Verwaltungsrecht

Pflicht zur Mitteilung der Adressänderung

Aktenzeichen  M 30 S 17.32610

Datum:
5.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 4003
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 10 Abs. 1, § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Kommt der Antragsteller der Obliegenheit, jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen (Bundesamt, Ausländerbehörde, Gerichte) unverzüglich anzuzeigen, nicht nach, muss er nach § 10 Abs. 2 S. 1 AsylG Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle aufgrund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen. (Rn. 6 – 7) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der vorgibt, ein am 5. August 1992 geborener Staatsangehöriger von Sierra Leone zu sein, stellte am 22. Juni 2016 Asylantrag. Er legte dem Bundesamt für … (Bundesamt) einen sierra-leonischen Arbeitsausweis (Labour Card) vor. Gegen Unterschrift wurde ihm am 9. August 2016 die Belehrung über seine Mitwirkungspflichten im Asylverfahren in englischer Sprache übergeben. Die erste Anschrift, der der Antragsteller zugeteilt wurde, lautet „Aufnahmeeinrichtung …str. 60“. Einem Aktenvermerk vom 16. November 2016 zufolge änderte das Bundesamt die Anschrift laut Ausländerzentralregister auf „…200“ in … Unter dieser Anschrift erhielt der Antragsteller eine auf den 16. November 2016 datierte Ladung zur Anhörung für den 1. Dezember 2016. Mithilfe des Sozialdienstes für Flüchtlinge der Inneren Mission … entschuldigte er sich für diesen Termin, da ihm wegen fehlender Geldmittel kein Ticket rechtzeitig ausgestellt werden konnte. Am 15. Dezember 2016 wurde der Antragsteller erneut für den 19. Januar 2017 zur Anhörung geladen, wiederum unter der Anschrift … 200. Diese Ladung konnte ihm nicht zugestellt werden, da er unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln sei. Mit Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 23. Dezember 2016 wurde der Antragsteller ab dem 29. Dezember 2016 der Adresse …straße 30 in … zugewiesen. Dieser Bescheid wurde ihm an die Aufnahmeeinrichtung Bayern AE Oberbayern DP Fliegerhorst … … Nord adressiert. Weitere Details hinsichtlich der jeweiligen Wohnsituation lassen sich der Akte des Bundesamtes nicht entnehmen.
Das Bundesamt stellte daraufhin mit Bescheid vom 2. Februar 2017 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt, und stellte das Asylverfahren ein (Nr. 1). Ebenso stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und drohte dem Antragsteller die Abschiebung nach Sierra Leone oder in einen anderen Staat an (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4). Zur Begründung bezog sich das Bundesamt auf § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG, wonach vermutet wird, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wenn er einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachgekommen ist. Nach § 33 Abs. 1 AsylG gelte der Asylantrag bei Nichtbetreiben des Verfahrens als zurückgenommen. Auf die Bescheidsbegründung wird im Übrigen verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2017, als Fax eingegangen am selben Tag, ließ der Antragsteller über seine Bevollmächtigte Klage gegen den Bescheid vom 2. Februar 2017 erheben, über die noch nicht entschieden ist (M 30 K 17.32609). Gleichzeitig ließ er beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 8 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Eine Begründung von Klage und Eilantrag erfolgte im weiteren Verfahren nicht mehr. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Gericht vorliegende Akte des Bundesamts in elektronischer Form sowie auf die Gerichtsakten in beiden Verfahren verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Das Bundesamt hat zu Recht vermutet, dass der Antragsteller sein Verfahren nicht betreibt, weil er einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachgekommen ist. Dabei ist dem Antragsteller zuzugestehen, dass sich die Zustellung behördlicher Post bei seinem häufigen Adresswechsel möglicherweise schwierig gestaltet hat. War er zu Beginn seines Asylverfahrens im Sommer 2016 noch der Aufnahmeeinrichtung …str. 60 zugewiesen, so wohnte er spätestens im November 2016 in der Anschrift … 200 in … Er muss dann in der Folgezeit erneut in eine Aufnahmeeinrichtung (…) umgezogen sein, weil ihm mit Datum vom 23. Dezember 2016 an diese Adresse der Bescheid der Regierung von Oberbayern zugesandt wurde, wonach er ab dem 29. Dezember 2016 der Adresse …straße 30 in … zugewiesen wurde. Der am 17. Dezember 2016 fehlgeschlagene Zustellversuch an seine Anschrift … 200 ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass sich der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt in … aufgehalten hat.
Dies entlastet den Antragsteller jedoch nicht. Denn nach § 10 Abs. 1 AsylG hat er während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes stets erreichen können; insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen unverzüglich anzuzeigen. Dementsprechend muss er nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylG Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle aufgrund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen. Kann die Sendung dem Ausländer nicht zugestellt werden, so gilt die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt, § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG.
Der Obliegenheit, jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen (Bundesamt, Ausländerbehörde, Gerichte) unverzüglich anzuzeigen, ist der Antragsteller nach Aktenlage kein einziges Mal nachgekommen, denn in der Bundesamtsakte finden sich keinerlei Mitteilungen des Antragstellers an das Bundesamt hinsichtlich einer Adressänderung. In Bezug auf seine zweite Adresse „… 200“, bezüglich der Anschrift in … sowie hinsichtlich der Adresse „…straße 30“ in … müsste die Bundesamtsakte jedoch entsprechende Mitteilungsschreiben des Antragstellers enthalten, wenn er dieser Verpflichtung nachgekommen wäre. Offensichtlich hat sich der Antragsteller überhaupt nicht um seine diesbezüglichen Obliegenheiten gekümmert, obwohl ihm zu Beginn seines Asylverfahrens ein vierseitiges Hinweisblatt in seiner Heimatsprache Englisch ausgehändigt wurde, in welchem er ausführlich über seine Pflichten im Asylverfahren belehrt wurde. Der Antragsteller, der in seiner Anhörung angegeben hat, neun Jahre die Schule besucht und diese mit dem Abitur abgeschlossen zu haben, kann sich insoweit nicht auf Nichtwissen zurückziehen. Er hat auch im weiteren Verlauf des gerichtlichen Verfahrens weder dem Bundesamt noch dem Verwaltungsgericht gegenüber auch nur eine kurze Begründung gegeben, weshalb er seinen Verpflichtungen nach § 10 AsylG nicht nachgekommen ist.
Im Übrigen bezieht sich das Gericht auf den streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes und folgt insoweit seinen Feststellungen und der Begründung, § 77 Abs. 2 AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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