Aktenzeichen M 28 K 17.36630
VwGO § 78 Abs. 1
Leitsatz
1. Eine Asylklage ist offensichtlich unbegründet, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Klageabweisung geradezu aufdrängt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria, wo ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum leben und die damit zusammenhängenden Gefahren führen grundsätzlich nicht zu einer individuellen gerade dem Kläger drohenden Gefahr, sondern ist unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren, denen die Bevölkerung allgemein ausgesetzt ist. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
Über die Klage konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen oder zu seinen Gunsten das Vorliegen der Voraussetzungen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung (Ziffer 5. des Bescheids) sowie der Befristungsentscheidung (Ziffer 6. des Bescheids) bestehen keine Zweifel.
Zur Begründung wird auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG) sowie auf die den Parteien bekannten Entscheidungsgründe des Eilverfahrens Az. M 28 S 17.36632 verwiesen.
Ergänzend ist auszuführen:
Die Klage war gemessen am Maßstab des § 30 AsylG als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Letzteres setzt voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt. Da dem Asylgesetz ein einheitlicher Begriff der offensichtlichen Unbegründetheit zu Grunde liegt, ist die Bestimmung des § 30 AsylG grundsätzlich auch für das gerichtliche Verfahren als Maßstab heranzuziehen. Gemäß § 30 Abs. 2 AsylG ist ein Asylantrag insbesondere dann offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalls offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält. Bei der Berufung auf eine Individualverfolgung kann das Offensichtlichkeitsurteil unter anderem dann gerechtfertigt sein, wenn die im Einzelfall behauptete Gefährdung offensichtlich nicht asylrelevant ist, den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität zweifelsfrei nicht erreicht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als eindeutig unglaubhaft erweist (vgl. VG München Urt. V. 16.08.2017 – Az.: M 28 K 16.35808).
Es ist insbesondere schon nach den eigenen Angaben des Klägers im Verfahren vor dem Bundesamt davon auszugehen, dass er sich aus rein wirtschaftlichen Gründen bzw. um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält (§ 30 Abs. 2 AsylG). Seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung stützen diese Einschätzung. Auf Frage des Gerichts, ob man es zusammenfassend so darstellen könne, dass er Nigeria aufgrund seiner wirtschaftlich schwierigen Situation verlassen habe, bestätigte der Kläger dies als korrekt.
Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Nigeria in eine derart schlechte wirtschaftliche Lage kommen könnten, dass ausnahmsweise in seinem außergewöhnlichen Einzelfall aufgrund schlechter humanitärer Bedingungen bzw. einer mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehenden extremen Gefahrenlage ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bzw. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht zu ziehen wäre (dazu BVerwG, U. v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 23 – 26 sowie Rn. 38).
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria – hier leben immer noch ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum und sind von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Lagebericht – vom 21. November 2016, Stand September 2016, Nr. I.2.) – und die damit zusammenhängenden Gefahren grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade dem Kläger drohenden Gefahr führt, sondern unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren ist, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist und die gemäß § § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG durch Anordnungen gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind (VG Augsburg, Beschluss vom 20. Januar 2017 – Au 7 S 16.32934).
Die Rechtsprechung geht zudem überwiegend davon aus, dass ein gesunder, junger, lediger Mann in Nigeria in der Lage ist, sein Existenzminimum zu sichern (vgl. z.B. VG Augsburg, Beschluss vom 09.05.2017 – Au 7 S 17.31306; VG München, Beschluss vom 21. Juli 2017, M 28 S 17.36429). Der Kläger hat dies selbst im Ausland, hier in Libyen, für mehrere Monate geschafft. Er hat in Nigeria immerhin 10 Jahre lang die Schule besucht, wenn auch ohne Abschluss. Ausreichend ist in Bezug auf die wirtschaftliche Situation des Klägers, dass es ihm voraussichtlich gelingen wird, sich mit Gelegenheitsarbeiten „durchzuschlagen“ (vgl. hierzu VG Minden, Urteil vom 14.03.2017 – 10 K 2413/16.A sowie VG Würzburg, Urteil vom 12. August 2016 – W 1 K 16.30842). Nur als ergänzende Erwägung kommt hinzu, dass der Kläger im Falle einer freiwilligen Rückkehr nach Nigeria finanzielle Unterstützung aus den Programmen REAG bzw. GARP erhalten kann, die es ihm erleichtern würden, eine Übergangszeit bis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu überbrücken (vgl. hierzu VG Minden, Urteil vom 14.03.2017 – 10 K 2413/16.A).
Die (gerichtskostenfreie, § 83 b AsylG) Klage war deshalb als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO.
Dieses Urteil ist unanfechtbar, § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG.
…
Gründe sich die von einem Ausländer geltend gemachte Furcht ausschließlich auf Gefahren, die die ganze Bevölkerung oder ein Bevölkerungsgruppe, der der Antragsteller angehört, allgemein beträfen, so sei die Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Verfahren bei Bundesamt gesperrt und bleibe Schutzanordnungen der obersten Landesbehörden für den betroffenen Personenkreis vorbehalten (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Die durch Bundesverwaltungsgericht entwickelte Rechtsprechung zur verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG komme nach der dargestellten neuen Auslegung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht mehr in Betracht. Die durch eine schlechte humanitäre Situation bedingten Gefahren fänden bereits im Rahmen der Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK Berücksichtigung.
Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Der Bescheid wurde ausweislich der Behördenakten am 1. April 2017 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 5. April 2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte,
den Bescheid des Bundesamtes vom 30. März 2017 in den Ziffern 1.) und 3.) bis 6.) aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen, die Beklagte zu verpflichten, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen.
Eine Begründung der Klage erfolgte nicht.
Die Beklagte äußerte sich, von der Aktenvorlage abgesehen, nicht zum Verfahren.
Die Klage wurde zunächst unter dem Aktenzeichen M 21 K 17.36632 und wird nunmehr unter dem Aktenzeichen M 28 K 17.36632 geführt.
Ferner beantragte er ebenfalls am 5. April 2017 hinsichtlich der Ausreiseaufforderung und der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen. Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom 17. August 2017 des Bayerischen Verwaltungsgerichts München abgelehnt.
Mit Beschluss vom 17. August 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Am 25. September 2017 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden, zu der von Seiten der Beklagten kein Vertreter erschienen ist. In der mündlichen Verhandlung fragte das Gericht den Kläger, ob man es zusammenfassend so darstellen könne, dass er Nigeria aufgrund seiner wirtschaftlich schwierigen Situation verlassen habe, was dieser als korrekt bestätigte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des Klage- und des Eilverfahrens und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.