Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründete Klage – Einreise auf dem Landweg

Aktenzeichen  Au 4 K 15.30721

Datum:
5.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

1 Die Anerkennung als Asylberechtigter scheidet aus, wenn die Einreise auf dem Landweg – also aus einem sicheren Drittstaat – in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die allgemein schlechte wirtschaftliche Lage in Sierra Leone begründet kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1 AufenthG. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird hinsichtlich der Ziffern 1. und 2. des Bescheides vom 1.12.2015 als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II.
Hinsichtlich der Ziffern 3., 4., 5. und 6. wird die Klage abgewiesen.
III.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Über die Klage konnte entschieden werden, obwohl zur mündlichen Verhandlung der Kläger nicht erschienen ist; der Kläger war darauf in der Ladung hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beklagte hat allgemein auf die Einhaltung der Ladungsfrist verzichtet. Die … als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat auf jegliche Zustellungen mit Ausnahme der Endentscheidung verzichtet.
Die zulässige Klage ist bezüglich der Anerkennung als Asylberechtigter und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich unbegründet.
Die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet kann vor Gericht nur dann Bestand haben, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Auffassung die Abweisung des Begehrens sich dem Gericht geradezu aufdrängt. Es muss sich aus den Entscheidungsgründendes Urteils klar ergeben, weshalb das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass der Asylantrag nicht nur schlicht, sondern offensichtlich unbegründet ist (vgl. BVerfG vom 7.11.2008 Az. 2 BvR 629/06 – juris m. w. N.).
Die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen bereits offensichtlich deshalb nicht vor, weil der Kläger nach seinen eigenen Angaben zunächst nach Rotterdam (Niederlande) mit dem Schiff gefahren sein will und dann von dort aus mit einem PKW nach Deutschland gefahren ist. Da die Niederlande ein Mitgliedstaat der Europäischen Union und damit ein sicherer Drittstaat sind (vgl. § 26a Abs. 2 AsylG), ist die Asylanerkennung gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 26a Abs. 1 AsylG von vornherein ausgeschlossen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
Eine derartige Verfolgung hat der Kläger bereits nicht vorgetragen. Auslöser für die Flucht war nach seinen eigenen Angaben eine angebliche Bedrohung durch den ehemaligen Freund seiner Mutter bzw. seine Entführung durch diesen und damit nicht wegen einer Verfolgung aus den in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründen. Auch insoweit ist offensichtlich, dass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft hat.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Ein Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 AsylG besteht für den Kläger nicht. Die Angaben des Klägers zur Bedrohung durch den ehemaligen Freund der Mutter reichen nicht im Ansatz für die Annahme, dass dem Kläger eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG bei einer Rückkehr nach Sierra Leone droht. Im Übrigen sind seit dem vom Kläger vorgetragenen Geschehen bereits nahezu 30 Jahre vergangen.
Auch im Übrigen bestehen nach gegenwärtiger Auskunftslage keine stichhaltigen Gründe dafür, dass dem Kläger in Sierra Leone ein ernsthafter Schaden droht, zumal dort seit Ende des Bürgerkriegs im Jahre 2002 ein stabiler Frieden herrscht. Somit droht dem Kläger auch keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG).
Es bestehen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG. Auch insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes vom 1. Dezember 2015 Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Das Gericht geht ebenfalls davon aus, dass der Kläger nicht Gefahr läuft, dass die Abschiebung eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde. Der Kläger ist im arbeitsfähigen Alter und hat hier in Deutschland zwei Tätigkeiten als Lagerarbeiter bzw. Bodenreiniger ausgeübt (vgl. Blatt 6 der Gerichtsakte). Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger auch in Sierra-Leone trotz erschwerter Umstände aufgrund der allgemeinen schlechten wirtschaftlichen Lage in der Lage sein wird, sein Existenzminium zu erwirtschaften. Dabei geht das Gericht ebenfalls davon aus, dass der Kläger sich nicht bereits seit nahezu 30 Jahren nicht mehr in Sierra-Leone aufgehalten hat, weil er im Alter von acht oder neun Jahren mit seinem Vater nach Libyen geflohen ist. Der Kläger hat – anders als bei der Anhörung beim Bundesamt am 8. April 2014 zwei Jahre später in … – zu dem Zeitpunkt, als er am 10. März 2012 auf der Autobahn aufgegriffen und befragt wurde, angegeben, mit dem Schiff aus Freetown/Sierra-Leone und nicht aus Souara/Libyen nach Rotterdam gekommen zu sein. Diese damalige „spontane“ Angabe erscheint dem Gericht durchaus glaubhaft. Nachdem der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, konnte diesbezüglich keine nähere Aufklärung erfolgen. Es spricht vieles dafür, dass der Kläger somit erst vor etwa vier Jahren Sierra-Leone verlassen hat und dort auch noch über Beziehungen verfügt, die es erleichtern, dort Arbeit zu finden.
Der Bescheid vom 1. Dezember 2015 ist auch hinsichtlich des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG in Ziffer 6. rechtmäßig. Auf die Ausführungen im Eilbeschluss vom 16. Dezember 2015 (dort Rn. 23) sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG) wird insoweit Bezug genommen.
Die im angefochtenen Bescheid enthaltene Abschiebungsandrohung nach Sierra-Leone ist gemäß § 34 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG ebenfalls rechtmäßig, weil der Kläger nicht als Asylberechtigter anerkannt wurde, ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt und subsidiärer Schutz nicht gewährt wird sowie die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen und der Kläger nicht im Besitz eines sonstigen – asylunabhängigen – Aufenthaltstitel ist. Die Ausreisefrist von sieben Tagen nach Abschluss des Asylverfahrens ergibt sich aus § 36 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 30 Abs. 1 AsylG.
Da die Klage erfolglos bleibt, hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieses Urteil ist hinsichtlich Ziffer I. unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 AsylG).


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