Verwaltungsrecht

Offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrags, Vorliegen von Mehrstaatigkeit (marokkanische und syrische Staatsangehörigkeit)

Aktenzeichen  AN 10 S 21.30841

Datum:
18.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 610
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 34
AsylG § 36
AsylG § 30 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5 und 7 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klage- und Eilverfahren unter Beiordnung des Bevollmächtigten wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller und Kläger (im Folgenden: Antragsteller), nach eigenen Angaben Sohn einer marokkanischen Staatsangehörigen mit arabischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit, reiste ebenfalls nach eigenen Angaben auf dem Landweg am 5. September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 30. Dezember 2015 einen Asylantrag.
Bei seiner persönlichen Anhörung trug der Antragsteller vor, er sei in Syrien geboren, habe das Land aber mit zwei Jahren verlassen und sei in Marokko aufgewachsen. Seine Mutter sei Marrokanerin. In Marokko sei er oft von Polizisten geschlagen worden, weil er auf der Straße gearbeitet habe. Er habe dort Waren verkauft. Die Polizisten hätten von ihm Geld verlangt, aber der Antragsteller habe ihnen nichts gegeben. Auch sei er oft als Syrer beleidigt worden. Sein Stiefvater habe ihn oft geschlagen, und seine Mutter sei krank. Er habe Marokko wegen der wirtschaftlichen Lage, der ganzen Beleidigungen, den Schlägen und der schlechten Behandlung durch die Polizei verlassen. Bei einer Rückkehr nach Marokko fürchte er sich vor der Polizei. Diese hätte dem Antragsteller angedroht, ihn ins Gefägnis zu stecken. Von dort komme man nicht mehr lebend heraus.
Der Antragsteller legte ein medizinisches Dokument vom …September 2016 einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie vor, demzufolge er an einer nichtorganischen Insomnie und einer Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik leide. Deren Schwere sei abhängig vom Grad der Unsicherheit und der psychosozialen Belastungsumstände in der Lebenssituation des Antragstellers. Der Antragsteller reichte zudem einen vorläufigen Entlassungsbericht des Klinikums …, …, vom … April 2017 ein. Diagnose: F32.2 Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2021 wurden die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), auf Asylanerkennung (Ziffer 2) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 3) als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, andernfalls wird er primär nach Marokko abgeschoben. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).
Auf die Begründung im streitgegenständlichen Bescheid wird Bezug genommen.
Dagegen ließ der Antragsteller Klage erheben und zugleich beantragen (sinngemäß):
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Az.:* …*) vom 21. Oktober 2021 wird angeordnet.
Darüber hinaus wurde die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung beantragt.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, inwieweit die Mutter des Antragstellers tatsächlich die marokkanische Staatsangehörigkeit habe und der Antragsteller in der Lage sei von dieser seine Staatsangehörigkeit abzuleiten in Konkurrenz zur Staatsangehörigkeit des Kindsvaters, sei fraglich. Die Angaben des Antragstellers seien mit Vorsicht zu genießen, nachdem diese offensichtlich nicht über eine ausreichende Bildung verfüge. Darüber hinaus sei die Staatsangehörigkeit offensichtlich sehr komplex und sicherlich vom Antragsteller selbst nicht zu umfassen. Wenn dessen Mutter mit einem Syrer verheiratet gewesen sei und in Syrien gelebt habe, dann habe die Ehefrau im Zweifel nach zwei Jahren die Staatsangehörigkeit ihres Mannes angenommen. Hierdurch könne die ursprüngliche Staatsangehörigkeit, wenn sie denn marokkanische gewesen sei, untergegangen sein. Hierdurch könnte dann der Antragsteller eine etwaig bestehende marokkanische Staatsbürgerschaft von der Mutter nicht mehr ableiten.
Die Antragsgegnerin beantragte
Antragsablehnung.
Zur Begründung bezog sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Eilantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist zwar zulässig; die nach § 36 Abs. 1, § 34 Abs. 1, Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung, Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheides vom 21. Oktober 2021, ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG, der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO mithin statthaft. Die einwöchige Antragsfrist, § 36 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 AsylG, wurde gewahrt.
Der Antrag ist aber unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen.
Maßstab ist dabei, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG. „Angegriffener Verwaltungsakt“ in diesem Sinne ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die nach § 36 Abs. 1, § 34 Abs. 1, Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung (als selbstständiger Verwaltungsakt, BeckOK AuslR, AsylG, Stand: 31. Ed. 1.4.2021, § 34 Rn. 38), die die offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrags im Sinne des § 30 AsylG voraussetzt, vgl. § 36 Abs. 1 AsylG. Die Erfolgsaussichten eines entsprechenden Eilantrags hängen davon ab, ob gerade das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes ernstlichen Zweifeln begegnet, ohne dass der Ablehnungsbescheid selbst zum Verfahrensgegenstand wird (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris; U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris). Ernstliche Zweifel sind nur dann gegeben, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris). „Maßnahme“ in diesem Sinne ist die Abschiebungsandrohung – mit nachfolgender Abschiebung des Betroffenen -, die sich auf die (qualifizierte) Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet stützt und die deren Folge ist, weswegen Anknüpfungspunkt der Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Frage sein muss, ob das Bundesamt den Asylantrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516793 – juris). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt die Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet voraus, dass an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 25.4.2018 – 2 BvR 2435/17 – juris; B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – juris; B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris). Die gerichtliche Prüfung der vom Bundesamt getroffenen Offensichtlichkeitsfeststellung hat aufgrund der als asylerheblich vorgetragenen oder zu erkennenden Tatsachen – vgl. auch § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG – und in Anwendung des materiellen Asylrechts zu erfolgen (z.B. BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 -juris). Die Prüfung schließt das (Nicht-) Vorliegen von Abschiebungshindernissen ein, vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG (VG München, B.v. 25.7.2018 – M 9 S 17.40120, BeckRS 2018, 17144). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG.
Nach diesen Maßstäben begegnet die Offensichtlichkeitsentscheidung des Bundesamts (zu Ziff. 1-3) im Ergebnis keinen Bedenken, da der Antragsteller offensichtlich keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG, offensichtlich keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter, Art. 16a Abs. 1 GG und offensichtlich keinen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylG hat, § 30 Abs. 1 AsylG, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Auch die – einfach unbegründete – Ablehnung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG begegnet keinen Bedenken, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Das Gericht nimmt auf den streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes vom 21. Oktober 2021 Bezug und folgt dessen Begründung, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
Die Antragsgegnerin hat zu Recht bei der Prüfung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG auf Marokko als Herkunftsland abgestellt, da der Antragsteller dessen Staatsangehörigkeit besitzt.
Das marokkanische Staatsangehörigkeitsrecht ist geprägt durch das Abstammungsprinzip (ius sanguinis). Nach der Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes im Jahr 2007 sind nicht nur Kinder von einem marokkanischen Vater, sondern auch Kinder einer marokkanischen Mutter marokkanische Staatsangehörige, Art. 6 Dahir n° 1-58-250 (vgl. Fragen zum marokkanischen Staatsangehörikeitsrecht, Az.: WD 3 – 3000 – 132/16, abrufbar unter: WD-3-132-16-pdf-data.pdf (bundestag.de)). Vorliegend gab der Antragsteller bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt an, dass seine Mutter Marokkanerin sei. Von der Richtigkeit der insoweit getätigten Angaben des Antragstellers konnte die Antragsgegnerin mangels gegenteiliger Erkenntnisse ausgehen. Die Heirat der Mutter des Antragstellers mit einem Syrer führte vorliegend auch nicht zu einem Verlust der marokkanischen Staatsangehörigkeit:
Zwar ist in Kapitel IV des Dahir n° 1-58-250 geregelt, dass eine Marokkanerin durch Eheschließung mit einem Ausländer dessen Staatsangehörigkeit erwirbt (vgl. Fragen zum marok-kanischen Staatsangehörikeitsrecht, Az.: WD 3 – 3000 – 132/16, abrufbar unter: WD-3-132-16-pdf-data.pdf (bundestag.de)). Diese Vorschrift ist im Zusammenspiel mit den Vorschriften der Art. 3-9, 16-19, 24 des syrischen Staatsangehörigkeitsgesetzes (im Folgenden: StAngG) als eine Rechtsgrundverweisungsnorm zu verstehen. Anderenfalls wäre die Vorschrift der Ziffer 2 lit. d) der Erwerbsgründe (Art. 3-9, 13, 16-19, 24 StAngG) redundant. Ziffer 2 lit. d) der Erwerbsgründe (Art. 3-9, 13, 16-19, 24 StAngG) regelt, dass im Falle einer Eheschließung mit einem Syrer erst auf Antrag der Ausländerin die syrische Staatsangehörigkeit verliehen wird. Ob ein solcher Antrag durch die Mutter des Antragstellers gestellt wurde, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Dies geht zu Lasten des insoweit darlegungspflichtigen Antragstellers. Demnach war von der marokkanischen Staatsangehörigkeit des Antragstellers auszugehen und auf Marokko als Herkunftsland i.S.v. § 3 AsylG abzustellen.
Auch hinsichtlich der Entscheidung unter Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids vom 21. Oktober 2021 bestehen keine Bedenken. Auch insoweit wird auf den Bescheid nach § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen.
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt: Soweit der Antragsteller außerdem laut fachärztlicher Stellungnahme vom 10. Oktober 2019 u.a. an einer posttraumatischen Belastungsstörung und mittelgradigen depressiven Episode leide, ist ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht feststellbar.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit besteht. Allgemeine Gefahren können nur dann Schutz vor Abschiebung begründen, wenn der Ausländer einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Fall seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwerster Verletzung ausgeliefert würde und diese Gefahren alsbald nach seiner Rückkehr und landesweit drohen würden (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14/10 – BVerwGE 140, 319 Rn. 23). Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG). Dabei erfasst diese Regelung nur solche Gefahren‚ die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind‚ während Gefahren‚ die sich aus der Abschiebung als solche ergeben‚ nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können (stRspr. zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG; vgl. BVerwG‚ U.v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – DVBl 2003, 463; U.v. 25.11.1997 – 9 C 58.96 – BVerwGE 105‚ 383 m.w.N.). Eine „erhebliche konkrete Gefahr“ im Falle einer zielstaats-bezogenen Verschlimmerung einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung ist daher gegeben, wenn sich der Gesundheitszustand alsbald nach der Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dortigen Behandlungsmöglichkeiten wesentlich oder gar lebens-bedrohlich verschlechtern würde (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 1 C 3.11 – BVerwGE 142, 179; B.v. 17.8.2011 – 10 B 13.11 – juris; BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 13a B 16.30007 – juris). Gründe hierfür können nicht nur fehlende Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat sein, sondern etwa auch die tatsächliche Nichterlangbarkeit einer an sich vorhandenen medizinischen Behandlungsmöglichkeit aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – BVerwGE 127, 33). Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzu-nehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (vgl. VG München, B.v. 24.4.2016 – M 16 S7 16.30786 – juris Rn. 16). Aufgrund der häufigen Geltendmachung schwer diagnostizier- und überprüfbarer Erkrankungen psychischer Art (z.B. posttraumatische Belastungsstörungen) als Abschiebungshindernis wollte der Gesetzgeber mit der Präzisierung in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG klarstellen, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben darstellen (BT-Drs. 18/7538, S. 18). Eine solche schwerwiegende Erkrankung kann nach der Gesetzesbegründung bei posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) regelmäßig nicht angenommen werden (BT-Drs. 18/7538, S. 18).
Der ärztlichen Stellungnahme kann bereits nicht entnommen werden, dass der Antragsteller an einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung in oben dargestellten Sinne leidet. Im Übrigen entspricht die ärztliche Stellungnahme – wie auch die zuvor vorgelegten Stellung-nahmen/Atteste – nicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Überdies wären Depressionen nach der Auskunftslage im Heimatland behandelbar.
Rechtsgrundlage der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG.
Da die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt worden ist, entspricht die Abschiebungsandrohung den Anforderungen aus der „Gnandi-Entscheidung“ des EuGH (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – juris).
Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bestehen im maßgeblichen Zeitpunkt nicht (§ 11 Abs. 1 AufenthG).
Nachdem die Hauptsacheklage danach voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Aus dem vorstehenden Gründen war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe – das Gericht geht zugunsten des Antragstellers davon aus, dass sich dieser auch auf das Verfahren nach § 80 VwGO beziehen sollte – abzulehnen. Damit besteht auch keine Grundlage für eine Beiordnung des Bevollmächtigten (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 121 ZPO).
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG nicht anfechtbar.


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