Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründete Klage eines Asylbewerbers aus Nigeria

Aktenzeichen  Au 7 K 17.31300

Datum:
23.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 30 Abs. 1, 2, 3 Nr. 1
AsylG AsylG § 3
AsylG AsylG § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, 7 Satz 1

 

Leitsatz

1. Die Terrorgruppe Boko Haram stellt keinen Akteur, von dem Verfolgung ausgehen kann, im Sinne des § 3c Nr. 2 oder Nr. 3 AsylG dar. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann christlichen Glaubens, der die englische Sprache spricht, kann bei einer Rückkehr nach Nigeria auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden des Landes verwiesen werden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2017 entschieden werden, obwohl kein Vertreter der Beklagten zum Termin erschienen ist. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung, die der Beklagten am 18. Oktober 2017 zugestellt wurde, wurde darauf hingewiesen, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten nach § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
Die zulässige Klage ist offensichtlich unbegründet.
Der Bescheid vom 21. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat offensichtlich weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und auch nicht auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet – mit der Folge des Ausschlusses weiterer gerichtlicher Nachprüfung (§ 78 Abs. 1 Asylgesetz/AsylG) – voraus, dass im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (s. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (s. BVerfG B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – InfAuslR 2002, 146/148; BVerfG B.v. 7.4.1998 – 2 BvR 253/96 – juris). Unter welchen Voraussetzungen sich die Abweisung einer Asylklage „geradezu aufdrängt“, lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern bedarf der jeweiligen Beurteilung im Einzelfall. Eine Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet kommt insbesondere in Frage, wenn sich das Vorbringen des Asylsuchenden hinsichtlich der von ihm geltend gemachten individuellen Vorfluchtgründe als insgesamt unglaubhaft erweist oder die im Einzelfall geltend gemachte Gefährdung den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht und ohne Weiteres feststeht, dass für die selbstständig zu beurteilenden Nachfluchtgründe Gleiches gilt (s. BVerfG B.v. 3.9.1996 – 2 BvR 2353/95 – BayVBl. 1997, 13). Da dem Asylgesetz ein einheitlicher Begriff der offensichtlichen Unbegründetheit zu Grunde liegt, ist die Bestimmung des § 30 AsylG grundsätzlich auch für das gerichtliche Verfahren maßgeblich (vgl. BVerfG B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – InfAuslR 2002, 146/148).
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Klage gemäß § 30 Abs. 1, 2, 3 Nr. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Selbst wenn das Gericht dem Vorbringen des Klägers Glauben schenken würde, rechtfertigt dessen Vortrag unter keinem rechtlichen und sachlichen Gesichtspunkt die Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Darüber hinaus erweist sich der Vortrag des Klägers zur Überzeugung des Gerichts auch als frei erfunden.
1. Der Kläger hat offensichtlich keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
a) Der Kläger zu 1 hat sowohl gegenüber dem Bundesamt als auch gegenüber dem Gericht im Kern geltend gemacht, dass er deswegen nicht in seine Heimatregion …Nigeria zurückkehren wolle, weil dort Mitglieder seiner Familie (Eltern, Geschwister, Onkel mütterlicherseits) von der Terrorgruppe Boko Haram umgebracht bzw. bei Anschlägen dieser Gruppe getötet worden seien; in den Süden Nigerias wolle er nicht zurückkehren, weil er dort nichts bzw. niemanden mehr habe. Damit macht der Kläger selbst nicht geltend, dass ihm im ganzen Staatsgebiet Nigerias eine auf seine Person zielende Verfolgung in Anknüpfung an flüchtlingsrelevante Merkmale i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG droht. Vielmehr ist ersichtlich, dass er aus wirtschaftlichen Gründen nicht nach Nigeria zurückkehren will. Zudem stellt Boko Haram auch keinen Akteur, von dem Verfolgung ausgehen kann, im Sinne des § 3c Nr. 2 oder Nr. 3 AsylG dar. Denn zum einen beherrscht die Terrorgruppe Boko Haram keinen wesentlichen Teil des nigerianischen Staatsgebiets (§ 3c Nr. 2 AsylG), und zum anderen ist der nigerianische Staat sowohl in der Lage als auch willens, Schutz vor Verfolgung durch Boko Haram zu gewähren (§ 3c Nr. 3 AsylG). Denn der Boko Haram-Konflikt bzw. das Einflussgebiet von Boko Haram beschränkt sich im Wesentlichen auf den Nordosten Nigerias, wo es den islamistischen Terroristen in der zweiten Hälfte 2014 gelang, ein eigenes „Kalifat“, welches die territoriale Fläche von Belgien erreichte, zu errichten. Seit Februar 2015 konnte die nigerianische Armee aber den größten Teil dieses Territoriums zurückerobern (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Nigeria vom 21.11.2016, I., 1.4). Der Kläger, der christlichen Glaubens ist und die in Nigeria gängige Amtssprache Englisch spricht, ist zudem auf eine innerstaatliche Fluchtalternative in Nigeria, nämlich auf den (überwiegend christlichen) Süden Nigerias, zu verweisen (§ 3e AsylG), wo er Nachstellungen von Boko Haram nicht zu befürchten hat. Als jungem, gesunden und arbeitsfähigen jungen Mann mit, in Bezug auf Nigeria, überdurchschnittlicher Schulbildung, ist es dem Kläger auch zumutbar, sich im Süden Nigerias niederzulassen.
b) Darüber hinaus bewertet das Gericht die behauptete Verfolgungsgeschichte als offensichtlich unglaubhaft bzw. frei erfunden.
An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Ausländer im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt.
Der Kläger hat sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung in frappierender Weise gesteigert. Darüber hinaus stehen seine gesteigerten Angaben in der mündlichen Verhandlung auch noch in eklatantem Widerspruch zu dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schreiben vom 20. November 2017 (Darstellung seiner Verfolgungsgeschichte. Zudem hat er beim Bundesamt einerseits und in der mündlichen Verhandlung andererseits widersprüchliche Angaben gemacht.
Beim Bundesamt hat der Kläger mit keinem Wort erwähnt, dass er selbst Opfer eines Angriffs oder einer Entführung durch Boko Haram geworden sei (vgl. Anhörungsprotokoll vom 30.12.2016). Auch im gerichtlichen Verfahren ließ er durch seinen Bevollmächtigten „nur“ vortragen, dass sein Vater und seine Mutter erschossen worden seien, als die Polizeistation, deren örtlicher Polizeichef der Vater des Klägers gewesen sein soll, von Boko Haram angegriffen worden sei (vgl. Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 3.5.2017). Dagegen hat er in der mündlichen Verhandlung erstmals behauptet, dass er, nachdem er nach dem Anschlag auf den Biergarten seiner Mutter im Heimatort … nach … an die Universität zurückgekehrt sei, zusammen mit anderen Personen von Mitgliedern der Boko Haram, die sich als Soldaten verkleidet hätten, unter einem Vorwand nach … gebracht und dort in einem Raum eingesperrt worden sei. Dort hätten sich die Leute als Mitglieder von Boko Haram zu erkennen gegeben und vom Kläger und den anderen Gefangenen unter Todesdrohungen verlangt, dass sie sich der Boko Haram anschließen sollen. Sie sollten Wasser trinken, nach dessen Genuss „man alles vergisst, was vorher war“. Dann seien sie nachts in den Busch gebracht worden und während sie auf einen Bus gewartet hätten, der dieses spezielle Wasser bringen sollte und die Leute von Boko Haram ihnen erklärt hätten, was sie tun sollten, seien er und ein anderer weggerannt. Die Leute von Boko Haram hätten hinter ihnen her geschossen und er sei am Bein angeschossen worden (vgl. Sitzungsprotokoll S. 4).
Hätte der Kläger ein solch dramatisches Erlebnis tatsächlich durchleiden müssen, dann hätte er dies mit Sicherheit bereits beim Bundesamt vorgetragen, zumal er sich zum Zeitpunkt seiner Anhörung (30.12.2016) bereits knapp zwei Jahre in Deutschland befunden, zu diesem Zeitpunkt bereits gearbeitet hat (s. in der mündlichen Verhandlung vorgelegtes Arbeitszeugnis) und somit bei seiner Anhörung auch nicht unter dem Druck einer „gerade überstandenen“ Flucht gestanden hat. Die erstmalige Behauptung eines solchen Geschehens in der mündlichen Verhandlung spricht damit für sich gesehen bereits für die Unglaubhaftigkeit dieser Geschichte, zumal der Kläger auch keine glaubhafte Erklärung dafür vorbringen konnte, warum er solch einschneidende Geschehnisse – wenn sie denn wahr wären – nicht bereits beim Bundesamt vorgetragen hat. Seine Behauptung, er habe den Vorfall über seine Entführung auch beim Bundesamt vorgetragen, dieser sei aber nicht ins Protokoll aufgenommen worden, ist ersichtlich unwahr. Denn der Kläger hat mit seiner Unterschrift unter das Bundesamtsprotokoll bestätigt, dass ihm die verfasste Niederschrift rückübersetzt wurde und dass er ausreichend Gelegenheit hatte, die Gründe für seinen Asylantrag zu schildern und es auch keine Verständigungsschwierigkeiten gab (vgl. Bundesamtsprotokoll S. 7).
Zudem kann seine Entführungsgeschichte auch nur als schlecht erfundene „Räuberpistole“ bewertet werden. Insbesondere die Behauptungen, dass die Terroristen von Boko Haram nach der am Boden liegenden Person, die bei dem Fluchtversuch erschossen worden sein soll, geschaut hätten, aber nicht hinter ihm mit seinem angeschossenem Bein hergelaufen wären bzw. ihn nicht eingeholt hätten, obwohl er mit einem angeschossenen Bein mit Sicherheit nicht gerade schnell hätte weiterrennen können und dass er dann auch noch auf die Schnelle einem Motorradfahrer begegnet wäre, der ihn mitgenommen habe (vgl. Sitzungsprotokoll S. 4), sind derart lebensfremd, dass sich ihre Unglaubhaftigkeit geradezu aufdrängt.
Darüber hinaus hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch noch ein von ihm unter dem Datum 20. November 2017 unterzeichnetes Schreiben vorgelegt, in dem die angebliche Entführung ganz anders dargestellt wird, nämlich dass es gar nicht zu einer Entführung durch Boko Haram gekommen sei, sondern es bei einem Entführungsversuch geblieben sei. Hierzu wird in dem Schreiben ausgeführt: „Auch bin ich selbst einer versuchten Entführung der Boko Haram entgangen, weil ich mich durch meine Flucht auf dem Universitätsgelände, wo ich ein Studium der Politikwissenschaften absolvierte, verstecken konnte. Dabei wurde ich von einem Schuss ins Bein getroffen.“
Ein bezeichnendes Licht auf die Glaubwürdigkeit des Klägers wirft dann noch der Satz am Ende dieses Schreibens, „Ich versichere bei Gott, dass die hier zu Protokoll geschriebenen Tatsachen die reine Wahrheit sind.“
Dem Kläger kann darüber hinaus auch nicht einmal geglaubt werden, dass seine Eltern (und weitere Geschwister) am 26. Juni 2011 bei einem Anschlag der Boko Haram auf den von der Familie bzw. der Mutter des Klägers in der Stadt … betriebenen Biergarten ums Leben gekommen sein sollen.
Zum einen hat der Kläger beim Bundesamt den angeblichen Angriff auf den Biergarten lediglich „wie nebenbei“ erwähnt und auf die Frage nach seinen Asylgründen wie folgt ausgeführt: „Ich habe Nigeria wegen der Probleme am 26. Juni 2011 verlassen. … Wir hatten einen Biergarten, es war ein Familiengeschäft. Wir wurden attackiert. Dort haben die Probleme angefangen und ich bin geflohen. Diese Probleme begannen aber bereits 2003. Die Leute waren gegen die Polizei, das war der Grund. Als sie die Polizisten attackiert haben, hat sich die Polizei verteidigt.“ Anschließend hat der Kläger weitere Ausführungen zur politischen Lage, bzw. den Politikern „…“ und „…“ gemacht (vgl. Bundesamtsprotokoll S. 4, vorletzter Absatz). Weiter trug er dann vor, dass am 26. Juni 2011 seine „Ortschaft“ angegriffen worden sei und seine Eltern dabei ums Leben gekommen seien. In der Klagebegründung vom 3. Mai 2017 wurde ein Anschlag auf einen von der Familie des Klägers geführten Biergarten mit keinem Wort erwähnt. Vielmehr ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten ausführen, dass die „Polizeistation“ (S. 1 des Schriftsatzes) bzw. der „Heimatort“ (S. 2 des Schriftsatzes) am 26. Juni 2014 (gemeint wohl: 2011) von Boko Haram angegriffen worden sei. Im Übrigen wurde versucht darzustellen, dass die Rolle des Vaters des Klägers als örtlicher Polizeichef maßgebend dafür gewesen sein soll, dass Mitglieder der Familie „…“ ins Fadenkreuz von Boko Haram geraten sein sollen.
Erstmals in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger einen (angeblichen) Anschlag von Boko Haram am 26. Juni 2011 in der Stadt … auf einen von seiner Mutter betriebenen Biergarten, bzw. wie und was er davon erfahren haben will, detailliert geschildert (vgl. Sitzungsprotokoll S. 2 bis 4). Gegen die Glaubhaftigkeit dieser Behauptungen spricht bereits, dass der Kläger, wie dargelegt, entsprechende Schilderungen beim Bundesamt nicht abgegeben hat. Zudem sind zwar Anschläge von Boko Haram auf Bierlokale am Sonntag, den 26. Juni 2011 bekannt, diese fanden aber allesamt in der Stadt … (Hauptstadt des Bundesstaates …) statt, die etwa 140 km von der Stadt … entfernt liegt. Hierzu wird in verschiedenen Publikationen übereinstimmend berichtet, dass am 26. Juni 2011 Mitglieder der Boko Haram bzw. mutmaßliche Islamisten einen Anschlag auf mehrere Bierlokale in … verübt hätten, bei denen bis zu 30 Menschen getötet worden seien (vgl. news.ORF.at/stories/2065658; Neue Züricher Zeitung vom 27.6.2011, www.nzz.ch/gegen-30-tote-bei-anschlag-auf-bierlokale-in-nigeria; … – Wikipedia). Dagegen ist nichts darüber zu finden bzw. wird in keiner Publikation darüber berichtet, dass am selben Tag (26.6.2011) auch in der Stadt … ein Anschlag von Boko Haram bzw. Islamisten stattgefunden hätte, es wird weder ein Anschlag auf ein Bierlokal, noch auf eine Polizeistation oder überhaupt ein Anschlag in der Stadt … für diesen Tag gemeldet. Da es sich bei der Grenzstadt … aber nicht etwa um irgendein unbedeutendes kleines Dorf handelt, wäre über einen Anschlag auf ein dortiges Bierlokal oder die Polizeistelle mit Sicherheit berichtet worden, zumal wenn am selben Tag auch Bierlokale in der Stadt … überfallen worden sind. Damit drängt es sich geradezu auf, dass der Kläger diesen bekannten Anschlag auf Bierlokale in … lediglich zum Anlass genommen hat, um hierauf seine Verfolgungsgeschichte zu konstruieren.
Zudem spricht Folgendes dafür, dass der Kläger (auch) den Anschlag auf ein angeblich von seiner Mutter bzw. Familie betriebenes Bierlokal in … erfunden hat. Beim Bundesamt hat der Kläger angegeben, dass seine Mutter und sein Vater bei einem Anschlag ums Leben gekommen seien, erwähnt har er beim Bundesamt auch den Tod des am 12. Mai 2011 ermordeten Vorsitzenden ihrer Gemeinde. Dass auch Geschwister bei diesem Anschlag am 26. Juni 2011 umgekommen wären, hat er nicht erwähnt. Auch durch seinen Bevollmächtigten hat er im Schriftsatz vom 3. Mai 2017 nur die Tötung von Mutter und Vater sowie des Seelsorgers der Familie vortragen lassen. Erstmals in der mündlichen Verhandlung hat er dagegen behauptet, dass auch sein (Zwillings-) Bruder und seine ältere Schwester bei diesem Anschlag getötet worden seien (vgl. Sitzungsprotokoll S. 6 und sein Schreiben vom 20.11.2017).
Zudem hat der Kläger auch insofern unrichtige Angaben gemacht, als er in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, für die Strecke von … nach … brauche man je nach Verkehrslage ca. ein bis zwei Stunden (vgl. Sitzungsprotokoll S. 3). Für die ca. 140 km lange (Fahr-) Strecke von … nach … benötigt man aber in der Regel gut über zwei Stunden (vgl. https://www.distance.to/ …, Driving Route: 141,21 km, 2h 20min.). Da der Kläger die Strecke von … zu seinem Heimatort … mit Sicherheit des Öfteren zurückgelegt hätte, wenn seine Angaben wahr wären, er stamme aus … und habe in … studiert, wäre zu erwarten gewesen, dass er hierzu richtige bzw. realistische Angaben macht.
Lediglich ergänzend sind noch folgende widersprüchliche Angaben des Klägers zu erwähnen:
Beim Bundesamt hat der Kläger angegeben, sein Onkel mütterlicherseits, bei dem er nach dem Tod seiner Eltern gelebt haben will, sei am 4. September 2011 bei einem Angriff auf den Markt, auf dem er Tee verkauft habe, erschossen worden (vgl. Anhörungsprotokoll S. 4 letzter Absatz). Dagegen hat er in der mündlichen Verhandlung behauptet, dass sein Onkel am 3. Oktober 2011 bei einem Anschlag ums Leben gekommen sei (vgl. Sitzungsprotokoll S. 6), und im Schreiben vom 20. November 2017 hat er zwar ebenfalls behauptet, dass der Onkel am 3. Oktober 2011 getötet worden sein soll, dies wäre aber bei einem Anschlag auf sein Haus geschehen.
Beim Bundesamt hat der Kläger vorgetragen, er sei mit einem jungen Mann aus dem Niger von Nigeria aus in den Staat Niger gereist, dem er hierfür 9.000 Naira bezahlt habe (vgl. Bundesamtsprotokoll S.4/5). In dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schreiben vom 20. November 2017 hat er dagegen angegeben, er sei mit einer Gruppe Christen nach Niger geflüchtet.
Nach allem bleibt festzustellen, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass dem Kläger überhaupt nichts von dem, was er zu seinem angeblichen Verfolgungsschicksal vorgetragen hat, geglaubt werden kann. Damit kann dem Kläger auch nicht einmal geglaubt werden, dass er aus … bzw. aus dem Bundesstaat … stammt und auch nicht, dass seine Eltern bei einem Anschlag dort ums Leben gekommen sind.
Hierfür spricht auch, dass der Kläger mit einer nur als realitätsfern zu bewertenden Erklärung versucht hat, darzulegen, warum er keine Nachweise für Überweisungen vorlegen kann, die er angeblich einem katholischen Waisenhaus in … zukommen lässt, in dem seine Schwester noch leben soll. Abgesehen davon erscheint es auch nicht glaubhaft, dass es in der Stadt, welche gerade im Jahr 2014 Ziel äußerst brutaler Überfälle von Boko Haram war, noch ein katholisches Waisenhaus geben soll. Vielmehr drängt sich die Überlegung auf, dass der Kläger nicht offenlegen will, dass er Geld an seine Schwester (oder andere Angehörige) überweist, die aber nicht in … bzw. dieser Region leben.
Nach allem ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger Nigeria aus asylrechtlich nicht relevanten Gründen verlassen hat und sich offensichtlich nur aus wirtschaftlichen Gründen in Deutschland aufhält.
c) Dem unverfolgt aus Nigeria ausgereisten Kläger drohen im Falle der Rückkehr in sein Heimatland keinerlei Verfolgungsmaßnahmen. Es bestehen keine Erkenntnisse darüber, dass abgelehnte Asylbewerber bei einer Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Asylantragstellung mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätten (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Stand: September 2016 – vom 21. November 2016 – Lagebericht – Nr. IV.2).
2. Der beantragte (unionsrechtliche) subsidiäre Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG bleibt ohne Erfolg, wofür ergänzend auf die zu § 3 AsylG erläuterten Gründe (siehe unter 1.) verwiesen wird.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylG).
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger offensichtlich keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Die Schilderungen zur Gefahr sind völlig unglaubhaft und unsubstantiiert im Sinne von § 30 Abs. 1, Abs. 2 AsylG. Im Herkunftsstaat hat er (siehe Ausführungen unter 1 b)) offensichtlich keine Gefahr erlebt. Weshalb ihm bei der Rückkehr ein ernsthafter Schaden, insbesondere eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder gar die Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) drohen sollte, ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar geworden. Schließlich besteht in Nigeria auch kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
3. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch insoweit offensichtlich rechtmäßig, soweit festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4 des Bescheids). Es wird auf die zutreffenden Ausführungen hierzu unter Nr. 4 der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamts vom 21. Februar 2017 Bezug genommen, denen das Gericht folgt und von einer Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit absieht (§ 77 Abs. 2 AsylG).
4. Die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls rechtmäßig, da die Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorliegen.
5. Gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG sind keine substantiierten Einwände erhoben worden und solche sind auch nicht ersichtlich.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).
Das Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).


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