Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag

Aktenzeichen  M 4 S 17.32621

Datum:
7.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29a Abs. 1, Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1, Abs. 4 S. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Wegen der großen Anzahl von Freiwilligen werden im Senegal seit Jahren keine Wehrpflichtigen mehr zur Ableistung des Militärdienstes eingezogen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde.
Der Antragsteller gibt an, den Senegal im Jahr 2013 verlassen zu haben. Über Marokko, Portugal (Flugzeug), und Italien sei er am … Juli 2015 mit dem Zug in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Hier stellte er am 18. September 2015 einen Asylantrag. In den Akten befinden sich zwei Versionen der Niederschrift über den Asylantrag vom 18. September 2015. In der ersten wird als Staatsangehörigkeit Mali und als Geburtsort … angegeben.
Bei seiner Erstbefragung vor dem Bundesamt am selben Tag gab der Antragsteller an, dass er mit einem Visum für die Bundesrepublik Deutschland bzw. einen anderen Mitgliedstaat eingereist sei. Das Visum sei von der Botschaft von Portugal im Senegal ausgestellt worden. Es sei einen Monat gültig gewesen.
Die Behördenakten enthalten einen Auszug aus dem VIS mit den Anfrageergebnissen zum Antragsteller. Danach sei der Geburtsort des Antragstellers … … seine Staatsangehörigkeit sei senegalesisch. Er habe am … Juni 2015 ein Visum zum Kurzaufenthalt von acht Tagen in die Schengen Staaten erhalten. Das Visum sei in … ausgestellt worden. Er habe bei der Antragstellung einen Reisepass vorgelegt.
Daraufhin wurde die Niederschrift über den Asylantrag vom 18. September 2015 abgeändert und als Staatsangehörigkeit Senegalesisch und als Geburtsort … eingetragen.
In einem Schreiben vom 7. November 2015 gab der Antragsteller an, dass er nicht im Senegal, sondern in Mali geboren sei. Bei der Anhörung zum Dublin III Verfahren habe er den Dolmetscher schlecht verstanden. Er sei aus dem Senegal geflüchtet, da sein Vater ihn gezwungen habe, zum senegalesischen Militär zu gehen. Er habe Absprachen gemacht, die ihn verpflichtet hätten, zum Militär zu gehen. In seinem Land würde er bei seiner Rückkehr als Fahnenflüchtling gelten und mit einer Gefängnisstrafe rechnen müssen. Gegenüber seinem Vater als Familienoberhaupt habe er kein Recht auf Widerspruch. Die Zusage sei für ihn verbindlich. Im Übrigen wird auf das Schreiben verwiesen.
Bei seiner persönlichen Anhörung am … Dezember 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass er ausgereist sei, weil sein Vater gewollt habe, dass er den Wehrdienst absolviere. Das sei zwischen 2011 und 2013 gewesen. In Mali und Gambia herrsche Krieg. Er habe befürchtet, dass er im Rahmen seines Wehrdienstes in diesen Ländern kämpfen müsse. Er habe seinem Vater nicht widersprechen können, weil er dies als Familienoberhaupt nicht akzeptieren würde. Er sei nach Dakar gegangen und hier zwei Monate zum Arbeiten geblieben. Dort habe er als LKW-Fahrer gearbeitet. Er habe bei seiner Großmutter gewohnt. Sein Vater habe ihn öfters besucht und weiter gedrängt. Daran, in eine andere Stadt zu gehen, und sich dort ein Leben aufzubauen, habe er nicht gedacht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die Anhörung verwiesen.
In einem weiteren Schreiben vom 7. Dezember 2016 trägt der Antragsteller vor, er leide unter Hepatitis B und sei in Deutschland in Behandlung. Er legte ein Attest vor. Er sei in Mali geboren, seine Mutter stamme aus diesem Land.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (1. und 2.). Auch der Antrag auf subsidiären Schutz wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt (3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG- lägen nicht vor (4.). Der Antragsteller werde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er in den Senegal abgeschoben. Er könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (6.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (7.).
Das Bundesamt begründete den Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Antragsteller keine schutzwürdigen Belange angegeben habe. Beim Senegal handle es sich um einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz. Die Wehrpflicht bestehe für alle männlichen Senegalesen. Wegen der großen Zahl von Freiwilligen würden aber seit Jahren keine Wehrpflichtigen mehr eingezogen. Der Antragsteller sei laut einem Attest an einer chronischen HBV-Infektion erkrankt. Die Virenlast liege bei 60IU/ml. Eine Therapie werde erst bei einer Virenlast von 2000 IU/ml angeordnet. Somit bestehe keine unmittelbare Gefahr für den Antragsteller. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
Der Antragsteller erhob am 13. Februar 2017 Klage durch Niederschrift beim Urkundsbeamten (Az. M 4 K 17.32619) und beantragte nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass er nicht aus dem Senegal, sondern aus Mali stamme. Außerdem leide er an Hepatitis B.
Die Antragsgegnerin legte die Akten vor, äußerte sich sonst jedoch nicht im Verfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung hat keinen Erfolg. Der Antrag ist unbegründet.
Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. – juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Ein-schätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufenthG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, mit einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung von Entscheidungsgründen ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
a) Auch das Gericht hat keine Zweifel an der Einordnung des Antragstellers, der keinen Ausweis vorgelegt hat, als Senegalesen. Zwar gab der Antragsteller wiederholt an, aus Mali zu stammen. Jedoch lässt der Auszug aus dem VIS hinsichtlich des Antragstellers erkennen, dass dieser als senegalesischer Staatsangehöriger mit Reisepass in … einen Visumsantrag für die Schengen Staaten gestellt hat. Als Geburtsort wird hier … … angegeben. Auch macht der vom Antragsteller vorgetragene Sachverhalt nur dann Sinn, wenn er als Senegalese der senegalesischen Wehrpflicht unterläge.
b) Darüber hinaus ist im Antragsvorbringen zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen.
Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet. Der Vortrag des Antragstellers enthält keinerlei Anknüpfungspunkt für das Vorliegen eines im Sinne der §§ 3 ff. AsylG relevanten Verfolgungsschicksals. Insbesondere ist vorliegend schon kein Anknüpfungsmerkmal ersichtlich.
Auch die Voraussetzungen des subsidiären Schutzes im Sinne der §§ 4 ff. AsylG liegen offensichtlich nicht vor. Zwar besteht im Senegal eine allgemeine Wehrpflicht. Wegen der großen Anzahl der Freiwilligen werden aber seit Jahren keine Wehrpflichtigen mehr eingezogen (Bericht des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sichereres Herkunftsland, Stand: August 2016, S. 10). In seiner Anhörung trug der Antragsteller auch nur vor, dass sein Vater ihn zu einer Meldung dränge. Dass dieser ihn schon verpflichtet habe, trug der Antragsteller hier nicht vor. Insofern stellte er sich in Widerspruch zu seinen schriftlichen Angaben. Diesem Drängen des Vaters hätte der Antragsteller sich aber leicht entziehen können, indem er innerhalb des Senegals umgezogen wäre, §§ 3e, 4 Abs. 3 AsylG.
c) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
Auch hinsichtlich § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat der Antragsteller nichts vorgetragen, was zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen könnte. Es ist keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Antragstellers ersichtlich. Die vorgetragene Hepatitis-Erkrankung hat nach dem vorgelegten Attest noch kein behandlungsbedürftiges Stadium erreicht. Auch ist in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG mittlerweile ausdrücklich geregelt, dass nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik gleichwertig sein muss.
Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand August 2016, S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d.h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20). Dies ist vorliegend nicht ersichtlich.
d) Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung insgesamt nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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