Verwaltungsrecht

Offensichtliche Unbegründetheit einer Asylklage

Aktenzeichen  M 21 K 17.32884

Datum:
10.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 18895
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 30 Abs. 1, § 78 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 11 Abs. 2, § 75 Nr. 12

 

Leitsatz

1 Bei allen Klageabweisungen, auch solchen, die über die Verklammerung in § 75 Nr. 12 AufenthG eine Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots umfassen, ist eine Klageabweisung als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet möglich. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es gibt keinen internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt mehr in Liberia. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zwar zulässig, aber insgesamt offensichtlich unbegründet.
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bundesamtsbescheids und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Bei allen Klageabweisungen, die – wie hier über die Verklammerung in § 75 Nr. 12 AufenthG auch hinsichtlich der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots – in den Anwendungsbereich des AsylG fallen, ist eine Klageabweisung als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet möglich. Nur in reinen ausländerrechtlichen Streitigkeiten, die Asylsuchende betreffen und (allein) auf der Grundlage von Vorschriften des AufenthG geführt werden, findet der Berufungsausschluss keine Anwendung (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand Juni 2011, § 78 AsylVfG Rn. 3 m.w.N; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 78 AsylVfG Rn. 6 m.w.N.).
Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat (§ 78 Abs. 1 AsylG), sind nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG dann vorliegt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (hier: § 77 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG, auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (vgl. BVerfG, B.v. 25.4.2018 – 2 BvR 2435/17 – juris Rn. 21) und an die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet zu stellen (vgl. zu all dem nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3 m.w.N.; BVerfG, B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – juris Rn. 10 m.w.N.). Steht, wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Klage insgesamt als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes liegen offensichtlich nicht vor (§ 30 Abs. 1 AsylG). Das Kernvorbringen ist nicht asylrelevant. Zudem gibt es hinreichend gesichert keinen internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt mehr in Liberia, woran insbesondere die Zuerkennung subsidiären Schutzes offensichtlich scheitert (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Im Einzelnen:
Im Kern hat der Kläger Gefahren durch den Bürgerkrieg in Liberia geltend gemacht. Dieses Vorbringen ist nicht asylrelevant, weil es keine Anknüpfung an ein individuelles, asyl- oder flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal des Klägers erkennen lässt. Insbesondere flüchtlingsrechtlich irrelevant ist auch, wie gut der Kläger in Deutschland als Basketballspieler integriert ist.
Hinreichend gesichert gibt es keinen internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt mehr in Liberia.
Im englischsprachigen Abschlussbericht zur UNMILMission der Vereinten Nationen in Liberia vom 13. April 2018 (https://unmil.unmissions.org/sites/default/files/s-2018-344-final_progress_report_of_the_secretary-general_on_teh_united_nations_mission_in_liberia.pdf) hält der Generalsekretär des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen insbesondere fest, dass die Sicherheitslage in Liberia stabil geblieben ist. Die liberianische National Police hat wirksam und weitgehend ohne Gewalteinsatz, teilweise unter Einsatz persönlicher Mittel der Beamten, auf alle Sicherheitsvorfälle reagiert. Trotz großer politischer Spannungen ist kein größeres Sicherheitsthema während der letzten Wahlperiode entstanden. Zur humanitären Situation wird festgehalten, dass die WHO und andere Partner das Gesundheitsministerium und das National Public Health Institute bei der Stärkung der nationalen Kapazität für die Entdeckung, Prävention und Antwort auf öffentliche Gesundheitsgefahren unterstützt hat. Zur Menschenrechtslage hält der Abschlussbericht fest, dass etwaige Menschenrechtsverletzungen vor allem gegen Frauen und Kinder begangen werden. Deswegen sind zwischen August und Dezember 2017 verschiedene zivilgesellschaftliche Netzwerke ins Leben gerufen worden. Die wirtschaftliche Situation Liberias hat der aktuelle Präsident als „pleite“ charakterisiert. Die Einführung von Präsident Weah war ein Meilenstein, der die aufkeimende demokratische Reife der ältesten Republik Afrikas und ihren Fortschritt auf dem Pfad der Nach-Bürgerkriegstransformation symbolisiert hat. Liberia ist ein voll im Frieden mit sich selbst und seinen Nachbarn befindliches Land. Dementsprechend hat UNMIL am 30. März 2018 sein Mandat beendet.
Der Kläger hat mangels insoweit eigenständig zu würdigenden Vorbringens und nach den vorstehenden Darlegungen auch offensichtlich keinen Anspruch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots, insbesondere des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Er hat als junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann nicht zuletzt durch seine Reise nach Europa bewiesen, dass er sich sogar in einer für ihn unbekannten Umgebung behaupten kann.
Nach dem Klagevorbringen besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die vorliegende, in vergleichbaren Fällen gleich lange Fristbestimmung hinsichtlich des Einreise- und Aufenthaltsverbots ermessensfehlerhaft (vgl. BayVGH, U.v. 12.7.2016 – 10 BV 14.1818 – juris Rn. 59) sein könnte. Dafür ist auch sonst nichts ersichtlich.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Das Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).


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