Verwaltungsrecht

Prozesskostenhilfe, Äthiopischer Staatsangehöriger, Geltend gemacht: Somalische, Staatsangehörigkeit, Somali;, Vorfluchttatbestand;, 2015 / 2016;, Zwangsrekrutierung;, Liyu Police.

Aktenzeichen  M 13 K0 17.47148

Datum:
10.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11670
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO i.V.m. § 166
ZPO § 114 ff.
AsylG § 4
AsylG § 60 Abs. 5
EMRK Art. 3
AsylG § 60 Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Zu Grunde liegendes Ziel des Antragstellers, eines am … Januar 2002 in Äthiopien geborenen, nach Auffassung des Bundesamtes äthiopischen, nach eigener Aussage hingegen somalischen Staatsangehörigen vom Volke der Somali, ist die Zuerkennung subsidiären Schutzes durch die Beklagte, zumindest aber Schutz vor einer Abschiebung nach Äthiopien.
Der Antragsteller reiste am 11. September 2016 als Minderjähriger ohne Ausweispapiere auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellte, vertreten durch seinen Vormund, am 12. Oktober 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag.
Nach persönlicher Anhörung, durchgeführt am 28. März 2017, lehnte das Bundesamt mit streitgegenständlichem Bescheid vom 3. August 2017 die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf subsidiären Schutz (Nr. 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Der Antragsteller wurde zur Ausreise binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens aufgefordert und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Äthiopien oder einen anderen zur Rückübernahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht (Nr. 5). Das für den Fall der Abschiebung verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
Gegen die Ablehnung des Antrages auf Zuerkennung subsidiären Schutzes sowie die Feststellung, dass Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen, hat der damalige Vormund des Antragstellers – unter der Voraussetzung der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe – mit Schriftsatz vom 9. August 2017, bei Gericht eingegangen am 14. August 2017, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben, ohne einen bestimmten Antrag zu stellen. Eine Begründung ist nicht erfolgt.
Mit Schriftsatz vom 13. September 2017 hat der Vormund des Antragstellers zudem beantragt,
dem Antragsteller unter Beiordnung eines Fachanwaltes Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Zur Begründung ist vorgetragen worden, der Antragsteller sei nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Antragsteller sei minderjährig und Schüler, in einer Jugendeinrichtung untergebracht und erhalte lediglich ein monatliches Taschengeld. Einzusetzendes Einkommen i.S.d. § 115 Abs. 1 ZPO sei nicht vorhanden. Das Formblatt über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse wurde nicht vorgelegt.
Die Antragsgegnerin hat die Behördenakten vorgelegt, ohne einen Antrag zu stellen.
Mit Beschluss vom 24. Januar 2022 hat die Kammer, nachdem den Beteiligten zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, den Rechtsstreit nach § 76 Abs. 1 AsylG dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt machte der Antragsteller zu seiner Herkunft und seinen familiären Verhältnissen, zu seinem Gesundheitszustand und seinen schulischen und beruflichen Qualifikationen, sowie zu den Gründen für seinen Asylantrag folgende Angaben:
Er stamme aus der Stadt Jijiga im Bundesstaat Somali, Veraltungszone Jijiga, habe jedoch nach dem Tod seines Vaters auch zeitweise bei seiner Tante auf dem Land in der Region Fafan, ebenfalls Bundesstaat Somali, gelebt. Er gehöre der Volksgruppe der Somali an und sei muslimischen Glaubens. Seine Muttersprache sei Somali.
Er sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. In Äthiopien lebten noch seine Mutter (mittlerweile in Fafan), eine ältere Schwester und deren Ehemann sowie zwei weitere Geschwister (derzeitiger Aufenthaltsort unbekannt), ein Onkel väterlicherseits (in Kebri Dahar) sowie eine Tante mütterlicherseits (in Fafan). Sein Vater sei bereits verstorben.
Er habe fünf Jahre lang eine staatliche Schule besucht und dort Amharisch und Englisch gelernt. Gearbeitet habe er nicht.
Er habe keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigungen.
Er habe Äthiopien im Jan. 2016 verlassen und sich bis zu seiner Einreise in die Bundesrepublik unter anderem kurzfristig im Sudan, Tschad und Ägypten sowie in Italien und Österreich aufgehalten.
Im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien fürchte er, seitens des äthiopischen Staates inhaftiert oder gar mit dem Tod bestraft zu werden. Dies habe mit folgenden Vorgängen zu tun, die sich in Äthiopien vor seiner Ausreise ereignet und ihn zu seiner Ausreise bewegt hätten:
Zu einem – vom Antragsteller nicht näher benannten – Zeitpunkt Ende 2015 / Anfang 2016 hätte die Liyu-Police versucht, den damals knapp 14-jährigen Kläger gegen seinen Willen zu rekrutieren. Als sich der Kläger geweigert habe, sei er unter dem Vorwurf, Mitglied der ONLF zu sein, für einen nicht näher genannten Zeitraum inhaftiert worden.
Erst als er sich schriftlich – bei Androhung von Haft und Tod im Falle eines Zuwiderhandelns – verpflichtet habe, als Soldat zu dienen, und auch seine Mutter hierfür sich schriftlich verbürgt habe, sei er freigelassen und ihm hierbei angekündigt worden, dass er in drei Tagen abgeholt werde.
Da er nicht als Soldat dienen habe wollen, habe er Äthiopien verlassen und fürchte daher, dass er im Falle einer Rückkehr, wie bei Unterschrift angedroht, inhaftiert oder gar mit dem Tode bestraft werde. Seine Mutter sei nach seiner Flucht seinetwegen drei Monate lang inhaftiert worden.
Das Bundesamt wiederum begründete seine Entscheidung, u.a. den auf Zuerkennung subsidiären Schutzes abzulehnen, in seinem Bescheid vom 3. Aug. 2017 im Wesentlichen wie folgt:
“Der Vortrag des Antragstellers sei hinsichtlich des geltend gemachten Vorfluchttatbestandes bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht glaubhaft. Das vom Antragsteller geschilderte Vorgehen der Liyu Police widerspreche der dem Bundesamt bekannten Situation in Äthiopien.“
Die Liyu Police betreibe keinerlei Zwangsrekrutierung, könne vielmehr auf genügend freiwillige Rekteruten zurückzugreifen. So sei die Arbeitslosigkeit im Bundesstaat Somali sehr hoch, zugleich eine Beschäftigung bei der Liyu Police sehr attraktiv, da der Lohn gut sei, „beschlagnahmte“ Wertsachen behalten werden dürften sowie die Familien von im Dienst umgekommenen Polizisten eine Kompensation erhielten. Außerdem sei die Liyu Police an loyalen und motivierten Mitgliedern interessiert.
Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, weshalb die Liyu Police gegenüber dem Antragsteller eine derart aggressive Rekrutierungspolitik betreiben sollte, wenn es doch genügend freiwillige Jugendliche gäbe, die sich dieser Institution anschließen wollen.
Davon abgesehen könne der Antragsteller auf Internen Schutz gemäß § 3e AsylG verwiesen werden. So werde staatliche Repression nicht im ganzen Land unterschiedslos praktiziert. Die Liyu Police habe weder das Interesse noch den Willen, den Antragsteller landesweit zu suchen.
Die Entscheidung, hinsichtlich des Antragstellers in Bezug auf Äthiopien das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu verneinen, wurde im Wesentlichen wie folgt begründet:
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse im Zielstaat nach § 60 Abs. 5 AufenthG, Art. 3 EMRK sei im Falle des Antragstellers vorliegend nicht gegeben.
Der Antragsteller sei jung und arbeitsfähig und ohne Unterhaltsverpflichtungen, könne mit Hilfe der Unterstützung seines Onkels in Kebri Dahar sowie seines Clans das Nötigste zum Überleben erlangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Fachanwaltes hat keinen Erfolg.
Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bei summarischer Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Prozesskostenhilfe ist bereits dann zu gewähren, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich. Denn die Prüfung der Erfolgsaussichten dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung in das Prozesskostenhilfeverfahren vor zu verlagern. Vielmehr genügt eine sich bei summarischer Prüfung ergebende Offenheit des Erfolgs. Sofern jedoch die Rechtsverfolgung bei summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg bietet, ist der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen.
Davon abgesehen, dass bereits die erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 ZPO) nicht vorgelegt worden ist, bietet eine Klage gemessen an diesen Grundsätzen vorliegend keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Die Klage hätte voraussichtlich jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes vom 16. Oktober 2017 ist – in dem zur Entscheidung des Gerichts gestellten Umfang (Zuerkennung subsidiärer Schutz, Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 / Abs. 7 Satz 1 AufenthG) – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO).
Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG – sogleich unter Ziffer 1.
Auch die Feststellung, dass bezüglich des Antragstellers keine zielstaatsbezogenen nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG vorliegen, erweist sich als rechtmäßig – sogleich unter Ziffer 2., ebenso die verfügte Abschiebungsandrohung sowie die vorgenommene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots – sogleich unter Ziffer 3.
1. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.
In diesem Zusammenhang kann insoweit dahinstehen, ob der Antragsteller somalischer Staatsangehöriger und folglich im Rahmen der Prüfung des § 4 AsylG als Herkunftsland Somalia zu Grunde zu legen ist – sogleich unter Ziffer a., oder ob es sich bei dem Antragsteller vielmehr um einen äthiopischen Staatsangehörigen handelt (bzw. um einen Staatenlosen mit bislang gewöhnlichen Aufenthalt in Äthiopien), mit der Folge, dass Äthiopien das maßgebliche Herkunftsland darstellt – sogleich unter Ziffer b. a.
Geht man von einer somalischen Staatsangehörigkeit und damit von Somalia als Herkunftsland aus, wurde von Antragstellerseite keinerlei Umstände vorgebracht, aus denen sich ergibt, dass dem Antragsteller in Somalia ein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 AsylG droht.
Die geltend gemachten Vorfluchttatbestände beziehen sich ausschließlich auf Äthiopien und die dortigen Sicherheitsbehörden
b.Und auch hinsichtlich Äthiopien liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) nicht vor.
Der Einzelrichter folgt insoweit den Gründen des angefochtenen Bescheids und nimmt auf diesen Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
2. Des Weiteren bestehen nach summarischer Prüfung zu Gunsten des Antragstellers keine zielstaatsbezogenen nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG.
Da das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid allein eine Abschiebung nach Äthiopien angedroht hat, kommt es für die Feststellung von Abschiebungsverboten ausschließlich auf die Situation in Bezug auf Äthiopien an. Einer Abschiebung des – mittlerweile sogar volljährigen – Antragstellers nach Äthiopien stehen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht entgegen.
Der Einzelrichter folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bescheids und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab, § 77 Abs. 2 AsylG.
Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass sich auch vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie, der Heuschreckenplage sowie dem Tigray-Konflikt und den hieraus resultierenden allgemeinen wirtschaftlichen wie – im Falle der COVID-19-Pandemie – gesundheitlichen Auswirkungen, welche bei Erlass des angefochtenen Bescheides nicht vorlagen, weder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK noch nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG voraussichtlich in Betracht kommt. Insbesondere zählt der Antragsteller nicht zu einer der durch eine COVID-19-Erkrankung besonders gefährdeten Risikogruppen.
3. Auch die verfügte Abschiebungsandrohung sowie die vorgenommene Befristung des Einreiseund Aufenthaltsverbotes begegnen nach summarischer Prüfung keinerlei rechtlichen Bedenken.
Der Antrag war daher mangels hinreichender Erfolgsaussicht abzulehnen. Damit besteht auch keine Grundlage für eine Beiordnung eines Rechtsanwalts gem. § 166 VwGO i.V.m. § 121 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben