Verwaltungsrecht

Nichtbestehen, Endgültiges Nichtbestehen, Bachelor, Hinweispflicht, Wiederholungsprüfung, Fristversäumnis

Aktenzeichen  RO 3 K 20.577

Datum:
30.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8551
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RaPO § 8
RaPO § 10
BayVwVfG Art. 35
VwGO § 58
BayHSchG Art. 12

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Der Verwaltungsakt bzgl. des endgültigen Nichtbestehens vom 9. März 2020 ist rechtmäßig und der Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
1. Die Klage richtet sich gem. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen die richtige Beklagte. Die Beklagte agierte hier in körperschaftlichen Angelegenheiten gem. Art. 12 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 2 Bayerisches Hochschulgesetz (BayHSchG), sodass die Hochschule L … passivlegitimiert ist.
2. Die Bachelorarbeit ist nicht bestanden, wenn sie gem. § 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Rahmenprüfungsordnung für die Fachhochschulen (RaPO) nicht mindestens mit der Note „ausreichend“ bewertet worden ist. Gem. § 8 Abs. 3 Satz 3 RaPO gilt die Bachelorarbeit erstmalig als nicht bestanden, wenn die Regelstudienzeit um zwei Semester überschritten wurde, ohne die Anforderungen nach § 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 RaPO zu erfüllen. Gem. Art. 57 BayHSchG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 RaPO, § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 Studien- und Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang Informatik an der Hochschule für angewandte Wissenschaften L … i. d. Fassung der Vierten Änderungssatzung vom 2. September 2014 (StPrO) beträgt die Regelstudienzeit sieben Semester. Gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 RaPO sollen die Studierenden nach Ende der Regelstudienzeit beraten werden und sind über die Rechtsfolgen nach § 8 Abs. 3 Satz 3 RaPO zu informieren. Endgültig ist die Bachelorarbeit nicht bestanden, wenn gem. § 10 Abs. 2 RaPO die Bachelorarbeit nicht spätestens sechs Monate nach Bekanntgabe der ersten Bewertung begonnen wird und infolgedessen als wiederholt und nicht bestanden gilt.
Bzgl. dieser Fristenregelungen bestehen keine verfassungsmäßigen Bedenken. Das VG Bremen U. v. 27.5.2015 – 1 K 216/12 – juris Rn. 42 führt hierzu exemplarisch aus:
„Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf die Regelungen zur automatischen Anmeldung zu Wiederholungsprüfungen in der Prüfungsordnung. Das Gericht vermag weder in der durch die Prüfungsordnung vorgeschriebenen Verpflichtung, die Prüfung im darauffolgenden Semester erstmals wiederholen zu müssen sowie der automatischen Anmeldung zu den Wiederholungsprüfungen, noch in der Fiktion des Nichtbestehens bei einem Fernbleiben von der Prüfung, sofern die Gründe hierfür vom Studenten zu vertreten sind, einen Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG zu erkennen. Es verstößt nicht gegen Bundesrecht, wenn die landesrechtliche Prüfungsordnung darauf abzielt, das Prüfungsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss durch – positive oder negative – Prüfungsentscheidung zu bringen (vgl. VG Bayreuth, GB v. 25.08.2014, Az. B 3 K 13.704). Ein derartiges Prüfungsverfahren trägt vielmehr dem allgemeinen Interesse an einem zügigen Fortgang der Ausbildung und Leistungserhebung Rechnung. Die automatischen Anmeldungen der Studenten zu den erforderlichen Wiederholungsprüfungen gewährleisten ein zügiges Prüfungsverfahren und stellen sicher, dass die betroffenen Studenten nicht schon wegen Versäumnis der Anmeldefrist von der Teilnahme an der erforderlichen Wiederholungsprüfung ausgeschlossen sind (vgl. VG Ansbach, Urt. v. 12.02.2009, Az. AN 2 K 08.02241).“
a) Vorliegend begann der Kläger sein Studium im Wintersemester 2014/2015, sodass die Regelstudienzeit, sieben Semester später, im Wintersemester 2017/2018 ablief. Zwei Semester später, mit Ablauf des Wintersemesters 2018/2019, lagen daher die zeitlichen Voraussetzungen dafür vor, dass der Kläger die Bachelorarbeit erstmalig nicht bestanden hat, da er bis dato keine ausreichend bewertete Arbeit vorlegen konnte, § 8 Abs. 3 Satz 3 RaPO.
b) Das erstmalige Nichtbestehen wurde am 20. März 2019 gem. § 19 Abs. 2 Allgemeine Prüfungsordnung der Hochschule für angewandte Wissenschaften L … vom 20. Juni 2017 (APO) im Internetportal der Beklagten eingetragen und war dort am selben Tag einsehbar. Gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 APO gilt das Ergebnis am dritten Tag, nachdem das Ergebnis im Portal einsehbar war, als bekanntgegeben. Daher erfolgte die Bekanntgabe am 23. März 2019. Gem. Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1,
§ 188 Abs. 2 BGB war daher der Wiederholungsversuch bis zum 23. September 2019 um 24.00 h zu beginnen. Dies hat der Kläger nicht getan.
c) Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte die Hinweispflicht nach § 8 Abs. 3 Satz 2 RaPO erfüllt hat, was aber für die Rechtmäßigkeit der Feststellung des erstmaligen Nichtbestehens erforderlich sein dürfte, da hiervon der Eintritt der Fiktion gem. § 8 Abs. 3 Satz 3 RaPO abhängen dürfte.
Grundsätzlich trifft den Studierenden eine Mitwirkungspflicht, die ihm auferlegt, sich selbst in zumutbarer Weise eigenverantwortlich darum zu kümmern, welche Prüfungsmodalitäten, Fristen und Termine für ihn gelten (VG Ansbach, B.v. 7.5.2012 – AN 2 E 12.00463 – BeckRS 2012, 51076). Zwar trifft die Prüfungsbehörde ebenfalls grundsätzlich eine ungeschriebene Hinweispflicht aus dem Prüfungsrechtsverhältnis, jedoch ändert diese nichts an der daneben bestehenden Mitwirkungspflicht des Studierenden (BayVGH, B.v. 7.10.2013 – 7 ZB 13.1220 – juris Rn. 23f.).
Jedoch liegt vorliegend eine normierte Hinweispflicht gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 RaPO vor. Die Norm selbst regelt nicht, welche Rechtsfolge ein Verstoß gegen die Hinweispflicht hat. Daher ist die Rechtsfolge im Wege der Auslegung zu ermitteln. Aus dem Wortlaut geht insoweit hervor, dass die Erteilung des Hinweises zwingend vorgeschrieben ist („sind […] zu informieren“). Dies spricht dafür, dass die Erteilung des Hinweises notwendige Voraussetzung für den Eintritt der Rechtsfolge ist. Dafür spricht auch systematisch, dass die Beratung der Studenten gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 Alt. 1 RaPO als bloße Sollvorschrift ausgestaltet ist. Hätte der Verordnungsgeber gewollt, dass der Verstoß gegen die Hinweispflicht unschädlich ist, so hätte er auch diese als Sollvorschrift ausgestalten können. Dass er dies nicht getan hat, spricht dafür, dass es sich um eine zwingende Voraussetzung für die Fiktion handeln sollte. Dafür sprechen letztlich auch Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Hinweispflicht soll die Studierenden über die Rechtsfolgen der Fiktion informieren und erfüllt insoweit auch eine gewisse Warnfunktion, um Studierende zu einer zügigen Beendigung des Studiums anzuhalten. Der Verordnungsgeber geht insoweit davon aus, dass es dieses Hinweises bedarf, um den Studierenden die Folgen ihrer Säumigkeit aufzuzeigen. Daraus folgt dann jedoch auch, dass die daneben bestehenden Mitwirkungspflicht des Studierenden insoweit unerheblich ist.
Dass der Kläger eine Information über die Rechtsfolgen des § 8 Abs. 3 Satz 3 RaPO gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 RaPO von der Hochschule L … durch eine E-Mail gem. § 20 Abs. 1 APO erhalten hat, steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Die Original-E-Mail an den Kläger konnte die Beklagte nicht mehr vorweisen. Sie konnte lediglich noch den Entwurf eines Textes für eine Mail vorweisen. Laut Aussage der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung, würden diejenigen Studierenden, auf denen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 RaPO zutreffen vom Studierenden-Service-Zentrum aus dem System herausgefiltert. Aus dem vorgelegten Entwurfstext ergibt sich als Versendungszeitpunkt das Sommersemester 2018, während die tatsächlich verschickte E-Mail um den 12. Januar 2018 versendet worden sein soll. Diesen Widerspruch erklärte sich die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung damit, dass bei Erstellung des Entwurfs noch nicht klar gewesen sei, ob man die E-Mail Ende des Wintersemesters oder Anfang des Sommersemesters verschicken würde. Dass die E-Mail um den 12. Januar verschickt worden sein soll, ergibt sich lediglich aus einer E-Mail eines Herrn M … L … an die Beklagtenvertreterin, in der es heißt, die E-Mail „müsste“ um den 12. Januar versendet worden sein, an einer konkreten Dokumentation fehle es aber. Aus dem Vortrag der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung ergab sich ferner, dass auch eine Lesebestätigung, falls eine solche eingesetzt worden ist, nicht mehr vorliege. Wegen all dieser Umstände ist das Gerichts nicht davon überzeugt (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass eine E-Mail an den Kläger tatsächlich versendet wurde. Ein unmittelbarer Nachweis konnte nicht vorgelegt werden. Aus den übrigen Gesamtumständen ist eine hinreichende Überzeugungsbildung für das Gericht nicht möglich. Ob der Kläger tatsächlich als potentieller Adressat eines Hinweises vom Studierenden-Service-Zentrum erkannt wurde und ob der Entwurf dann tatsächlich versendet wurde, bleibt ungeklärt. Insoweit fehlt es auch an einer Dienstanweisung, die die konkrete Umsetzung ausgestaltet. Gerade auch wegen des unklaren Versendungszeitpunkts ist es nicht fernliegend, dass im Falle des Klägers die Versendung übersehen wurde. Letztlich geht die Unaufklärbarkeit zulasten der Beklagten. Zur Beweislast führt das BVerwG U.v. 11.7.2007 – 9 C 5/06 (LKV 2008, 171) aus:
„Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG lässt sich die Frage, wer die Feststellungs- oder Beweislast trägt, nur aus dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht beantworten (BVerwG, Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 67, S. 47f., und BVerwG, Buchholz 401.68 Vergnügungsteuer Nr. 39, S. 51 = NVwZ 2005, 1322, jeweils m. w. Nachw.). Ist dem jeweils anzuwenden materiellen Rechtssatz dazu nichts zu entnehmen, gilt in der Regel der Grundsatz, dass jeder Beteiligte die Beweislast für das Vorhandensein aller Voraussetzungen der ihm günstigen Rechtsnormen trägt. Diese grundsätzliche Beweislastregelung modifizierend kann unter Umständen noch von Bedeutung sein, dass bestimmte Vorgänge derart in die Sphäre einer Partei fallen, dass die andere Partei vor unzumutbaren Beweisschwierigkeiten stehen würde, wenn sie für diese Vorgänge die Beweislast trüge (BVerwG, Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 67, S. 47 [48]).“
Daraus ergibt sich, dass die Beklagte die Beweislast für die Erteilung des Hinweises gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 RaPO trägt. Der Hinweis ist Voraussetzung für die Nichtbestehensfiktion gem. § 8 Abs. 3 Satz 3 RaPO und daher Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Feststellung des endgültigen Nichtbestehens. Insofern ist die Rechtsfolge für die Beklagte günstig und sie hat daher im Zweifel das Risiko einer Unaufklärbarkeit zu tragen.
d) Für das Gericht bestand vorliegend auch kein Anlass, im Rahmen der Amtsermittlung eine weitere Aufklärung zu versuchen, da die Feststellung des erstmaligen Nichtbestehens vorliegend ohnehin bereits bestandskräftig geworden ist.
aa) Die Feststellung des Nichtbestehens ist ein Verwaltungsakt gem. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG und daher der Bestandskraft fähig. Problematisch ist insoweit das Merkmal „zur Regelung“. Eine Regelung liegt dann vor, wenn die Maßnahme der Behörde darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen, was dann der Fall ist, wenn Rechte des Betroffenen unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben oder mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden (BVerwG, U.v. 5.11.2009 – 4 C 3/09 – NVwZ 2010, 133). Zur Verwaltungsaktqualität von Prüfungsleistungen führte das BVerwG U.v. 23.5.2012 – 6 C 8/11 – NJW 2012, 2901 – aus:
„Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass die Benotungen einzelner Prüfungsleistungen regelmäßig keine selbstständige rechtliche Bedeutung haben, sondern lediglich eine Grundlage der behördlichen Entscheidung über das Bestehen und Nichtbestehen der Prüfung bilden, die ihrerseits eine rechtliche Regelung enthält und daher den Verwaltungsakt darstellt, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden kann (vgl. BVerwG, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 404 S. 60 = BeckRS 2003, 30313098; Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 329 S. 8 f. = NVwZ-RR 1994, 582). Ferner hat der Senat hervorgehoben, dass der Bewertung einer einzelnen Prüfungsleistung in der jeweiligen Prüfungsordnung auf Grund einer besonderen Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens eine selbstständige rechtliche Bedeutung zuerkannt sein kann (BVerwG, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 404 S. 60 f. = BeckRS 2003, 30313098). Der vorliegende Fall gibt dem Senat Gelegenheit zu der Klarstellung, dass die Frage, ob einer Einzelnote Regelungsqualität i. S. von § 35 S. 1 VwVfG zukommt, ausschließlich anhand der jeweiligen Prüfungsordnung zu klären ist. Fehlen dort ausdrückliche Festlegungen, ist sie mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden zu beantworten. Das Bundesrecht enthält diesbezüglich – vom Ausnahmefall bundesrechtlich normierter Prüfungsverfahren abgesehen – keine Vorgaben, auch nicht im Sinne einer hilfsweise anzuwendenden Vermutungsregel, wonach „im Zweifel“ von einer fehlenden selbstständigen Regelungsqualität von Einzelnoten auszugehen wäre. Für solche Vorgaben ist ein bundesrechtlicher Geltungsgrund nicht ersichtlich. Er ergibt sich insbesondere nicht aus der bundesrechtlichen Normierung der Begriffsmerkmale des Verwaltungsakts in § 35 S. 1 VwVfG, die auch den verwaltungsprozessualen Bedeutungsgehalt des Begriffs prägt und über § 137 I Nr. 2 VwGO zur Revisibilität wortlautgleicher landesverfahrensrechtlicher Bestimmungen führt. Ob ein Verwaltungshandeln diese Begriffsmerkmale erfüllt, kann nicht der Regelung in § 35 S. 1 VwVfG selbst, sondern nur dem jeweils einschlägigen Fachrecht entnommen werden, unbeschadet des Umstands, dass dessen Auslegung sodann für die Anwendung des bundesrechtlichen Begriffs des Verwaltungsakts bestimmend wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. 4. 1976 – 7 B 6/76, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 74 S. 40 = BeckRS 2012, 54504).“
Hierbei ergibt sich, dass die Bewertung mit „nicht bestanden“ regelmäßig einen Verwaltungsakt darstellt, da hierdurch immer konkrete Rechtsfolgen herbeigeführt werden sollen. Dies ist zumindest dann der Fall, wenn vom Bestehen der Prüfung der erfolgreiche Studienabschluss abhängt (Dieterich in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 818). Während die Bewertung mit „bestanden“ noch als Vorbereitungshandlung für den endgültigen Studienabschluss angesehen werden kann, ist dies bei der Bewertung mit „nicht bestanden“ gerade nicht der Fall.
Dies ist auch vorliegend der Fall. Das Bestehen der Bachelorarbeit ist gem. § 11 Abs. 1 RaPO Voraussetzung für das Bestehen der Bachelorprüfung. Wird die Bachelorarbeit nicht bestanden, so ergibt sich daraus die Rechtsfolge, dass die Bachelorprüfung zunächst nicht bestanden ist. Dem Studierenden verbleibt dann nur noch die Wiederholungsmöglichkeit gem. § 10 Abs. 2 RaPO. Danach ist die Bachelorarbeit endgültig nicht bestanden und folglich der erfolgreiche Abschluss der Bachelorprüfung nicht mehr möglich. Insoweit wird durch das Nichtbestehen das Prüfungsverhältnis entscheidend beeinflusst. Die Feststellung des Nichtbestehens ändert insoweit unmittelbar das Recht des Klägers die Bachelorprüfung abzulegen, weil sie ihn verbindlich auf eine letzte Wiederholungsmöglichkeit verweist.
Für die Eigenschaft als Verwaltungsakt spricht auch § 19 Abs. 2 APO, der die „Bekanntgabe“ der Noten regelt (vgl. hierzu auch OVG NW, U.v. 21.3.2017 – 14 A 1689/16 – juris Rn. 40) und hierfür in § 19 Abs. 2 Satz 2 APO eine Drei-Tages-Fiktion für das Einstellen in das Internetportal der Hochschule vorsieht, die dem Art. 41 Abs. 2 BayVwVfG vergleichbar ist. Mit der Regelung soll offensichtlich sichergestellt sein, dass die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme rechtssicher festgestellt werden kann. Dies ergibt allerdings nur vor dem Hintergrund Sinn, dass diese Noten als Verwaltungsakte dann auch in Bestandskraft erwachsen können, wenn die Klagefrist abgelaufen ist.
bb) Die Bestandskraft tritt ein, wenn der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Klagefrist verstrichen ist oder die Entscheidung im Rechtsbehelfsverfahren rechtskräftig geworden ist. Die Klagefrist beträgt bei Klagen ohne Vorverfahren gem. § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO einen Monat ab Bekanntgabe. Gem. § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Klagefrist jedoch nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist dies nicht der Fall, so kann der Rechtsbehelf gem. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO innerhalb eines Jahres ab Zustellung, Eröffnung oder Verkündung eingelegt werden.
Die Bekanntgabe erfolgt vorliegend nach Einstellen in das Internetportal am 23. März 2019 (s.o. I. 2. b)). Da hierbei eine Rechtsbehelfsbelehrungunterblieb, gilt die Jahresfrist. Somit begann die Frist gem. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1 BGB am 24. März 2019 um 0.00 Uhr und endete gem. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am 23. März 2020 um 24.00 Uhr.
Der Kläger erhob seine Klage erst am 8. April 2020 und damit nach Eintritt der Bestandskraft.
3. Soweit der Kläger vorträgt, die Erkrankung seiner Mutter hätte ihn daran gehindert, sein Studium erfolgreich weiter zu betreiben, dringt er damit nicht durch. Einen Antrag auf Fristverlängerung gem. § 8 Abs. 4 Satz 1 RaPO hat der Kläger nicht gestellt. Soweit er eine psychische Belastung geltend macht, hätte er diese durch ein ärztliches Attest glaubhaft machen müssen, § 8 Abs. 4 Satz 3 und 4 RaPO. Dies hat der Kläger weder im fraglichen Zeitraum noch im Klageverfahren getan.
Zudem ergibt sich aus dem im Prüfungsrechtsverhältnis verankerten Grundsatz von Treu und Glauben die Obliegenheit, Verhinderungsgründe unverzüglich geltend zu machen (BVerwG, U.v. 7.10.1998 – 7 C 8/88 – juris Rn. 13). Dies wäre dem Kläger – bei unterstellter psychischer Ausnahmesituation – auch zuzumuten gewesen. Aus dem Grundsatz der Chancengleichheit gem. Art. 12 GG und Art. 3 GG folgt, dass ein Prüfling keinen Vorteil aufgrund eines mutmaßlichen Verhinderungsgrundes haben darf. Ein berechnendes Abwarten, ob der Verhinderungsgrund geltend gemacht wird oder nicht, würde dem Prüfling einen unlauteren Vorteil bringen. Er darf seinen Verhinderungsgrund nicht nach Belieben ausspielen und nicht zuwarten, bis er Gewissheit darüber hat, dass die Geltendmachung des Verhinderungsgrundes ihm zum Vorteil gereicht vgl. hierzu ausführlich Jeremias in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 282ff.). § 20 Abs. 2 Satz 1 APO sieht für die Fristverlängerung insoweit vor, dass der Antrag auf Gewährung von Fristverlängerung spätestens eine Woche nach Bekanntgabe der Prüfungstermine schriftlich an die zuständige Prüfungskommission zu stellen ist. § 8 Abs. 4 RaPO selbst zeigt, dass das Stellen eines Antrags in diesem Zustand grundsätzlich zumutbar ist.
Überdies hätte sich der Kläger gegebenenfalls gem. Art. 48 Abs. 2 BayHSchG auf Antrag aus wichtigem Grund beurlauben lassen können, bis er sich zur Wiederaufnahme seines Studiums in der Lage gefühlt hätte. Auch dies hat er allerdings nicht getan.
II.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III.
Das Urteil ist gem. § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 VwGO im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.


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