Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag – Senegal

Aktenzeichen  M 2 S 16.30489

Datum:
15.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3e, § 4, § 25 Abs. 1, Abs. 2, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 3 Nr. 1, § 36 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 S. 1, S. 2, § 75, § 80
GG GG Art. 16a Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 S. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 154 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4Abs.5, Abs. 6, Abs. 7

 

Leitsatz

Die Ablehnung des Asylbegehrens als offensichtlich unbegründet, weil der Senegal ein sicherer Herkunftsstaat ist (§ 29a AsylG), wird nicht durch einen unglaubhaften Verfolgungsvortrag erschüttert. Es ist nicht glaubhaft, dass jemand im Senegal landesweit gesucht und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, darüber aber in der Presse nicht berichtet wird und der Betroffene auch kein Strafurteil hierzu verlegt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der 1994 geborene Antragsteller ist senegalesischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Fulbe (Peul) an. Er reiste nach eigenen Angaben im Juli 2013 aus dem Senegal aus und nach Aufenthalten in Bulgarien, Ungarn und Serbien am 5. April 2015 auf dem Landweg nach Deutschland ein. Er beantragte am 18. Juni 2015 Asyl. Obwohl der Antragsteller bereits in Bulgarien und Ungarn Asylanträge gestellt hatte, bejahte das Bundesamt … (Bundesamt) mit Vermerk vom 8. September 2015 die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung eines Asylverfahrens, da die Überstellungsfrist gemäß § 23 Abs. 3 Dublin-III-Verordnung abgelaufen sei. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 16. November 2015 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, er habe zwei Asylgründe:
Erstens werde er als Vizepräsident einer Schülerorganisation, die im Mai 2013 eine regierungskritische Demonstration veranstaltet habe, landesweit gesucht. Bei der Demonstration, die gegen Missstände im Bildungssystem und bei der Abfallentsorgung sowie gegen die Korruption in der Region … gerichtet gewesen sei, sei es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen, wobei ein Polizist getötet worden sei. Der Anführer der oppositionellen Gruppe sei verhaftet worden und er selbst sei „in einem Gerichtsverfahren gegen Unbekannt aufgrund der unerlaubten Demonstration und der Zerstörung öffentlichen Eigentums in Abwesenheit zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden.“
Der zweite Grund sei eine Erbschaftsstreitigkeit. In Ungarn habe er vom Tod seines Vaters erfahren. Er habe die Regel des traditionellen Rechts, wonach sei Onkel väterlicherseits alles erbe, nicht akzeptiert und in Telefongesprächen das Erbe, ein Haus und ein Taxi, für sich als ältesten Sohn des Verstorbenen beansprucht. Seine Mutter habe ihn daraufhin gewarnt, dass der Onkel ihn umbringen wolle.
Auf Nachfrage erklärte der Antragsteller, er werde versuchen, etwa vorhandene Zeitungsberichte über die Demonstration, in denen er namentlich erwähnt sein könnte, vorzulegen.
Mit Schreiben vom 24. Oktober und 26. November 2015 wiederholte der Antragsteller seine Angaben im Wesentlichen, wobei er auch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung behauptete. Dokumente legte er ausweislich der Bundesamtsakte nicht vor.
Mit Bescheid vom 10. Februar 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet (Ziff. 1 und 2) und den Antrag auf subsidiären Schutz als unbegründet (Ziff. 3) ab; es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4) und forderte den Antragsteller unter Androhung der Abschiebung in den Senegal oder einen anderen zu seiner Aufnahme bereiten oder zu seiner Rückübernahme verpflichteten Staat auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen (Ziff. 5); die Einreise- und Aufenthaltsverbote gemäß § 11 Abs. 7 und Abs. 1 wurden auf 30 und auf 10 Monate befristet (Ziff. 6 und 7). Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, der Antragsteller stamme aus einem sicheren Herkunftsstaat i. S.v. Art. 16a Abs. 3 GG und sein Asylantrag sei nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, da er nichts vorgetragen und trotz der ihm eingeräumten Frist nichts vorgelegt habe, was entgegen der allgemeinen Einschätzung der Lage in seinem Herkunftsstaat die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung rechtfertige. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 9. März 2016 zugestellt.
Am 10. März 2016 erhob der Antragsteller Asylklage mit den Anträgen, die Antragsgegnerin unter Aufhebung ihres Bescheids zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, das Vorliegen der Voraussetzungen von § 60 Abs. 1 AufenthG und (hilfsweise) von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen. Gleichzeitig wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde auf die bisherigen Angaben verwiesen und beantragt, zu deren Beweis bei Amnesty International Auskünfte einzuholen. Mit Schriftsatz vom 31. März 2016 bestellte sich der Prozessbevollmächtigte, der mit weiterem Schriftsatz vom 12. April 2016 die Kopie eines Schriftstücks übermittelte, bei dem es sich um eine polizeiliche Vorladung des Antragstellers handeln soll.
Die Antragsgegnerin äußerte sich abgesehen von der Aktenübersendung nicht.
Im Übrigen wird auf die vorgelegte Verwaltungsakte und die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Für das Gericht ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG). Insbesondere kommen das AsylG und das AufenthG in den durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBI I S. 390) und das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBI I S. 394) geänderten Fassungen zur Anwendung.
Der Antrag ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, § 75 AsylG; § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 3 AsylG), jedoch unbegründet.
Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfGE 94, 166, 194). Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). Vorliegend bestehen im Ergebnis keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids vom 10. Februar 2016.
Die Androhung der Abschiebung unter Bestimmung einer Ausreisefrist von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet § 34 Abs. 1 i. V. m. § 36 Abs. 1 AsylG). Das Gericht hat daher die Einschätzung des Bundesamts, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und für die Zuerkennung internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Maßgeblich ist dabei, ob sich diese Einschätzung im Ergebnis als tragfähig und rechtmäßig erweist. Darüber hinaus hat das Gericht gemessen am Maßstab der ernstlichen Zweifel auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG verneint hat (vgl. zum Ganzen: Marx, Kommentar zum AsylVfG, 8. Auflage, § 36 Rn. 43, 56 f. m. w. N.).
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und für die Zuerkennung internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Bundesamt keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Satz 1 AufenthG festgestellt hat. Dem Antragsteller droht offensichtlich weder im Hinblick auf die allgemeine Situation in Senegal noch aufgrund besonderer individueller Umstände eine asylerhebliche Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung im Sinne des Artikel 16 a Abs. 1 GG sowie der §§ 3 ff. AsylG, § 4 AsylG und § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Seine diesbezüglichen Angaben sind unglaubhaft.
Insbesondere kann dem Antragsteller nicht geglaubt werden, dass er von den senegalesischen Sicherheitskräften landesweit gesucht wird und in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Es ist bereits schwer nachvollziehbar, dass er keine Presseberichte oder andere Unterlagen zu der behaupteten Demonstration und dem angeblich zu Tode gekommenen Polizisten vorlegen kann. Im Senegal gibt es eine weitgehend freie Presse, über ein derartiges Ereignis wäre berichtet worden und ein politisch engagierter Mensch hätte entsprechende Presseberichte in den Wochen vor seiner Ausreise sicher mitverfolgt und sogar aufbewahrt. Völlig unglaubhaft ist, dass er in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Abgesehen davon, dass der Antragsteller keinerlei Einzelheiten wie insbesondere die Höhe der Strafe mitgeteilt hat, hätte es sich für den Antragsteller als Asylbewerber geradezu aufgedrängt, das Strafurteil und etwaige Presseberichte dazu von seiner Familie, mit der er nach seinen Angaben in ständigem telefonischen Kontakt steht, anzufordern und vorzulegen. Auch die in Kopie vorgelegte angebliche Vorladung zur Polizei spricht gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben. Der Name des Antragstellers ist darin offensichtlich mit einer anderen Handschrift geschrieben als die übrigen Eintragungen in dem Formular und nachträglich eingefügt worden, weshalb das Dokument als verfälscht anzusehen ist. Im Übrigen enthält es keine Angaben zu dem Grund der Vorladung und wäre auch wenn die Echtheit unterstellt würde unbehelflich. Da der Antragsteller hinsichtlich seines ersten Asylgrundes falsche Angaben gemacht und ein verfälschtes Dokument vorgelegt hat, kann ihm auch der zweite behauptete Asylgrund, nämlich eine Todesdrohung seitens seines Onkels anlässlich einer Erbstreitigkeit, nicht geglaubt werden. Aber selbst wenn seine diesbezüglichen Behauptungen zuträfen, könnte er sich als 22-jähriger gesunder Mann einer Bedrohung durch den Onkel in einem anderen Landesteil Senegals (§ 3e AsylG) oder einfach durch Verzicht auf den geltend gemachten Erbanspruch entziehen. Die Einholung einer Auskunft von Amnesty International durch das Gericht ist nicht veranlasst. Der Antragsteller verkennt die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten (§ 15 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 5, Abs. 3 Nr. 5, § 25 Abs. 1 und 2 AsylG) wenn er meint, das Gericht müsse Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Asylbewerbers ermitteln, die dieser – wenn sie denn zuträfen – mit Hilfe seiner im Herkunftsland lebenden Familienangehörigen selbst einfacher, schneller und zuverlässiger aufklären und angeben könnte. Bei der angeblichen Verurteilung und der angeblichen Verfolgung durch den Onkel handelt es sich um derartige Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich des Antragstellers.
Nachdem es sich beim Senegal um einen sicheren Herkunftsstaat i. S.v. Artikel 16 a Abs. 3 GG und § 29 a i. V. m. Anlage II AsylG handelt und der Antragsteller die gesetzliche Vermutung nicht entkräftet hat, ist das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts nach § 29 a Abs. 1 AsylG gerechtfertigt, darüber hinaus auch nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG, weil das Vorbringen in wesentlichen Punkten unsubstantiiert und auf ein verfälschtes Beweismittel gestützt ist.
Im Übrigen wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen.
Nach alledem war der gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfreier Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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