Verwaltungsrecht

Pflicht zur Benutzung des Radweges; Zulässigkeit des Schrägparkens

Aktenzeichen  3 L 199/21.Z

Datum:
30.5.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 3. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0530.3L199.21.Z.00
Normen:
§ 45 Abs 2 S 1 StVO
§ 45 Abs 9 S 1 StVO
§ 45 Abs 9 Abs 3 StVO
§ 12 Abs 4 StVO
§ 45 Abs 9 S 3 StVO
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Spruchkörper:
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Verfahrensgang

vorgehend VG Halle (Saale), 30. September 2021, 1 A 11/20 HAL, Urteil

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle – 1. Kammer – vom 30. September 2021 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der zulässige Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle – 1. Kammer – vom 30. September 2021 zuzulassen, hat in der Sache keinen Erfolg.
Die von dem Kläger allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.
„Ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 – juris). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und unter anderem konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa Beschluss vom 3. Januar 2007 – 1 L 245/06 – juris Rn. 3 m.w.N). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen (BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 AV 4.03 – juris).
Hieran gemessen erwecken die mit der Zulassungsschrift erhobenen Einwände keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass eine besondere örtliche Gefahrenlage für Radfahrer im streitbefangenen Straßenabschnitt der P-Straße zwischen L-Straße und G-Straße vom Wasserturm in Richtung S-Tor in der Stadt A-Stadt vorliege, die die Aufstellung des Verkehrszeichens 241 (Radwegbenutzungspflicht) nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 Satz 1 und 3 StVO rechtfertige. Hierbei ging es davon aus, dass die vorliegenden örtlichen Begebenheiten trotz eines nicht übermäßig hohen Verkehrsaufkommens eine Radwegbenutzungspflicht rechtfertigten, weil die Straße eine Breite von 4 Metern habe bzw. abschüssig und kurvig sei. Des Weiteren parkten auf beiden Seiten der Straße Kraftfahrzeuge, rechtsseitig längs zur Fahrrichtung und linksseitig schräg zur Fahrbahn (sog. Fischgrätenstellplätze). Da die Straße nur in eine Fahrrichtung befahrbar und abschüssig sei, neigten sowohl Kraftfahrzeug- als auch insbesondere Radfahrer zu einer erhöhten Geschwindigkeit. Aufgrund der beiderseitigen Stellplatzmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge müsse jederzeit mit ein- oder ausparkenden Fahrzeugen gerechnet werden, wobei gefahrerhöhend hinzukomme, dass die linksseitig angeordneten Stellplätze schräg zur Fahrbahn angeordnet seien. Gerade ausparkende Fahrzeuge seien deshalb gezwungen, rückwärts – mit eingeschränkten Sichtverhältnissen – in die Fahrbahn zu setzen, wobei erschwerend hinzukomme, dass die Fahrbahn nur 4 m breit sei. Sollten Radfahrer die Straße benutzen dürfen, bestehe zur Überzeugung des Gerichts die Wahrscheinlichkeit, dass Kraftfahrer zum Überholen der Radfahrer ansetzten und es somit noch einmal zu einer zusätzlichen Gefahrenlage komme (vgl. Urteilsabdruck S. 7 f. [letzter Absatz]).
Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Satz 3 der Vorschrift regelt, dass Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden dürfen, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter (u.a. Sicherheit und Ordnung des Verkehrs) erheblich übersteigt.
Die – die qualifizierte Gefahrenlage i.S.v. § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO als Voraussetzung für die Trennung von Kraftfahrer- und Radverkehr bejahende – Argumentation des Verwaltungsgerichts hat der Kläger in der Zulassungsschrift nicht schlüssig in Frage gestellt.
Der Kläger verweist darauf, dass nach den geltenden Empfehlungen für Radverkehrsanlagen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (im Folgenden: ERA 2010), denen der Rang eines Sachverständigengutachtens zukomme und die in der Betrachtung des Verwaltungsgerichts keine Berücksichtigung gefunden hätten, die vorliegende Verkehrsbelastung dem Belastungsbereich II entspreche. Im Belastungsbereich II sei (u.a.) eine Kombination von Mischverkehr auf der Fahrbahn und Radweg ohne Benutzungspflicht erlaubt (vgl. ERA 2010, Ziff. 2.3 S. 18 f.). Bei seiner Argumentation berücksichtigt der Kläger nicht, dass die ERA 2010 lediglich Belastungsbereiche hinsichtlich zwei- und vierstreifiger Stadtstraßen ausweist. Vorliegend handelt es sich jedoch um eine einspurige Einrichtungsfahrbahn, für die die ERA 2010 keine Belastungsbereiche festlegt. Zur Ermittlung der Kraftfahrzeugbelastung wird die Prognosebelastung in der werktäglichen Spitzenstunde für den (gesamten) Fahrbahnquerschnitt zugrunde gelegt (vgl. ERA 2010, Ziff. 2.3.3 S. 19) und somit für alle Fahrspuren der jeweiligen Straße ermittelt. Übertragen auf Einrichtungsfahrbahnen – wie der vorliegenden – bedeutet dies, dass die Verkehrsbelastung (hier: 559 Kfz/h) sich nicht auf zwei oder mehrere Fahrspuren verteilt, sondern in lediglich einer Fahrtrichtung auf einer Fahrspur besteht. Damit sind Fahrradfahrer einer höheren Fahrzeugbelastung auf ihrer Richtungsfahrbahn ausgesetzt, als wenn sie sich auf einer zweispurigen Straße – mit Begegnungsverkehr, der ca. einen hälftigen Anteil der Verkehrsbelastung mittragen würde – befänden. Anders gewendet: Die festzustellende Verkehrsbelastung wäre – einen Begegnungsverkehr unterstellt – in etwa zu verdoppeln und würde damit über 1.000 Kfz/h liegen, was eine Zuordnung zum Belastungsbereich III bedingen würde, der einen Mischverkehr auf der Fahrbahn i.d.R. ausschließt. Dass das Verwaltungsgericht die Verkehrsbelastung durch Kraftfahrzeuge auf der Einrichtungsfahrbahn als nicht unerheblich eingestuft hat, begegnet jedenfalls angesichts dessen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Dessen ungeachtet sieht die vom Kläger in Bezug genommene Regelung zum Belastungsbereich II u.a. zwar eine Kombination von Mischverkehr auf der Fahrbahn und Radweg ohne Benutzungspflicht vor. In Betracht kommen aber auch Radfahrstreifen oder benutzungspflichtige Radwege bei starkem Schwerverkehr, unübersichtlicher Linienführung und ungünstigen Fahrbahnquerschnitten (vgl. ERA 2010, Tabelle 8 S. 18). Von den letzten beiden Gegebenheiten geht das Verwaltungsgericht mit der Beklagten aus, wenn es die Fahrbahnbreite sowie die kurvige Straßenführung in den Blick nimmt. Hierzu verhält sich die Zulassungsschrift im Zusammenhang mit der Verkehrsbelastung nicht.
Der Einwand des Klägers, aus den Empfehlungen folge auch, dass eine abschüssige Straße allein zu keiner besonderen Gefährdungslage führe, weil das Gefälle im Regelfall für die Führung des Radverkehrs auf der Fahrbahn spreche (vgl. ERA 2010, Ziff. 3.8, S. 28 f.), rechtfertigt keine andere Betrachtung. Denn das Verwaltungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass allein das Gefälle der Straße zu einer qualifizierten Gefahrenlage führe, sondern dieses in Kombination mit der unübersichtlichen Linienführung (kurvig), dem ungünstigen Fahrbahnquerschnitt (Fahrbahnbreite), der rechts- und linksseitige Anordnung von Parkständen (linksseitig als sog. Fischgrätenparkplätze) und den damit verknüpften Ausparkvorgängen (bei linksseitig eingeschränkten Sichtverhältnissen) eine besondere örtliche Gefahrenlage bedinge. Daneben hat es eine „zusätzliche Gefahrenlage“ dadurch erblickt, dass Kraftfahrer (angesichts einer erlaubten Geschwindigkeit von 50 km/h) zum Überholen der Radfahrer ansetzten.
Die zur Parkplatzsituation erhobenen Einwendungen, wonach diese keine besondere Gefährdungslage für Fahrradfahrer begründe, weil Fahrradfahrer angesichts einer 4 m breiten gut einsehbaren Fahrbahn im Einrichtungsverkehr mit ausreichendem Sicherheitsabstand an den rechts- und linksseitigen Parkständen vorbeifahren könnten, rechtfertigen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ebenfalls nicht. Der Kläger blendet bei seiner Argumentation die zu Beginn des Straßenabschnitts zweifellos vorhandene Kurvenführung aus und berücksichtigt nicht die generelle Abschüssigkeit der Straße. Diese Gegebenheiten hat jedoch das Verwaltungsgericht seiner Betrachtung zugrunde gelegt. Diese bedingen eine erhöhte Geschwindigkeit sowie eine geringere Sichtbarkeit des Fahrradverkehrs, der wiederum selbst jederzeit mit ein- und ausparkenden Fahrzeugen zu rechnen hat. Der Kläger beschreibt erstinstanzlich selbst die Situation auf dem streitbefangenen Straßenabschnitt dahingehend, dass sehr unterschiedliche Gefahren durch Ein- und Ausparker, Fußgänger, häufige kurze Haltevorgänge in zweiter Reihe, Paket- und Lieferdienste, Dienstleister des Seniorenpflegeheims für den fließenden Verkehr und somit auch für Radfahrer vorhanden seien (vgl. klägerisches Schreiben an das Gericht vom 3. September 2021), die ein Ausweichen erfordern können. Von einem gefahrlosen Ausweichen geht indes das Gericht aufgrund des Gefälles und der eingeschränkten Sichtverhältnisse durch die Kurvenführung bzw. des linksseitig aus den schräg angeordneten Parkständen ausparkenden Verkehrs nicht aus. Hierzu verhält sich die Zulassungsschrift nicht.
Soweit das Verwaltungsgericht eine zusätzliche und damit eine weitere aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse bestehende qualifizierte Gefahrenlage darin erblickt hat, dass die Wahrscheinlichkeit bestehe, dass Kraftfahrer zum Überholen der Radfahrer ansetzten, kommt es hierauf schon nicht entscheidend an. Dessen ungeachtet sind insoweit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ebenfalls nicht ersichtlich. Der Kläger wendet ein, dass das Verwaltungsgericht fehlerhaft mit der Beklagten konstruiere, dass die motorisierten Verkehrsteilnehmer ihrerseits Ordnungswidrigkeiten begehen und Überholvorgänge vornehmen würden, die angesichts der Fahrspurbreite von 4 m im Widerspruch zu § 5 Abs. 2 StVO stünden. In diesem Zusammenhang verweist der Kläger auf eine Berechnung der Beklagten, wonach für einen korrekten Überholvorgang 1,70 m Fahrbahnbreite fehlten (vgl. Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 1. November 2018, S. 8 [3. Absatz]), und führt aus, dass ein bloßes Verschätzen hinsichtlich einer zureichenden Fahrbahnbreite ausgeschlossen sei. Ein Überholvorgang wäre eine grobe, vorsätzliche Missachtung der Verkehrsregeln. Vielmehr dürfe bei regelgerechtem Verhalten der Radverkehr von vornherein nicht überholt werden.
Entgegen dieser Einschätzung des Klägers können den Fahrradverkehr gefährdende Überholvorgänge – wovon auch das Verwaltungsgericht ausgeht – nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden. Sowohl die Widerspruchsbehörde als auch der Kläger berücksichtigen bei ihrer Berechnung der zur Verfügung stehenden Fahrbahnbreiten nicht, dass die linksseitigen Parkstände durch einen (zusätzlichen) Sicherheitsraum von der 4 m breiten Fahrspur getrennt sind. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs beträgt dessen Breite jedenfalls 1,25 m (vgl. Bl. 20, 21) und wird durch eine durchbrochene Leitlinie (Zeichen 340), die überfahren werden darf, wenn der Verkehr dadurch nicht gefährdet wird, von der Fahrspur getrennt. Dieses Größenverständnis findet seine Bestätigung auch in Betrachtung der Darstellung des streitbefangenen Straßenabschnitts auf Google Maps. Dies zugrunde gelegt beträgt die Fahrbahnbreite mehr als 5 m und führt dazu, dass je nach Fahrweise eines sich rechtsseitig einordnenden Fahrradfahrers tatsächlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass der motorisierte Verkehr einen Überholvorgang einleitet. Es ist damit auch nicht realitätsfern, dass sich der Führer eines Kfz hinsichtlich der zureichenden Fahrbahnbreite für einen Überholvorgang verschätzt und der Fahrradfahrer – als schwächster Verkehrsteilnehmer – in seiner körperlichen Unversehrtheit gefährdet wird. Hinzu kommt, dass ausgehend von – nicht ohne Weiteres unzulässigen – Überholvorgängen der Radverkehr durch ausparkende Fahrzeuge gefährdet werden kann. Kommt es zu einer Kollision zwischen dem linksseitig ausparkenden und überholenden Fahrzeug bzw. weicht das überholende Fahrzeug aus, ist eine Gefährdung des Fahrradfahrers nicht auszuschließen. Das Gleiche gilt bei rechtsseitig ausparkenden Fahrzeugen, die gegebenenfalls eine Ausweichbewegung des Radfahrers bedingen, so dass sich der Sicherheitsabstand zum überholenden Fahrzeug verringert.
Von einem solchen – an Fahrbahnbreiten und Überholmöglichkeiten orientierten – Grundverständnis geht auch die von dem Kläger in Bezug genommene ERA 2010 aus. Danach sei die Verträglichkeit des Radverkehrs auf der Fahrbahn neben der Kraftfahrverkehrsstärke und Geschwindigkeit auch von der Fahrbahnbreite abhängig (vgl. ERA 2010, Ziff. 2.3.3 S. 19). Zu den Führungsformen des Radverkehrs an innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen – mit Begegnungsverkehr – führt sie aus, dass der Mischverkehr auf Fahrbahnen mit einer Breiten von 6,00 und 7,00 m (bereits) bei Kraftfahrzeugstärken über 400 Kfz/h problematisch sei und bei geringeren Fahrbahnbreiten bis zu einer Kraftfahrzeugstärke von 700 Kfz/h verträglich sei, da der Radverkehr im Begegnungsfall Kfz-Kfz nicht überholt werden könne (vgl. ERA Ziff. 3.1 S. 22). Berücksichtigt man die vorliegende Situation einer Einrichtungsfahrbahn mit einer (nur) einseitigen Verkehrsbelastung von bereits 559 Kfz/h liegt es schon nicht auf der Hand, dass bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h und einer einen Überholvorgang nicht generell ausschließenden Straßenbreite von einer Verträglichkeit des Radverkehrs auf der Fahrbahn auszugehen ist.
Dass sich die Kraftfahrzeugführer an die geltende Straßenverkehrsordnung zu halten und ihre Fahrweise in Entsprechung des § 3 Abs. 1 StVO an die örtlichen Verhältnisse (querende Fußgänger, Ein- und Ausparkvorgänge, Parken in zweiter Reihe, Ampelrückstau) anzupassen hätten, schließt – entgegen der Darstellung des Klägers – nicht von vornherein aus, dass auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse (Fahrbahnquerschnitt, zu Beginn des Straßenabschnitts unübersichtliche Straßenführung, rechts- und linksseitige Parkstände und ihre konkrete Anordnung, Gefälle) eine qualifizierte Gefahrenlage i.S.v. § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO für Radfahrer besteht. Vielmehr geht das Verwaltungsgericht offenkundig davon aus, dass die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der StVO einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf gerade nicht gewährleisten.
Soweit der Kläger die seines Erachtens nicht ausreichende Würdigung der Unfallstatistik rügt und darauf verweist, dass es sich bei dem maßgebenden Straßenabschnitt um keinen besonderen Unfallschwerpunkt für Radfahrer handele, führt dies nicht weiter. Der Kläger berücksichtigt nicht, dass die Radwegbenutzungspflicht und damit das Verbot, die Fahrbahn zu benutzen, im Zusammenhang mit der Neuanordnung der linksseitigen Parkstände schräg zur Fahrbahn erfolgt ist. Hierdurch haben sich die örtlichen Verhältnisse ausgehend von der bestehenden Verkehrsbelastung in Zusammenschau mit dem verbliebenen Fahrbahnquerschnitt, der teilweise unübersichtlichen Straßenführung und dem Gefälle verändert. Diese Ausgangslage konnte sich mithin nicht in der Unfallstatistik niederschlagen, wenn – wie hier – eine Radwegbenutzungspflicht angeordnet wurde, d.h. es dem Radverkehr verboten ist, die Fahrbahn zu benutzen. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs sind nach der Anordnung der Radwegbenutzungspflicht auf dem maßgebenden Streckenabschnitt gleichwohl zwei Unfälle mit Fahrradbeteiligung (Unfall im Längsverkehr beim Überholen eines Fahrrades [22. Juni 2018], Zusammenstoß eines Fahrradfahrers mit einem verkehrsbedingt haltenden Kfz [29. Dezember 2016]) bekannt geworden (Bl. 53 ff.).
Entgegen der Auffassung des Klägers ist gegen die Ausrichtung der linksseitigen Parkstände schräg zur Fahrbahn als solches nichts zu erinnern. In Einbahnstraßen kann nach den Regeln der StVO rechts und links geparkt werden (vgl. § 12 Abs. 4 Satz 1 und 4 StVO). Zwar kann dem § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO für die rechte Fahrbahnseite das Gebot des Parallelparkens entnommen werden („an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren“). Schräg- bzw. Querparken ist indes jedenfalls ausnahmsweise – bspw. auf breiten Straßen – zur besseren Parkraumausnutzung (vgl. § 12 Abs. 6 StVO) möglich (vgl. König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 12 StVO Rn 58d). Inwieweit Schrägparken außer bei entsprechender Fahrbahnmarkierung zulässig ist, kann dem Wortlaut des § 12 Abs. 4 StVO nicht entnommen werden. Auf breiten Straßen und Parkstreifen, auf denen der fließende Verkehr nicht behindert wird, ist es platzsparend und daher nach § 12 Abs. 6 StVO geboten, jedenfalls erlaubt (Heß in Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl. 2008, § 12 StVO Rn. 75). Von einer ausreichend breiten Straße dürfte bei einspuriger Verkehrsführung vorliegend auszugehen sein (siehe Ausführungen zum Fahrbahnquerschnitt). Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe bei der Ausrichtung der linkseitigen Parkstände im Jahr 2016/2017 prüfen müssen, ob hierdurch die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werde und müsse zu dem Ergebnis gekommen sein, dass diese keine besondere Gefahrenlage verursache, weil ansonsten die Schräganordnung der Parkstände unzulässig gewesen wäre, führt nicht weiter. Auch Parkflächenmarkierungen – wie die vorliegenden – sind als Vorschriftszeichen Verwaltungsakte und an den Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO zu messen (vgl. König in: a.a.O., § 12 StVO Rn 56). Der Kläger begehrt mit seiner Klage jedoch allein das Aufheben der Radwegbenutzungspflicht im maßgebenden Streckenabschnitt und hat sich weder an die Beklagte noch an das Gericht mit dem Rechtsschutzziel gewandt, die linksseitige Parkflächenmarkierung aufzuheben. Die Frage der Zulässigkeit dieser – jedenfalls nicht nichtigen – verkehrsrechtlichen Anordnung stellt sich im vorliegenden Verfahren weder unmittelbar noch inzident.
Die Zulassungsschrift zeigt mit ihrem pauschalen Einwand, Fahrradfahrer seien durch das Verbot der Fahrbahnbenutzung an der Abwägung der Gefahren der Fahrbahnbenutzung gegenüber den Gefahren der Radwegenutzung (Kreuzungsunfälle seien eine Hauptursache für schwere Unfälle mit Fahrradbeteiligung) gehindert, schon nicht auf, dass im vorliegenden Fall die Gefahren der Radwegbenutzung die vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Gefahren der Fahrbahnbenutzung überwiegen. Dies gilt auch, soweit der Kläger lediglich auf die Regelungen in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) verweist, wonach hinsichtlich der Gestaltung von Radverkehrsanlagen auf die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) in der jeweils gültigen Fassung hingewiesen wird (zu § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO). Auch die vorliegende Unfallstatistik (Zeitraum 2013 bis 2018) lässt nicht erkennen, dass die Nutzung des Radweges besonders gefahrenträchtig ist. Lediglich aus dem Jahr 2013 ist ein Zusammenstoß zwischen einem bevorrechtigten Radfahrer und einem einbiegenden/kreuzenden Kfz an einer Grundstücksausfahrt aufgrund eines Fehlers des Kraftfahrzeugführers beim Einfahren in den fließenden Verkehr festzustellen (vgl. Verwaltungsvorgang Bl. 62 f.). Demgegenüber ereignete sich am 15. Oktober 2016 ein Fahrradunfall auf dem Radweg ohne Drittbeteiligung, weil der Radfahrer unter Einfluss von Alkohol und berauschenden Mitteln stand (vgl. Verwaltungsvorgang Bl. 59 f).
Die Argumentation des Klägers „Zur Frage der Bestandskraft“ (vgl. Zulassungsbegründung S. 6 ff.) ist mit Blick auf die angefochtene Entscheidung nicht verständlich. Das Verwaltungsgericht hat offengelassen, ob als maßgebliche Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts) oder § 45 Abs. 1 und 3 StVO (Aufhebung einer Verkehrsbeschränkung) heranzuziehen sei, da es davon ausgegangen ist, dass die Klage des Klägers unter beiden in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen keinen Erfolg habe, weil die Anordnung der Radwegbenutzungspflicht nicht rechtswidrig sei, sondern eine besondere Gefahrenlage in Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 1 und 3 StVO vorliege, die die Anordnung rechtfertige. Auf die „Frage der Bestandskraft“ kommt es damit von vornherein nicht an. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang vorträgt, es sei ein neuer Verwaltungsakt erlassen worden, weil die Beklagte als ursprüngliche Begründung der Radwegbenutzungspflicht nur die hohe Verkehrsbelastung angeführt habe und erst nach längerer Bearbeitungszeit des klägerischen Antrags auf Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht weitere Gründe genannt habe, ist nicht erkennbar, worauf der Einwand abzielt. Dessen ungeachtet handelt es sich bei der Radwegbenutzungspflicht um eine Verkehrsbeschränkung nach § 45 Abs. 9 StVO durch Dauerverwaltungsakt. Die Straßenverkehrsbehörde hat dabei ihre Ermessenserwägungen fortlaufend zu prüfen und ggf. zu aktualisieren (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2017 – 8 A 1256/14 – juris).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III. Der Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 40, 47 GKG, wobei der Senat mit dem Verwaltungsgericht mangels genügender Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts vom Auffangwert ausgeht.
IV. Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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