Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründetes Schutzersuchen nigerianischer Staatsangehöriger christlicher Religionzugehörigkeit

Aktenzeichen  M 21 K 17.41733

Datum:
28.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3787
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e, § 30 Abs. 1, § 78 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Anforderungen an eine gerichtliche Entscheidung bzgl. des offensichtlichen Nichtvorliegens eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes entsprechen denjenigen bzgl. eines offensichtlich unbegründeten Asylantrags. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klagen werden als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klagen, die hinsichtlich des nahe liegenden Verzichts auf eine Entscheidung über die Anerkennung als Asylberechtigte in der mündlichen Verhandlung unproblematisch nur berichtigend klargestellt worden sind (vgl. Ortloff/Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 91 Rn. 11 m.w.N.) konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klagen sind zwar zulässig, aber insgesamt offensichtlich unbegründet.
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bundesamtsbescheids vom 8. Mai 2017 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat (§ 78 Abs. 1 AsylG), sind nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG dann vorliegt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (hier: § 77 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG und an die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet zu stellen (vgl. zu all dem nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3 m.w.N.; BVerfG, B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – juris Rn. 10 m.w.N.). Steht, wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben sind die Klagen insgesamt als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes liegen offensichtlich nicht vor (§ 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Das nur teils asylrelevante Vorbringen der Kläger ist in wesentlichen Punkten nicht substantiiert, teils entspricht es darüber hinaus offenkundig den Tatsachen nicht. Schon deswegen wäre es bereits Sache des Bundesamts gewesen, die Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Davon unabhängig sind die Kläger auch jedenfalls hinreichend gesichert auf internen Schutz (§ 3e AsylG) zu verweisen.
Im Kern hat der Kläger nur für sich politische Probleme bis hin zur eigenen Todesgefahr geltend gemacht, wobei sich die Klägerin auf diesen Vortrag bezogen hat, ohne ein eigenes Verfolgungsvorbringen zu unterbreiten. Deshalb ist das Vorbringen der Klägerin schon nicht asylrelevant. Es entspricht überdies offenkundig nicht den Tatsachen. Obwohl die EURODAC-Recherche auch zu ihr einen Treffer der Kategorie 1 ergeben hatte, hat die Klägerin zur Niederschrift über ihre Erstbefragung am 26. April 2016 insbesondere die Frage, ob sie in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz beantragt oder zuerkannt bekommen habe, verneint. Dadurch hat sich auch die Klägerin unglaubwürdig gemacht.
Wenn das Vorbringen des Klägers der Wahrheit entspräche, hätte er schon in der Bundesamtsanhörung unter Nennung eines konkreten Datums angeben können, wann seine Eltern bei einem Bombenattentat ums Leben gekommen sein sollen. Das Vorbringen zum (zeitlichen) Ablauf der politischen Veränderungen in Nigeria entspricht überdies offenkundig den Tatsachen nicht. Die Wahlen von Präsident und Nationalversammlung 2015 und die seitdem stattgefundenen Wahlen der Gouverneur-und Landesparlamente haben die politische Landschaft in Nigeria grundlegend verändert. Die seit 2013 im APC vereinigte Opposition hatte neben der Präsidentschaftswahl eine klare Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments gewonnen. Die seit 1999 dominierende PDP hat damals zum ersten Mal in die Opposition gemusst (vgl. nur Lagebericht des Auswärtigen Amts zur Bundesrepublik Nigeria, Stand September 2016 – kurz: Lagebericht 2016 -, S. 6). Zudem ist der Vater des Klägers nach wie vor nicht als ein bekannter oder sonst wie hervorgehobener Politiker der PDP recherchierbar. Wenn das Leben des Klägers wirklich bedroht gewesen wäre, wäre die Klägerin nicht erst am 30. Juni 2010 aus Nigeria ausgereist und sie hätte dann auch nicht die beiden gemeinsamen Kinder bei ihren Eltern gelassen, wo die Klägerin nach dem erstmaligen Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung in Lagos ebenfalls bedroht worden sein soll.
Davon unabhängig sind die Kläger auch jedenfalls hinreichend gesichert auf internen Schutz (§ 3e AsylG) zu verweisen.
Grundsätzlich besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, insbesondere Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann allerdings ausnahmsweise mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben (vgl. zu all dem nur Lagebericht 2016, S. 17).
Einen solchen, engen Ausnahmefall können die Kläger offensichtlich nicht für sich in Anspruch nehmen. Sie würden gemeinsam (vgl. nur BVerwG, B.v. 12.4.2001 – 1 B 124/01 – juris Rn. 2 m.w.N.) in ein Land zurückkehren, in dem es kein Meldewesen gibt (vgl. nur Lagebericht 2016, S. 25) und haben als junge, gesunde und arbeitsfähige Erwachsene nicht zuletzt durch ihre Reise nach Europa bewiesen, dass sie sich in einer für sie unbekannten Umgebung behaupten können. Somit sind sie jedenfalls auch angesichts ihres christlichen Glaubens auf einen anderen Landesteil als Osun oder Lagos etwa im Süden Nigerias (vgl. nur Lagebericht 2016, S. 11) zu verweisen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.
Das Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).


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