Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag

Aktenzeichen  M 4 S 17.32729

Datum:
8.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29a Abs. 1, Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1, Abs. 4 S. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Gegen Bedrohungen durch die Familie oder andere nichtstaatliche Akteure steht einem Rückkehrer im Senegal in den Großstädten eine inländische Fluchtalternative und damit interner Schutz iSd § 3e AsylG zur Verfügung. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde.
Der Antragsteller gibt an, senegalesischer Staatsangehöriger zu sein und dem Islam anzugehören. Er habe sein Heimatland im April 2014 verlassen und sei über den Landweg am … März 2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Hier stellte er am 27. April 2015 einen Asylantrag.
Bei seiner persönlichen Anhörung am … September 2016 trug der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass sein Vater verstorben sei und er zusammen mit seinem Onkel gelebt habe. Er habe immer Streit mit dessen Kindern gehabt, die älter als er gewesen seien. Sein Onkel habe zwei Frauen gehabt und die hätten immer wieder Probleme mit seiner Mutter gehabt. Sie hätten seine Mutter weggejagt, obwohl das Haus ihnen allen gehört habe. Die Kinder des Onkels hätten ihn geschlagen und am Kopf verletzt. Auch auf den Bauch hätten sie ihn geschlagen. Er sei im Krankenhaus gewesen und habe lange Schmerzen gehabt. Auch in Deutschland sei er deswegen behandelt worden, sie hätten ihm Medikamente verschrieben, eine weitere Behandlung sei aber nicht vorgesehen. Im Senegal habe er dann bei einem Freund in … gelebt. Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die Anhörung verwiesen.
Mit Bescheid vom 3. Februar 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (1. und 2.). Auch der Antrag auf subsidiären Schutz wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt (3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG- lägen nicht vor (4.). Der Antragsteller werde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er in den Senegal abgeschoben. Er könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (6.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (7.).
Das Bundesamt begründete den Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Antragsteller keine schutzwürdigen Belange angegeben habe. Beim Senegal handle es sich um einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz -GG-. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
Aus der Postzustellungsurkunde geht nicht klar hervor, wann und wo der Brief dem Antragsteller zugestellt wurde. Zum einen wird eine Postbank Partnerfiliale als Niederlegungsort genannt, zum anderen ein Einwurf in den Gemeinschaftsbriefkasten.
Mit Telefax vom 13. Februar 2017 erhob der Antragsteller Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid (Az. M 4 K 17.32727) und beantrage nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Mit Schreiben vom 15. Februar 2017 begründete der Antragsteller seinen Antrag. Im Wesentlichen brachte er vor, dass er nach dem Tod seines Vaters ein zunehmend schlechteres Verhältnis zur Familie seines Onkels gehabt habe. Er sei geschlagen worden und die Kinder seines Onkels hätten ihn mit dem Tod bedroht. Er sei zusammen mit einem Freund nach … geflohen und auch dort weiterhin bedroht worden. Er habe sich nirgends sicher gefühlt und sei nach Deutschland geflohen. Er leide unter Angstzuständen, einerseits durch die erlittenen körperlichen Schmerzen und andererseits wegen der ausgesprochenen Todesdrohungen durch seine Familie. Seine Verwandten hätten ihm angedroht, dass sie ihn egal, wo er im Senegal leben würde, finden und umbringen würden. Im Übrigen wird auf das Schreiben verwiesen.
Die Antragsgegnerin legte die Akten vor, äußerte sich sonst jedoch nicht im Verfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung hat keinen Erfolg.
I.
Eine abschließende Klärung, ob der Antrag fristgerecht gestellt wurde, war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht möglich. Die vorgelegte Postzustellungsurkunde ist in sich widersprüchlich.
II.
Jedenfalls ist der Antrag unbegründet.
Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. – juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Ein-schätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufenthG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, mit einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung von Entscheidungsgründen ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
a) Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG).
Hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft enthält der Vortrag des Antragstellers schon keinerlei Anknüpfungspunkt für das Vorliegen eines im Sinne der §§ 3 ff. AsylG relevanten Verfolgungsschicksals. Insbesondere fehlt es hier schon an einem Anknüpfungsmerkmal. Zudem hat der Antragsteller die angeblich ausgesprochenen Todesdrohungen und die Bedrohung durch die Verwandten in … im gerichtlichen Verfahren erstmalig vorgetragen, ohne dass er einen überzeugenden Grund dafür nannte, wieso er davon bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt nicht berichtet hatte. Insoweit enthält sein Vortrag gegenüber der Anhörung beim Bundesamt deutliche Steigerungen. Er ist für das Gericht damit nicht glaubhaft. Zudem hat der Antragsteller sich nicht an die örtliche Polizei gewandt, was ihm nach § 3d AsylG jedoch zuzumuten gewesen wäre. Auch wäre der Antragsteller zunächst auf andere Ausweichmöglichkeiten im Senegal im Sinne von § 3e AsylG zu verweisen. Im Senegal gibt es mehrere Großstädte, in denen auch ein weitgehend anonymes Leben erscheint.
Dies gilt auch für das Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes im Sinne der §§ 4 ff. AsylG. Auch insofern war der Antragsteller jedenfalls darauf zu verweisen, innerhalb des Senegals umzuziehen und so der Familie seines Onkels aus dem Weg zu gehen (vgl. §§ 3e, 4 Abs. 3 AsylG) bzw. zunächst intern Schutz durch die örtliche Polizei in Anspruch zu nehmen (§§ 3d, 4 Abs. 3 AsylG).
b) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
Auch im gerichtlichen Verfahren hat der Antragsteller keine Atteste vorgelegt, die bei einer Abschiebung eine erhebliche konkrete Gefahr für sein Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthG glaubhaft machen könnten.
Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes vom 14.10.2016, dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d.h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20). Für das Vorliegen einer solchen extremen Gefahrenlage gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte.
c) Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung insgesamt nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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