Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag armenischer Staatsangehöriger

Aktenzeichen  M 16 S 17.30790

Datum:
1.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 3c Nr. 3, § 3e, § 30

 

Leitsatz

1 Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die staatlichen Organe in Armenien nicht willens oder nicht in der Lage wären, Schutz vor Verfolgung durch nichtstaatlicher Akteure zu gewährleisten. (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Eine Verfolgung von Angehörigen des jesidischen Glaubens besteht in Armenien nicht. Die privilegierte Stellung der armenisch-apostolischen Kirche führt trotz verfassungsrechtlich garantierter Religionsfreiheit lediglich bisweilen zu einer gewissen Zurücksetzung anderer Religionsgemeinschaften, ohne dass dies den für die Annahme einer Verfolgung erforderlichen Schweregrad erreicht.  (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragsteller sind armenische Staatsangehörige yesidischer Religionszugehörigkeit. Nach eigenen Angaben reisten sie am 28. November 2015 in das Bundesgebiet ein. Am 29. Februar 2016 stellten sie Asylanträge.
In ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gaben die Antragsteller im Wesentlichen an, sie hätten in ihrem Heimatland Problem mit der Mafia gehabt. Am 15. August 2015 seien vier Männer zu ihnen nach Hause gekommen. Drei davon hätten die Antragstellerin zu 2 verprügelt, während der vierte Mann ums Haus gegangen sei. Als der Antragsteller zu 1 zu Hilfe gekommen sei, habe man auch auf ihn eingeschlagen. Erst als auch der Nachbarsohn gekommen sei, habe man von ihnen abgelassen. Die Unbekannten hätten aber gesagt, man werde die Antragsteller töten. Hintergrund der Todesdrohung sei, dass ein Familienmitglied der Antragsteller im Alter von 14 Jahren von der Mafia überfahren worden sei. Daraufhin habe ein Cousin des Verstorbenen Anzeige erstattet. Da er nicht bereit gewesen sei, die Anzeige zurückzuziehen, habe die Mafia ihn umgebracht. Da der Sohn der Antragsteller die Strafverfolgung vorangetrieben habe, seien die Unfallverursacher schließlich ermittelt und zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Der Kopf der Mafiabande sei jedoch auf freiem Fuß geblieben und so habe die Mafia die Beschuldigungen auf den Sohn und die Antragsteller ausgedehnt. Nach dem Vorfall vom 15. August 2015 fürchte man die Rache der Mafia und bei einer Rückkehr nach Armenien den Tod.
Mit Bescheid vom 2. Januar 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), die Anträge auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie die Anträge auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab und verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG (Nr. 4). Die Antragsteller wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Armenien oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
Am 16. Januar 2017 erhob der Bevollmächtigte der Antragsteller Klage (M 16 K 17.30788) und beantragte,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung bezog er sich auf das Vorbringen der Antragsteller vor dem Bundesamt und führte ergänzend aus, die Antragsteller könnten in ihrem Heimatland ihren jesidischen Glauben nicht ungehindert ausüben und seien sozialen und gesellschaftlichen Diskriminierungen ausgesetzt.
Das Bundesamt hat die Behördenakten vorgelegt, ein Antrag wurde nicht gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und des Klageverfahrens M 16 K 17.30788 sowie auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Es ist gemäß § 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO davon auszugehen, dass sich die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nur gegen die im angefochtenen Bescheid enthaltende Abschiebungsandrohung (Nr. 5) richten, da entsprechende Anträge gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (Nr. 6) unzulässig wären (vgl. VG München, B.v. 10.11.2016 – M 16 S. 16.33325 – juris Rn. 10 m.w.N.).
Die so verstandenen Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 36 Abs. 3 Satz 1 Asylgesetz – AsylG) erhoben. In der Sache bleiben sie aber ohne Erfolg.
Gemäß Art. 16a Grundgesetz – GG, § 36 Abs. 4 AsylG darf das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung nur dann anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung – insbesondere das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts – einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris). Im Rahmen der Entscheidung über den Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht (vgl. BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris) – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann.
Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hier keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Abschiebungsandrohung. Die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und die Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab und verweist auf die Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend bleibt auszuführen, dass das Bundesamt zu Recht keine Anhaltspunkte dafür sieht, dass die staatlichen Organe in Armenien erwiesenermaßen nicht willens oder in der Lage sind, Schutz gegen nichtstaatliche Akteure zu gewähren (§ 3c Nr. 3 AsylG) und die Antragsteller im Übrigen auf internen Schutz in anderen Teilen ihres Herkunftslandes (§ 3e AsylG) verwiesen werden können.
Nicht gehört werden können die Antragsteller auch mit dem Vortrag, sie seien wegen ihres jesidischen Glaubens Benachteiligen ausgesetzt. Die Verfassung Armeniens gewährt prinzipiell Religionsfreiheit. Zwar führt die privilegierte Stellung der armenisch-apostolischen Kirche in der Praxis zuweilen zu einer gewissen Zurücksetzung anderer Religionsgemeinschaften (vgl. Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 22. März 2016, S. 5 und 11). Von einer Verfolgung der Antragsteller wegen ihrer Religion kann jedoch nicht die Rede sein.
Die Anträge waren daher mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO abzulehnen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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