Verwaltungsrecht

Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen eine Ausweisungsverfügung

Aktenzeichen  M 25 K 20.2822

Datum:
22.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22490
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 11 Abs. 2, Abs. 3, § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 2 Nr. 9, § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Hinreichende Erfolgsaussicht einer Klage besteht jedenfalls dann, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder wenn der von dem Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint, der Prozessausgang also offen ist. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung, verbunden mit einem dreijährigen Einreise- und Aufenthaltsverbot.
Der Kläger, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 9. November 2015 ins Bundesgebiet ein und stellte hier am 5. August 2016 einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 26. April 2017 abgelehnt wurde. Über die hiergegen erhobene Klage ist bislang nicht entschieden (M 2 K 17.39516).
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom *. Dezember 2018 wurde der Kläger wegen vorsätzlicher Körperverletzung in 2 tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 EUR verurteilt. Der Kläger hatte versucht, sich trotz Hausverbots Zutritt zu einer Diskothek zu verschaffen und dabei 2 Personen mit Faustschlägen gegen den Kopf verletzt.
Mit Bescheid vom 2. Juni 2020 wies der Beklagte den Kläger unter der Bedingung, dass sein Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Abs. 1 Nr. 2. AsylG) abgeschlossen wird, aus (Ziffer 1). Die Wirkung der Ausweisung wurde auf die Dauer von 3 Jahren ab der Ausreise/Abschiebung befristet (Ziffer 2).
Zur Begründung des auf § 53 Abs. 1 AufenthG gestützten Bescheids führte der Beklagte aus, der Kläger habe einen nicht geringfügigen Rechtsverstoß begangen und werde aus generalpräventiven Erwägungen ausgewiesen. Ein Bleibeinteresse des Klägers sei nicht gegeben. Die getroffene Entscheidung sei verhältnismäßig. Der Kläger verfüge über keinerlei Beziehungen im Bundesgebiet. Die Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot sei angemessen.
Mit Schriftsatz vom … Juni 2020 erhob der Kläger Klage mit dem Antrag,
den Bescheid des Beklagten vom 2. Juni 2020 aufzuheben.
Zur Begründung führte der Kläger an, er bereue die begangene Straftat. Er habe sich seit seiner Einreise nach Deutschland um eine Integration bemüht. Er nehme Bezug auf die Verfolgungsgründe, die seinem Asylverfahren zugrunde liegen würden. Er sei psychisch krank und habe die Diagnose paranoide Schizophrenie erhalten.
Gleichzeitig beantragte er unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 17. Juli 2020 unter Bezugnahme auf die Begründung des Bescheids,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bleibt ohne Erfolg.
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Hinreichend sind die Erfolgsaussichten einer Klage jedenfalls dann, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BVerfG, B. v. 28.01.2013 – 1 BvR 274/12 – juris) oder wenn der von dem Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint (Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 166 Rn. 26), der Prozessausgang also offen ist. Dabei sollen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes nicht überspannt werden, um zu vermeiden, dass der unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten der grundrechtlich garantierte Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz unverhältnismäßig erschwert wird (vgl. BVerfG a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen hat die Klage des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da die Ausweisung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot aller Voraussicht nach rechtmäßig sind. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist daher abzulehnen.
Die Ausweisungsentscheidung ist nach derzeitigem Verfahrensstand rechtmäßig, da der Aufenthalt der Klägerin die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (§ 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG).
Der Beklagte hat die Anforderungen des § 54 Abs. 4 AufenthG berücksichtigt. Unabhängig von der Frage, ob von dem Kläger die Gefahr der Wiederholung weiterer Straftaten ausgeht, ist die Ausweisung wegen der begangenen Körperverletzungsdelikte aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Das Ausweisungsinteresse besteht noch.
Die Ausweisung ist unter Berücksichtigung der gegenläufigen öffentlichen und privaten Belange nicht unverhältnismäßig, § 53 Abs. 1 AufenthG.
Dem schweren Ausweisungsinteresse nach § 53 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG steht auf Seite des Klägers kein Bleibeinteresse nach § 54 AufenthG gegenüber.
Auch unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten persönlichen Belange des Klägers wahrt die Entscheidung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Kläger hält sich zwar seit 5 Jahren im Bundesgebiet auf, hat jedoch keinerlei persönliche Bindungen aufgebaut. In Afghanistan hat er den Großteil seiner Jugend verbracht und seine Eltern leben dort.
Der Verweis des Klägers auf sein Vorbringen im Asylverfahren ist diesbezüglich unbeachtlich, den darüber ist ausschließlich im anhängigen Asylklageverfahren zu entscheiden. Dies gilt auch hinsichtlich des geltend gemachten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der vorgebrachten psychischen Erkrankung.
Keine Bedenken begegnet das in Ziffer 2 festgesetzte Einreise- und Aufenthaltsverbot von 3 Jahren gemäß § 11 Abs. 2, 3 AufenthG. Ermessensfehler sind nicht erkennbar.
Die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ergeht kostenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.


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