Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag aus wirtschaftlichen Gründen

Aktenzeichen  M 9 S 17.40265

Datum:
27.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20379
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 30 Abs. 1, Abs. 2, § 36 Abs. 1, Abs. 4 S. 1
AufenthG § 60 Abs. 5
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Keine Abschiebungsverbote.
Die qualifizierte Asylablehnung nach Maßgabe des § 30 Abs. 2 AsylG ist nur dann zulässig, wenn neben den dort genannten Aufenthaltsmotiven keine asylrechtlich relevanten vorgetragen oder sonst ersichtlich sind. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die Ablehnung seines Asylantrags als offensichtlich unbegründet.
Der durch einen – allerdings nur bis 28. Juli 2015 gültigen – nigerianischen Reisepass ausgewiesene Antragsteller wurde am 2. Februar 1988 geboren und ist Staatsangehöriger Nigerias (Bl. 35 d. Behördenakts – i.F.: BA –). Er verließ nach eigenen Angaben im Jahr 2009 bzw. 2010 sein Heimatland und reiste der in der Behördenakte befindlichen Aufgriffsmeldung nach von Italien kommend mit dem Zug am 15. Juli 2014 in das Bundesgebiet ein (Bl. 1ff., Bl. 76 und Bl. 121 d. BA). Er beantragte am 17. Juli 2014 förmlich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – i.F.: Bundesamt – Asyl (Bl. 68 d. BA). Der Antragsteller besaß nach Aktenlage einen bis November 2013 gültigen italienischen Aufenthaltstitel (Bl. 17 d. BA).
Im Rahmen seiner Anhörung gemäß § 25 AsylG (B. 120ff. d. BA) trug der Antragsteller im Wesentlichen vor, er könne sich nicht erinnern, wieviel er für die Reise nach Deutschland bezahlt habe; das Geld habe er jedenfalls aus Ersparnissen gehabt. Er sei zwischenzeitlich neun Monate in Libyen gewesen und habe dort Generatoren repariert. In Nigeria habe er neben seinen Eltern noch zwei Schwestern. Dort habe er nach zwölfjähriger Schulzeit die Schule abgeschlossen und als Mechaniker gearbeitet; bevor er ausgereist sei, sei er in der Ausbildung gewesen. Ein Freund seines Chefs sei aus Europa zurückgekehrt, wo er gelernt habe; dieser habe in Nigeria nach seiner Rückkehr einen Laden aufgemacht. Der Antragsteller habe sein wollen wie dieser Rückkehrer, er habe nach Europa gehen wollen, um hier zu lernen; wenn er alles gelernt habe, wolle er zurückkehren nach Nigeria. Außerdem sei Europa ein besserer Platz als Nigeria. Auf Nachfrage erläuterte er, nicht bedroht oder verfolgt worden zu sein. Weiter gab er an, sich um seine Tochter Success G. O. kümmern zu müssen; er sei aber nicht offiziell deren Vater, die Vaterschaft sei nicht bestätigt.
Mit Bescheid vom 5. Mai 2017, dem Antragsteller am 10. Mai 2017 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt (vgl. Bl. 153f. d. BA), lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1), den Antrag auf Asylanerkennung (Ziff. 2) und den Antrag auf subsidiären Schutz (Ziff. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, das Bundesgebiet binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, widrigenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Nigeria oder in einen sonstigen Zielstaat angedroht (Ziff. 5). Das Verbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 6). Wegen des Bescheidinhalts wird auf diesen Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat am 16. Mai 2017 Klage und Eilantrag gegen den Bescheid erhoben. Er beantragt im hiesigen Verfahren,
die aufschiebende Wirkung gegen den sofortigen Vollzug der Versagung des Aufenthaltstitels anzuordnen.
Zur Begründung werde auf die Angaben des Antragstellers bei der Anhörung des Bundesamts am 14. September 2016 hingewiesen.
Das Bundesamt stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der nach Auslegung, § 88 VwGO, gegen die Abschiebungsandrohung, Ziff. 5 des Bescheids gerichtete Eilantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist zwar zulässig; die nach § 36 Abs. 1, § 34 Abs. 1, Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG, der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO mithin statthaft. Die einwöchige Antragsfrist, § 36 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 AsylG, wurde gewahrt (vgl. Zustellnachweis, Fundstelle unter Ziff. I der Gründe).
Der Antrag ist aber unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen.
Maßstab ist dabei, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG. „Angegriffener Verwaltungsakt“ in diesem Sinne ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die nach § 36 Abs. 1, § 34 Abs. 1, Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung (als selbstständiger Verwaltungsakt, BeckOK AuslR, AsylG, Stand: 18. Ed. 1.8.2017, § 34 Rn. 38), die die offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrags im Sinne des § 30 AsylG voraussetzt, vgl. § 36 Abs. 1 AsylG (statt aller Bergmann u.a., AsylG, Stand: 12. Aufl. 2018, § 36 Rn. 21). Die Erfolgsaussichten eines entsprechenden Eilantrags hängen davon ab, ob gerade das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes ernstlichen Zweifeln begegnet, ohne dass der Ablehnungsbescheid selbst zum Verfahrensgegenstand wird (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris; U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris; BeckOK AuslR, AsylG, Stand: 18. Ed. 1.8.2017, § 36 Rn. 36; Göbel-Zimmermann u.a., Asyl- und Flüchtlingsrecht, Stand: 1. Auflage 2017, Rn. 551; Heusch u.a., Das neue Asylrecht, Stand: 1. Auflage 2016, Rn. 362; Marx, AsylG, Stand: 9. Auflage 2017, § 36 Rn. 43 u. 53). Ernstliche Zweifel sind nur dann gegeben, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris; Marx, AsylG, Stand: 9. Auflage 2017, § 36 Rn. 51). „Maßnahme“ in diesem Sinne ist die Abschiebungsandrohung – mit nachfolgender Abschiebung des Betroffenen –, die sich auf die (qualifizierte) Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet stützt und die deren Folge ist, weswegen Anknüpfungspunkt der Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Frage sein muss, ob das Bundesamt den Asylantrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris; Marx, AsylG, Stand: 9. Auflage 2017, § 36 Rn. 43). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt die Ablehnung – von Asylantrag und Rechtsbehelf gleichermaßen, aber bezogen auf den jeweils maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. nur BeckOK AuslR, AsylG, Stand: 18. Ed. 1.5.2018, § 30 Rn. 13f.; VG München, GB v. 8.9.2017 – M 21 K 16.34644 – juris) – als offensichtlich unbegründet voraus, dass an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 25.4.2018 – 2 BvR 2435/17 – juris; B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – juris; B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris). Die gerichtliche Prüfung der vom Bundesamt getroffenen Offensichtlichkeitsfeststellung hat aufgrund der als asylerheblich vorgetragenen oder zu erkennenden Tatsachen – vgl. auch § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG – und in Anwendung des materiellen Asylrechts zu erfolgen (z.B. BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris). Dabei hat das Gericht die Frage der Offensichtlichkeit eigenständig zu klären (BVerfG, a.a.O.), wobei es jedenfalls im Rahmen des Eilverfahrens genügt, wenn die Offensichtlichkeitsfeststellung des Bescheids im Ergebnis nicht ernstlich zweifelhaft ist (vgl. u.a. VG Berlin, B.v. 27.4.2018 – 34 L 1592.17 A – juris; VG München, B.v. 23.3.2016 – M 16 S 16.30183 – juris; Heusch u.a., Das neue Asylrecht, Stand: 1. Auflage 2016, Rn. 363). Die Prüfung schließt das (Nicht-) Vorliegen von Abschiebungshindernissen ein, vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG (statt aller VG München, B.v. 3.5.2018 – M 21 S 17.43792 – juris; B.v. 30.4.2018 – M 9 S 17.47613 – juris; BeckOK AuslR, AsylG, Stand: 18. Ed. 1.8.2017, AsylG § 36 Rn. 42.2). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG.
Nach diesen Maßstäben begegnet die Offensichtlichkeitsentscheidung des Bundesamts (zu Ziff. 1-3) keinen Bedenken, da der Antragsteller offensichtlich keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter, Art. 16a Abs. 1 GG, offensichtlich keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG und offensichtlich keinen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylG hat, § 30 Abs. 1 AsylG, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Auch die – einfach unbegründete – Ablehnung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG begegnet keinen Bedenken, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Das Gericht nimmt auf den Bescheid des Bundesamts Bezug und folgt dessen Begründung, § 77 Abs. 2 AsylG (zur Anwendbarkeit auch im Rahmen von Eilbeschlüssen bspw. BeckOK AuslR, AsylG, Stand: 18. Ed. 1.5.2018, AsylG § 77 Rn. 5).
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
Nach Aktenlage wurde der Asylantrag zu Recht nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG abgelehnt, sondern inhaltlich verbeschieden, da weder im Verwaltungsverfahren noch auf gerichtliche Aufforderung vom 9. August 2018 hin ein italienischer Aufenthaltstitel vorgelegt wurde. Es ist weiter, sollte ein italienischer Aufenthaltstitel existiert haben, nicht dargetan worden, dass Italien internationalen Schutz gewährt hätte – der Aufenthaltstitel kann auch aus anderen Gründen erteilt worden sein.
§ 30 Abs. 1 AsylG ist erfüllt.
Ein Asylantrag ist gemäß § 30 Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes – d.h. Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft einschließlich der Voraussetzungen für subsidiären Schutz, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG und Unterabschnitt 2 des AsylG – offensichtlich nicht vorliegen. Auch im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung sind diese drei Streitgegenstände einheitlich zu würdigen (vgl. jüngst BVerfG, B.v. 25.4.2018 – 2 BvR 2435/17 – juris für das Hauptsacheverfahren).
Dem Anspruch auf Asyl, Art. 16a Abs. 1 GG, steht offensichtlich bereits nach Aussage des Antragstellers, vgl. § 25 Abs. 1 Satz 2 AsylG, die Einreise über Italien und damit über ein Mitgliedsland der Europäischen Union entgegen, Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, §§ 3ff. AsylG, scheitert evident daran, dass sich aus dem Vorbringen des Antragstellers keine Anhaltspunkte für eine irgendwie geartete ausreisebegründende asylerhebliche Verfolgung oder Bedrohung ergeben. Der Antragsteller ist offensichtlich auch nicht subsidiär schutzberechtigt, § 4 Abs. 1 AsylG einerseits und § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e AsylG andererseits: Es sind keine stichhaltigen Gründe dafür vorgebracht worden, dass ihm im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht und in Nigeria besteht kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG (statt aller VG München, U.v. 2.2.2018 – M 9 K 17.39325 – juris).
Weiter greift selbstständig tragend § 30 Abs. 2 AsylG.
Nach § 30 Abs. 2 AsylG ist ein Asylantrag insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält. Auch § 30 Abs. 2 AsylG setzt ein Offensichtlichkeitsurteil voraus, also eine vollständige Erforschung des Sachverhalts und eine zu begründende sichere Überzeugung davon, dass nur die in dieser Vorschrift genannten Aufenthaltsmotive vorliegen. Die qualifizierte Asylablehnung nach Maßgabe des § 30 Abs. 2 AsylG ist nur dann zulässig, wenn neben den dort genannten Aufenthaltsmotiven keine asylrechtlich relevanten vorgetragen oder sonst ersichtlich sind. Die vom Gesetz vorausgesetzte Beziehung zum Aufenthalt in Deutschland kann insofern missverständlich wirken; in Wahrheit geht es um die Gründe des Asylgesuchs (BVerfG, B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – juris). Maßgeblich ist aber auch hier die objektive Sachlage – wird neben wirtschaftlichen Gründen ein asylerheblicher Sachvortrag offensichtlich nur vorgeschoben, liegen die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 AsylG vor (statt aller BeckOK AuslR, AsylG, Stand: 18. Ed. 1.5.2018, § 30 Rn. 28; auch VG München, B.v. 23.3.2017 – M 21 S 16.35456 – Umdruck).
Der Akteninhalt und die Argumente des Antragstellers zeigen auf, dass er nur aus wirtschaftlichen Motiven – Verbesserung seiner Stellung durch Lehre in Europa bzw. bessere Perspektive in Europa – aus Nigeria ausgereist ist. Andere ausreisebegründende asylerhebliche Gründe wurden nicht behauptet (siehe oben).
Auch die Behauptung des Antragstellers, er habe eine Tochter (Success G. O.), für die er sorgen müsse, führt nicht zu einem Asylanspruch: Diese im Rahmen der Befragung zu § 11 AufenthG vorgebrachte Aussage wurde durch nichts belegt; vielmehr erläuterte der Antragsteller selbst, „nicht offiziell“ der Vater zu sein und keine Bestätigung der Vaterschaft zu haben. Es ist weiter weder vorgetragen noch aus dem Akteninhalt ersichtlich, dass die Tochter überhaupt existiert und weiter als asylberechtigt bzw. als Flüchtling anerkannt wurde. § 26 AsylG (abgeleitetes Familienasyl bzw. abgeleiteter internationaler Schutz) scheidet damit – unabhängig davon, ob dessen sonstige Voraussetzungen erfüllt wären – aus.
Auch Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG scheiden unter Berücksichtigung der allgemeinen Situation in Nigeria und der individuellen Umstände des Antragstellers aus (vgl. auch VG München, B.v. 2.10.2017 – M 21 S 17. 42888 – juris; B.v. 25.7.2018 – M 9 S 17.40120 – Umdruck m.w.N.).
Im Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK reicht der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen und seine Lebenserwartung, u.a. wegen einer schlechteren medizinischen Versorgung im Aufnahmeland, erheblich beeinträchtigt würden, allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen – hier nicht vorliegenden – Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (statt aller EGMR, U.v. 27.5.2008 – 26565/05 – NVwZ 2008, 1334; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris; B.v. 25.10.2012 – 10 B 16/12 – juris). Unabhängig davon, in welchen Fällen existenzbedrohende Armut im Sinne von Art. 3 EMRK relevant sein kann, liegen Anhaltspunkte hierfür nicht vor. Der Antragsteller ist jung und arbeitsfähig, was sich schon daran zeigt, dass er nach eigener Aussage seine Reise aus Ersparnissen finanzieren konnte. Zudem hat er sich schon erfolgreich als Mechaniker verdingt und wird Arbeit finden und/oder seine Ausbildung abschließen können. Hinweise darauf, dass er nach seiner Rückkehr – allein oder mit familiärer Unterstützung (die Eltern und Geschwister des Antragstellers leben noch in Nigeria) – nicht in der Lage sein wird, das Existenzminimum für sich zu sichern, sind, auch seiner eigenen Aussage nach, nicht ersichtlich. Bessere Perspektiven in Deutschland begründen kein Abschiebungsverbot. Auch im Hinblick auf Art. 4 EMRK sind keine „greifbaren Elemente“ dafür ersichtlich, dass der Antragsteller Gefahr liefe, (erneut) ausgebeutet zu werden (vgl. Göbel-Zimmermann u.a., Asyl- und Flüchtlingsrecht, Stand: 1. Auflage 2017, Rn. 316).
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Bei den in Nigeria vorherrschenden harten Lebensbedingungen handelt es sich um eine Situation, der die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, weshalb Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausschließlich durch eine generelle Regelung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt wird. Eine extreme Gefährdungslage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausnahmsweise nicht greift (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – juris; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris), bei der ein Einzelner – hier: der Antragsteller – gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. Göbel-Zimmermann u.a., Asyl- und Flüchtlingsrecht, Stand: 1. Auflage 2017, Rn. 324), liegt nicht vor.
Anzeichen für lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, liegen nicht vor.
Die Kostenfolge fußt auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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