Verwaltungsrecht

Probezeitbeurteilung im Beamtenverhältnis mit “noch nicht geeignet”

Aktenzeichen  Au 2 K 15.1258

Datum:
17.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 3 Abs. 1
LlbG Art. 55 Abs. 2 S. 1, Art. 60 Abs. 1 S. 1
BeamtStG BeamtStG § 4 Abs. 3 lit. a

 

Leitsatz

1 Nach Art. 55 Abs. 2 S. 1 LlbG ist die Probezeitbeurteilung bis zum Ablauf der Probezeit zu erstellen. Dies schließt nicht aus, dass die Beurteilung noch während der Probezeit erfolgt, wenn feststeht, dass eine Dienstleistung bis zum Ende der Probezeit nicht mehr erfolgen wird. (redaktioneller Leitsatz)
2 Gegenstand der Probezeitbeurteilung ist die Feststellung, ob der Beamte für die Aufgaben der Fachlaufbahn und – soweit gebildet – des fachlichen Schwerpunktes sowie für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit geeignet ist. Die Bewertung „noch nicht geeignet“ ist zu vergeben, wenn die Eignung des Beamten bis zum Ablauf der Probezeit nicht festgestellt werden kann, aber eine Verlängerung der Probezeit in Betracht kommt. (redaktioneller Leitsatz)
3 Es ist nicht zulässig, den Beamten durch die Eröffnung der Probezeitbeurteilung erstmals mit der Einschätzung zu konfrontieren, dass die Probezeit nicht bestanden wurde. Der Dienstvorgesetzte ist vielmehr verpflichtet, den Beamten schon bei den ersten Anzeichen, die ein Bestehen der Probezeit fraglich erscheinen lassen, auf die negative Entwicklung hinzuweisen und auf eine Besserung hinzuwirken. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die streitgegenständliche Probezeitbeurteilung vom 22. Juli 2014 für den Beurteilungszeitraum vom 1. Oktober 2013 bis 22. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der JVA … vom 30. Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ihr steht der geltend gemachte Anspruch, den Beklagten unter Aufhebung der streitgegenständlichen Probezeitbeurteilung zu verpflichten, sie für den Beurteilungszeitraum unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut dienstlich zu beurteilen, nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO analog).
Dienstliche Beurteilungen sind von den Verwaltungsgerichten – ihrem Wesen als persönlichkeitsbedingte Werturteile entsprechend – nur beschränkt überprüfbar (BVerfG, B.v. 29.5.2002 – 2 BvR 723/99 – NVwZ 2002, 1368; BVerwG, U.v. 21.3.2007 – 2 C 2.06 – DÖD 2007, 281; BayVGH, B.v. 17.3.2011 – 3 ZB 10.1242 – juris Rn. 6; Hüllmantel/Eck/Hoffmeyer/Luber/Weißgerber, LlbG, Art. 60 Rn. 86). Allein der Dienstherr bzw. der für ihn handelnde jeweilige Vorgesetzte soll nach dem erkennbaren Sinn der Regelungen über die dienstliche Beurteilung (Art. 54 ff. LlbG) ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den – ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden – fachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht.
Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle ist in Anbetracht der den normativen Regelungen des Beurteilungsverfahrens immanenten Beurteilungsermächtigung darauf beschränkt, zu überprüfen, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Sie kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese durch eine eigene Beurteilung ersetzt (BVerwG, U.v. 26.6.1980 – 2 C 8.78 – BayVBl 1981, 54; Battis, BBG, 4. Aufl. 2009, § 21 Rn. 12).
Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abfassung der dienstlichen Beurteilung erlassen hat, ist vom Gericht zudem zu prüfen, ob diese – vermittels Art. 3 Abs. 1 GG den Dienstherrn gegenüber den Beamten rechtlich bindenden – Richtlinien eingehalten sind und ob die Richtlinien mit den normativen Regelungen über die dienstliche Beurteilung – speziell denen der (Leistungs-)Laufbahnvorschriften in der zum Zeitpunkt der Erstellung der Beurteilung geltenden Fassung – im Einklang stehen (BVerwG, U.v. 21.3.2007 – 2 C 2.06 – DÖD 2007, 281; U.v. 30.4.1981 – 2 C 8.79 – NVwZ 1982, 101; BayVGH, U.v. 17.12.2015 – 3 BV 13.773 – juris Rn. 12). Maßgebend für die vorliegend zu überprüfende Beurteilung sind Art. 54 ff. LlbG, Abschnitt 3 der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (VV-BeamtR – Allgemeine Beurteilungsrichtlinien – Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 13. Juli 2009, geändert durch Bekanntmachung vom 24. April 2014, FMBl S. 62) sowie die zur Beurteilung und Leistungsfeststellung für die Beamten und Beamtinnen im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz mit Ausnahme der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen ergangene Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 25. September 2013 (Az. A4-2012-V-7710/11, JMBl S. 106 – JuBeurteilBek). Die Vereinbarkeit der vom Beklagten angewandten rechtlichen Grundlagen mit höherrangigem Recht wird von der Klagepartei nicht in Frage gestellt. Anhaltspunkte diesbezüglich ergeben sich auch aus der Sicht des Gerichts nicht.
Die Probezeitbeurteilung vom 22. Juli 2014 lässt keine formellen Fehler erkennen. Sie wurde entsprechend der gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmung in Art. 60 Abs. 1 Satz 1 LlbG i. V. m. Nr. 11 VV-BeamtR, Nr. 3.6.1 JuBeurteilBek vom Leiter der JVA … erstellt. Die Erstellung der Probezeitbeurteilung am 22. Juli 2014 erfolgte nicht verfrüht. Nach Art. 55 Abs. 2 Satz 1 LlbG ist die Probezeitbeurteilung bis zum Ablauf der Probezeit (hier zum 30. September 2014) zu erstellen. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Probezeitbeurteilung noch während der Probezeit erfolgt, insbesondere, wenn – wie hier – feststeht, dass eine Dienstleistung bis zum Ende der Probezeit nicht mehr erfolgen wird (Konrad in Keck/Puchta/Konrad, Laufbahnrecht in Bayern, Stand September 2015, Art. 55 LlbG Rn. 18). Aufgrund der Feststellungen in den dem Dienstherrn von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und dem Beginn des gesetzlichen Mutterschutzes am 14. September 2014 konnte der Beklagte davon ausgehen, dass die Klägerin bis zum Ablauf der Probezeit keinen Dienst mehr leisten werde. Da bei dieser Sachlage nicht damit zu rechnen war, dass sich die tatsächlichen Grundlagen für die Erstellung der Probezeitbeurteilung (Nr. 7.2.5 i. V. m. Nr. 3.4 JuBeurteilBek), insbesondere die von der Klägerin während der Probezeit gezeigten dienstlichen Leistungen, noch ändern könnten, ist in Bezug auf den Zeitpunkt der Erstellung der Probezeitbeurteilung rechtlich nichts zu erinnern. Der Inhalt der Probezeitbeurteilung entspricht ebenfalls den formellen Vorgaben der hierzu ergangenen Richtlinien. Nach Nr. 10.2 der VV-BeamtR, Nr. 7.2.1 JuBeurteilBek ist vorgesehen, dass die Probezeitbeurteilung in verbaler Form zu erfolgen hat und eine Punktebewertung nicht stattfindet. Das vergebene Gesamturteil „noch nicht geeignet“ stellt eines der für die Vergabe bei Probezeitbeurteilungen vorgesehenen Gesamturteile dar (Nr. 7.2.1 Satz 6 JuBeurteilBek i. V. m. Nr. 10.2.1.2 VV-BeamtR).
Die Probezeitbeurteilung vom 22. Juli 2014 ist auch in materiellrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Gegenstand von Probezeitbeurteilungen ist die Feststellung, ob die Probezeitbeamtinnen und -beamten im Sinn des § 4 Abs. 3 Buchst. a BeamtStG für die Aufgaben der Fachlaufbahn, und, soweit gebildet, des fachlichen Schwerpunktes, sowie für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit geeignet sind (Art. 55 Abs. 2 Satz 2 LlbG, Nr. 7.2.1 JuBeurteilBek i. V. m. Nr. 10.2.1 VV-BeamtR). Nach Nr. 7.2.1 Satz 6 JuBeurteilBek i. V. m. Nr. 10.2.1.2 VV-BeamtR ist die Bewertung „noch nicht geeignet“ zu vergeben, wenn die Eignung des Beamten bis zum Ablauf der Probezeit nicht festgestellt werden kann, aber eine Verlängerung der Probezeit nach Art. 12 Abs. 4 LlbG in Betracht kommt. Es ist hier nicht erkennbar, dass der Beurteiler bei der Klägerin zu Unrecht vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen ist. Die Darlegungen in der angegriffenen Probezeitbeurteilung zu Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Klägerin tragen das vergebene Gesamturteil „noch nicht geeignet“. Anhaltspunkte dafür, dass die Eignungsbewertung an einem rechtserheblichen Bewertungsmangel leidet, insbesondere etwa sachlich ungerechtfertigt wäre oder eine Befangenheit von am Beurteilungsverfahren beteiligten Vorgesetzten angenommen werden könnte, liegen nicht vor. Dies hat die Beweisaufnahme zum Zustandekommen und zum Inhalt der Probezeitbeurteilung vom 22. Juli 2014 zur Überzeugung des Gerichts ergeben. Sowohl die Aussage der Zeugin … als auch Angaben der Zeugin …, von denen der Zeuge … als Beurteiler seine Informationen und Kenntnisse über das Leistungsbild der Klägerin vermittelt erhalten hat, haben die in der Probezeitbeurteilung angeführten Kritikpunkte in Bezug auf die Eignung der Klägerin bestätigt und das vergebene Gesamturteil plausibilisiert.
Ein Verstoß gegen die in Nr. 7.2.4 JuBeurteilBek enthaltenen speziellen Vorgaben zu den Pflichten des Dienstherrn während der Probezeit liegt ebenfalls nicht vor. Danach ist es nicht zulässig, den Beamten oder die Beamtin durch die Eröffnung der Probezeitbeurteilung erstmals mit der Einschätzung des Dienstvorgesetzten zu konfrontieren, dass die Probezeit nicht bestanden wurde. Der Dienstvorgesetzte ist vielmehr verpflichtet, den Beamten oder die Beamtin schon bei den ersten Anzeichen, die ein Bestehen der Probezeit fraglich erscheinen lassen, auf die negative Entwicklung hinzuweisen und gegebenenfalls durch Abmahnung auf eine Besserung hinzuwirken (s. auch Nr. 2.4 Satz 4 VV-BeamtR). Diesen Anforderungen ist der Dienstherr gerecht geworden, da der Zeuge … bei seiner Einvernahme angegeben hat, dass der Klägerin nach der von dieser zu verantwortenden Medikamentenverwechslung durch die Zeugin … deutlich zu verstehen gegeben worden sei, dass sie sorgfältiger arbeiten müsse, um die Probezeit zu bestehen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im Zusammenhang mit dem Zustandekommen der Probezeitbeurteilung wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden sein könnte, wurden weder substantiiert vorgetragen, noch haben sich solche im Rahmen der Beweiserhebung ergeben.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
Gründe, die Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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