
Ohne Erfolg greift die Klägerin die Bewertung ihrer Prüfungsleistung mit der Note „mangelhaft“ an. Die Vergabe dieser Note ist nicht zu beanstanden. Das Gericht kann nicht erkennen, dass bei der Bewertung anzuwendendes Recht verkannt wurde, der Entscheidung ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde lag, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe unbeachtet geblieben sind, die Prüferinnen sich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen, ihre Bewertung willkürlich war, oder Zutreffendes oder Brauchbares als falsch bewertet wurde und zum Nichtbestehen der Prüfung geführt hat. Die Prüferbewertung ist vielmehr nachvollziehbar und weist keine derartigen relevanten Mängel auf.
Die Benotung ist nicht schon rein rechnerisch fehlerhaft. Ausweislich der Bewertungsbögen für die praktische Abschlussprüfung kommt die 1. Prüferin auf eine Punktzahl von 42 Punkten (Einzelpunkte: 4, 0, 12, 5, 8, 5, 8) und die 2. Prüferin auf eine Punktzahl von 47 Punkte (Einzelpunkte: 5, 3, 10, 4, 10, 5, 10), was zu einer Gesamtpunktzahl von 89 dividiert durch 2, mithin zu 44,5 Punkten führt und der Note „mangelhaft“ entspricht.
Die Bewertungen sind auch nicht inkonsistent. Zwar wurde im Laufe des gerichtlichen Verfahrens erkennbar, dass die von den Prüferinnen im Bewertungsraster angebrachten Striche und Häkchen eine gewisse Bedeutung haben. Das Prüfungsergebnis ist aber nicht durch eine rein rechnerische Auswertung dieser Kennzeichnungen zu erlangen. So führt die Prüferin U. in ihrer Stellungnahme vom 2. August 2016 aus, der Querstrich bedeute ein Minus und sei vergeben worden, wenn die Anforderungen nicht erfüllt worden seien. Das Häkchen besage, dass der Aspekt zum Tragen gekommen sei, jedoch nicht im besonderen Maße. Soweit nichts vermerkt worden sei, sei die Bewertung entweder im handschriftlichen Protokoll festgehalten und deshalb nicht noch einmal im Raster vermerkt oder es seien Kriterien, die in der Bewertungsgewichtung weiter unten lägen. Die Prüferin L. hat in ihrer Stellungnahme vom 3. August 2016 angegeben, ein Strich bedeute, dass dieser Unterpunkt entweder völlig oder nur zum Teil erreicht worden sei. Die Querstriche und die durchgestrichenen Wörter dienten ihr als Hilfestellung um sich während des laufenden Angebots einen Überblick zu verschaffen. Für die Bepunktung seien in erster Linie die handschriftlichen Protokolle ausschlaggebend.
Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Bewertung ihrer Prüfungsleistungen folgen auch nicht schon daraus, dass die Klägerin in den anderen Prüfungsfächern sowie in den Jahresfortgangs- und Jahresabschlussnoten deutlich bessere Ergebnisse erzielt hat (vgl. NdsOVG, U.v. 8.6.2011 – 8 LB 199/09 – juris Rn. 100). Gleiches gilt, soweit unsubstantiiert geltend gemacht wird, die von den Prüferinnen beanstandeten Arbeitstechniken der Klägerin seien anerkannte Arbeitstechniken, die ihr in der Schule beigebracht worden seien und die sie auch immer erfolgreich umgesetzt habe.
Die Klägerin hatte in der streitgegenständlichen Prüfung das Prüfungsthema: „Einführung der Zahl 4“ umzusetzen. Die Klägerin hat hierzu den von ihr erstellten Organisationsplan vorgelegt. Wie aus diesem hervorgeht, plante sie ein Angebot für ca. 10 – 12 Kinder im Alter von 4-5, vereinzelt auch von 6 Jahren. Nach ihrem Organisationsplan sollte ihr Angebot „Dosenwerfen“, „Anschauen von Bildern der Zahl 4“, „Nachmalen der Zahl 4“, ein Rätselspiel, einen Bewegungskreis und evt. noch ein Klatschspiel umfassen. Zum Abschluss sollten den Kindern Kopien der Bilder zur Mitnahme angeboten werden, die sie ausmalen können.
Die maßgeblichen Mängel der Prüfungsleistung der Klägerin ergeben sich im Einzelnen nachvollziehbar aus den Bewertungsbögen, den Stellungnahmen der Prüferinnen im Widerspruchs- und Gerichtsverfahren und ihren Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung. Dass die Prüferinnen in der Vergabe der einzelnen Punkte teilweise voneinander abweichen und eine andere Gewichtung vornehmen, ist dem jeweiligen Bewertungsspielraum der Prüferinnen geschuldet und daher nicht zu beanstanden. Die Prüferinnen haben übereinstimmend und überzeugend dargelegt, dass die Klägerin eine vorausschauende zielgerichtete Planung ihres Angebots vermissen ließ und schon in der Hinführungsphase den Überblick über die Gruppe verloren hatte. Die Klägerin konnte die Kinder nicht dazu bringen, ihrem pädagogischen Angebot die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken. Die Kinder waren abgelenkt, unkonzentriert und haben sich zum Teil gelangweilt. Die Einhaltung von Spiel- und Verhaltensregeln wurde von der Klägerin nicht eingefordert. Visualisierungshilfen fehlten gänzlich. In der Reflexion kam zum Ausdruck, dass es der Klägerin an der für den angestrebten Beruf notwendigen Kritikfähigkeit und Selbsteinschätzung mangelt und sie ihr pädagogisches Handeln nicht hinreichend hinterfragt. So hat die Klägerin unstreitig während der Hinführungsphase den Raum verlassen, um den von ihr vergessenen Ball für das Dosenwerfen zu holen. Überzeugend haben die Prüferinnen dargelegt, dass die Klägerin nicht einmal in der Reflexion ein Problembewusstsein hinsichtlich dieser Abwesenheit gezeigt hat.
Soweit die Klägerin dagegen geltend macht, sie sei der Ansicht, die Anforderungen erfüllt zu haben und im Einzelnen darlegt, an welcher Stelle sie eine höhere Punktzahl hätte erhalten müssen, setzt sie nur ihre eigene Einschätzung an Stelle der Bewertung der Prüferinnen. Die von den Prüferinnen getroffenen Wertungen und die Gewichtung der festgestellten Defizite unterliegen aber dem prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum und sind weder einer Bewertung durch die Klägerin noch durch das Gericht zugänglich.
Die Klage war daher im Haupt- und Hilfsantrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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