Verwaltungsrecht

Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Beurteilung – Rüge der Voreingenommenheit des Erstbeurteilers

Aktenzeichen  6 ZB 16.656

Datum:
10.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 50134
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2  Nr. 1, Nr. 5, § 124a Abs. 4, 5, § 155 Abs. 4, § 158 Abs. 1
BBG § 21 S. 1

 

Leitsatz

1. Im Streitfall muss der Dienstherr bei allgemeinen und formelhaften Werturteilen, die für den Bamten und für außenstehende Dritte aus sich heraus nicht einsichtig und nachvollziehbar sind, darlegen können, in welcher plausiblen und nachvollziehbaren Weise er sein Werturteil gebildet hat; diese Plausibilisierung kann grundsätzlich auch noch im Verwaltungsstreitverfahren nachgeholt werden (ebenso: BVerwG BeckRS 2016, 40404). (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Voreingenommenheit des Vorgesetzten kann weder aus einer kritischen Einschätzung der Arbeitsweise noch aus dem Bestehen dienstlich veranlasster Spannungen angenommen werden; dies gilt auch für einzelne unangemessene, saloppe und ungeschickte oder missglückte Formulierungen in der streitigen Beurteilung (ebenso: BVerwG BeckRS 1998, 30012456) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das abschließende Urteil darf sich nicht auf die Bildung des arithmetischen Mittels aus den einzelnen Leistungsmerkmalen beschränken, vielmehr ist es Sache des Dienstherrn im Rahmen seines Beurteilungsspielraums festzulegen, welches Gewicht er den einzelnen Leistungsmerkmalen zumessen will (ebenso: BVerwG BeckRS 2016, 40404). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 11 K 13.1356 2015-12-02 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. Dezember 2015 – AN 11 K 13.1356 – wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO – ausdrücklich oder sinngemäß – geltend gemachten Zulassungsgründe‚ auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist‚ liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Soweit der Zulassungsantrag – ohne substantiierte Erörterung und Auseinandersetzung mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil – lediglich Bezug nimmt auf erstinstanzliches Vorbringen, genügt er bereits nicht dem Darlegungsgebot (BayVGH, B. v. 25.5.2016 – 6 ZB 16.94 – juris Rn. 1; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 59).
1. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser im Zulassungsantrag allein genannte Zulassungsgrund wäre begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B. v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B. v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Der Kläger ist seit Juni 2015 Technischer Oberregierungsrat (Besoldungsgruppe A 14) im höheren technischen Dienst der Beklagten (vertreten durch das Eisenbahn-Bundesamt). Er wendet sich gegen seine Regelbeurteilung vom 30. Juni 2011 für den Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2010, die mit dem Gesamturteil der (zweitschlechtesten) Stufe „B“ schließt. Die Bewertung der Beurteilungsmerkmale der Regelbeurteilung ist in fünf Stufen gestaffelt: von der besten Stufe Y zur zweitbesten Stufe X hin zur drittbesten Stufe A, die noch einmal in die drei Differenzierungsstufen A 3 (beste), A 2 bis zur (schlechtesten) Stufe A 1 aufgegliedert ist, über die zweitschlechteste Stufe B bis hin zur schlechtesten Stufe C. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2013 zurück. Die Klage auf Verurteilung des Dienstherrn zur Neubeurteilung des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 2. Dezember 2015 für unbegründet erachtet und abgewiesen. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass kein Verstoß gegen die für die Beurteilung maßgeblichen Verfahrensvorschriften vorliege, der Erstbeurteiler nicht voreingenommen gewesen sei und die Beurteilung nicht wegen einer Nichtbeachtung allgemeiner Wertmaßstäbe oder der Heranziehung sachfremder Erwägungen rechtswidrig sei. Auch die Bildung des Gesamturteils sei nicht zu beanstanden.
Den überzeugenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts hält der Kläger nichts Stichhaltiges entgegen, das weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedürfte.
Nach § 21 Satz 1 BBG sind Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Beamten regelmäßig zu beurteilen. Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob und in welchem Grad ein Beamter die für sein Amt und für seine Laufbahn erforderliche Befähigung und fachliche Leistung aufweist, ist ein von der Rechtsordnung dem Dienstherrn vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis. Nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde jeweilige Vorgesetzte sollen ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den – ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden – zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung hat sich deshalb darauf zu beschränken, ob der Dienstherr gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich bewegen kann, verkannt, ob er einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Hat der Dienstherr – wie hier – Richtlinien über die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, sind die Beurteiler aufgrund des Gleichheitssatzes hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe an diese Richtlinien gebunden. Das Gericht hat deshalb auch zu kontrollieren, ob die Richtlinien eingehalten sind, ob sie im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung verbleiben und ob sie auch sonst mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (ständige Rechtsprechung, z. B. BVerwG, U. v. 28.1.2016 – 2 A 1.14 – juris Rn. 14; U. v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – juris Rn. 9; U. v. 11.12.2008 – 2 A 7.08 – ZBR 2009, 196/197; BayVGH, B. v. 3.6.2015 – 6 ZB 14.312 – juris Rn. 5; B. v. 5.3.2012 – 6 ZB 11.2419 – juris Rn. 4).
Für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung des Sachverhalts, der tatsächlichen Grundlagen der Beurteilung, kommt es entscheidend darauf an, auf welche Weise die Beurteilung zustande gekommen, inhaltlich gestaltet und abgefasst ist. Ein nicht auf bestimmte Tatsachen, sondern auf eine Vielzahl von Einzelbeobachtungen und Eindrücken gegründetes (reines) Werturteil ist keines Tatsachenbeweises zugänglich. Es kann auch nicht der Nachweis einzelner und beispielhafter Vorgänge gefordert werden, weil diese dadurch eine Bedeutung gewännen, die ihnen nach der wertenden Erkenntnis des Dienstherrn gar nicht zukommen sollte und damit zugleich in die Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn eingreifen würde. Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen. Daraus folgt zugleich, dass durch die Nachweise bestimmter einzelner Ereignisse und ihres Fehlens nicht die Unrichtigkeit der Beurteilung bewiesen werden kann. Der Dienstherr ist jedoch im Streitfall gehalten, allgemeine und formelhafte Werturteile, die aus sich heraus nicht verständlich und für den Beamten und für außenstehende Dritte nicht einsichtig und nachvollziehbar sind, näher zu erläutern und plausibel zu machen, d. h. er muss darlegen, in welcher plausiblen und nachvollziehbaren Weise er sein Werturteil gebildet hat. Es bestehen grundsätzlich keine Bedenken, dass der Dienstherr diese Plausibilisierung noch im Verwaltungsstreitverfahren nachholt (vgl. BVerwG, U. v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – juris Rn. 21; BayVGH, B. v. 3.6.2015 – 6 ZB 14.312 – juris Rn. 6; B. v. 27.3.2013 – 3 ZB 11.1269 – juris, Rn. 5; OVG NW, B. v. 10.7.2013 – 1 B 44/13 – juris Rn. 12).
Gemessen an diesen Maßstäben ist nichts dafür ersichtlich, dass die streitige Beurteilung entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts an einem beachtlichen Rechtsmangel leiden und der Dienstherr daher zu einer Neubeurteilung des Klägers verpflichtet sein könnte. Der Zulassungsantrag hält dem erstinstanzlichen Urteil zwar eine Vielzahl von Einwänden und eigenen Wertungen entgegen, zeigt aber keine Gesichtspunkte auf, die Zweifel am Ergebnis begründen und weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen.
a) Ohne Erfolg bleibt die Rüge, der Erstbeurteiler sei voreingenommen gewesen und habe sich von sachfremden Motiven leiten lassen.
Eine dienstliche Beurteilung ist aufzuheben, wenn der Dienstherr gegen seine selbstverständliche Pflicht verstoßen hat, den Beamten gerecht, unvoreingenommen und möglichst objektiv zu beurteilen. Die Besorgnis der Befangenheit genügt insoweit allerdings nicht, vielmehr ist die tatsächliche Voreingenommenheit eines Beurteilers aus der Sicht eines objektiven Dritten festzustellen. Eine solche tatsächliche Voreingenommenheit liegt vor, wenn der Beurteiler nicht willens oder nicht in der Lage ist, den Beamten sachlich und gerecht zu beurteilen. Dienstliche Beurteilungen werden nach ihrem Sinn und Zweck – anders als Entscheidungen im Verwaltungsverfahren oder im Verwaltungsprozess – grundsätzlich durch Vorgesetzte und/oder Dienstvorgesetzte des Beamten erstellt, mithin in aller Regel aufgrund unmittelbarer dienstlicher Zusammenarbeit. Ständige dienstliche Zusammenarbeit und die Führungsaufgaben eines Vorgesetzten bringen naturgemäß auch die Möglichkeit von Konflikten mit sich. Entsprechend können grundsätzlich weder eine kritische Einschätzung der Arbeitsweise und des sonstigen dienstlichen Verhaltens des beurteilten Beamten durch den beurteilenden Vorgesetzten noch das Bestehen dienstlich veranlasster Spannungen bereits Anlass geben, eine Voreingenommenheit des Vorgesetzten anzunehmen. Dadurch und auch durch gelegentlich erregte oder sonst emotional gefärbte Reaktionen wird grundsätzlich noch nicht die Erwartung in Frage gestellt, der Vorgesetzte wolle und könne seine Pflichten einschließlich derjenigen zur sachlichen und gerechten dienstlichen Beurteilung erfüllen. Dies gilt auch für einzelne unangemessene, saloppe, ungeschickte oder missglückte Formulierungen in der streitigen Beurteilung (BVerwG, U. v. 23.4.1998 – 2 C 16.97 – BVerwGE 318/321 f.). Gemessen an diesem Maßstab sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, der Erstbeurteiler R. könne voreingenommen oder von sachfremden Motiven geleitet gewesen sein.
Dass der Kläger im Jahr „2012“ von 32 Kollegen der einzige mit der Bewertung „B“ war, besagt nichts über eine Voreingenommenheit des Beurteilers. Zum einen stellt eine Beurteilung auf die konkrete Einzelleistung des jeweiligen Beurteilten ab; dass andere Kollegen aufgrund deren Einzelleistung besser beurteilt wurden, lässt nicht auf eine Voreingenommenheit des Beurteilers schließen. Zum anderen war maßgeblicher Beurteilungszeitraum der 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2010 und nicht das Jahr 2012.
Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit ergeben sich nicht aus der vom Kläger als „schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung“ empfundenen Bemerkung des Erstbeurteilers in seiner Erwiderung vom 29. November 2011 auf die Gegendarstellung des Klägers gegen seine dienstliche Beurteilung. Dort führt der Erstbeurteiler aus, dass er im Beurteilungszeitraum zahlreiche Gespräche mit dem Kläger geführt habe, in denen die Kritikpunkte bezüglich der Aufgabenwahrnehmung des Klägers und der persönlichen Zusammenarbeit angesprochen worden seien. Keines der Gespräche habe zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung geführt oder Aufschluss darüber gegeben, weshalb der Kläger Absprachen nicht eingehalten, Termine ignoriert oder Aufgaben gar nicht erledigt habe. Er halte es durchaus für „möglich, dass physische oder psychische Probleme oder eine Lebenskrise mit ursächlich“ für sein Verhalten seien, habe aber weder von ihm selbst noch von Dritten Hinweise darauf erhalten. Zur Befähigungsabschätzung könne er daher nur die objektiv erkennbaren Kriterien heranziehen. Daraus ergeben sich keinerlei Hinweise auf eine Voreingenommenheit des Erstbeurteilers, schon gar nicht auf die Einstellung, der Kläger sei psychisch krank und deshalb schlechter zu beurteilen gewesen. Er hat mit seiner – allenfalls ungeschickten – Spekulation lediglich zum Ausdruck gebracht, dass er für die als „objektiv“ schlecht zu wertenden Leistungen des Klägers keine für die Beurteilung beachtliche Erklärung habe. Seine weitere Einlassung, dass er in der Kommunikation nicht immer den richtigen Ton getroffen habe, aber diesem gegenüber auch einmal deutlich habe werden müssen, begründet ebenfalls keine Voreingenommenheit. Kritische Anmerkungen zur Arbeitsweise reichen hierfür nicht aus.
Ohne Erfolg bleibt auch der Vorwurf des Klägers, dass seine schlechte Beurteilung nur vor dem Hintergrund erfolgt sei, dass der Erstbeurteiler habe sicherstellen wollen, Herrn V. als ersten Stellvertreter behalten zu können. Es erschließt sich dem Senat nicht, inwiefern der Wunsch des Beurteilers, einen Dritten als ersten Stellvertreter zu behalten, Auswirkungen auf die dienstliche Beurteilung des Klägers haben soll. Eine dienstliche Beurteilung bewertet individuell Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des konkreten Beamten, nicht die eines Dritten. Ob Herr V. bereits im Jahr 2011 oder, wie der Kläger vorträgt, erst 2012 Mitglied des Personalrats geworden ist, ist für die dienstliche Beurteilung des Klägers nicht maßgeblich.
Für den vom Kläger im Zulassungsantrag erhobenen Vorwurf des Mobbing durch seinen Erstbeurteiler, der gleichzeitig seine direkte Führungskraft ist, gibt es keinerlei greifbaren Anhaltspunkt. Der Einwand des Klägers, er habe sich nicht an einen Mobbingbeauftragten wenden können, weil ein solcher bis zum heutigen Tag überhaupt noch nicht ernannt worden sei, ist nicht nachvollziehbar. Nach § 5 der Dienstvereinbarung zum Umgang mit Mobbing und Belästigungen beim Eisenbahn-Bundesamt vom 17. April 2008 können sich Beschäftigte im Fall eines Mobbingvorwurfs an die nächsthöhere Führungskraft wenden, die nicht am Mobbing beteiligt ist, falls an Mobbinghandlungen die direkte Führungskraft beteiligt ist. Der Kläger hätte sich demnach an seine nächsthöhere Führungskraft, Herrn S., wenden können. Da die Dienstvereinbarung als Anlage 8 der Klagebegründung vom Klägerbevollmächtigten vorgelegt worden ist, ist davon auszugehen, dass dies dem Kläger bekannt war.
b) Die Rüge, dass eine Zusammenschau der einzelnen Leistungsmerkmale eine bessere Bewertung als die Gesamtbeurteilung mit der Leistungsstufe „B“ hätte zur Folge haben müssen und eine hinreichende verbale Begründung der Gesamtbewertung fehle, kann nicht überzeugen.
aa) Im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens ist es Sache des Dienstherrn festzulegen, welches Gewicht er den einzelnen Merkmalen zumessen will (vgl. BVerfG, B. vom 5.9.2007 – 2 BvR 1855/07 – BVerfGK 12, 106/108; B. v. 17.1.2014 – 1 BvR 3544/13 – juris Rn. 15). Das abschließende Gesamturteil darf sich nicht auf die Bildung des arithmetischen Mittels aus den einzelnen Leistungsmerkmalen beschränken. Vielmehr kommt im Gesamturteil die unterschiedliche Bedeutung der Einzelbewertungen durch ihre entsprechende Gewichtung zum Ausdruck (BVerwG, U. v. 21.3.2007 – 2 C 2.06 – Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 27 Rn. 14 m. w. N.). Es ist dementsprechend durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen Gesichtspunkte zu bilden (BVerwG, U. v. 28.1.2016 – 2 A 1.14 – juris Rn. 39; U. v. 4.11.2010 – 2 C 16.09 – BVerwGE 138, 102 Rn. 46; B. v. 25.10.2011 – 2 VR 4.11 – Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 50 Rn. 15). Diese Gewichtung bedarf schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann (BVerwG, U. v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – Rn. 32). Entsprechend ihrer Funktion, die Herleitung des Gesamturteils aus den gewichteten Einzelmerkmalen zu begründen, sind die Anforderungen an die Begründung für das Gesamturteil umso geringer, je einheitlicher das Leistungsbild bei den Einzelbewertungen ist. Gänzlich entbehrlich ist eine Begründung für das Gesamturteil nur dann, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vom Dienstherrn vergebene Note – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufdrängt (BVerwG, U. v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – Rn. 37).
Die dienstliche Beurteilung selbst muss in einer die gerichtliche Nachprüfung ermöglichenden Weise klar abgefasst werden. Sodann gibt die Eröffnung und Besprechung der dienstlichen Beurteilung Gelegenheit, dem Beamten die Ergebnisse der dienstlichen Beurteilung sowie einzelne Werturteile und ihre Grundlagen näher zu erläutern. Der Dienstherr kann auch im Widerspruchsverfahren allgemeine und pauschal formulierte Werturteile erläutern, konkretisieren und dadurch plausibel machen. Entscheidend ist, dass das Werturteil keine formelhafte Behauptung bleibt, sondern dass es für den Beamten einsichtig und für außenstehende Dritte nachvollziehbar wird, dass der Beamte die tragenden Gründe und Argumente des Dienstherrn erfährt und für ihn der Weg, der zu dem Werturteil geführt hat, sichtbar wird (BVerwG, U. v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – Rn. 20). Hat der Dienstherr auch in dem Verwaltungsverfahren allgemein gehaltene Werturteile nicht oder nicht ausreichend erläutert, so bestehen grundsätzlich keine Bedenken, dass er diese Plausibilisierung noch im Verwaltungsstreitverfahren nachholt (BVerwG, U. v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – Rn. 21).
bb) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs entspricht die angegriffene Regelbeurteilung des Klägers jedenfalls in der Gestalt, wie sie der Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2013 durch seine eingehende, nachvollziehbare Begründung vermittelt, den rechtlichen Anforderungen. Das Gesamturteil bedurfte einer gesonderten Begründung, weil die Einzelbewertungen kein einheitliches Leistungsbild vermitteln. Die insgesamt 12 Leistungsmerkmale hat der Beurteiler unterschiedlich bewertet. Er hat die Noten „A 3“ (einmal), „A 2“ (drei Mal), „A 1“ (vier Mal) und „B“ (vier Mal) vergeben. Die Bewertung mit der Stufe „B“ betrifft die Leistungsmerkmale „Zeitmanagement, Arbeitsquantität und Belastbarkeit“, „Planungs- und Organisationsverhalten“, „Selbstständigkeit und Initiative“ sowie das Merkmal „Führungsverhalten“. Der Beurteiler führt hierzu bei der Gesamtbewertung der Leistungsmerkmale aus, dass die mit „B“ bewerteten Leistungsmerkmale signifikant für die übertragenen Aufgabengebiete seien. Besser bewertete Einzelmerkmale könnten daher nicht zu einer anderen Gesamtbewertung als „B“ führen. Der Gesamtbewertung ist somit eine – knappe – Begründung der Bedeutung der einzelnen Leistungsmerkmale für die Gesamtnote zu entnehmen. Jedenfalls wurde die Begründung des Gesamturteils mit der Stufe „B“ durch den ausführlichen Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 27. Juni 2013 (S. 10) plausibel und nachvollziehbar ergänzt, was rechtlich zulässig ist (BVerwG, U. v. 17.9.2015 – 2 C 6.15 – juris Rn. 20; BayVGH, B. v. 10.5.2016 – 6 BV 14.1885 – juris Rn. 22).
Entgegen der Auffassung der Klägerseite schreibt die Richtlinie für die Beurteilung der Beamten in der gesamten Bundesverwaltung für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Beurteilungsrichtlinie BVBS) in Nr. VII nicht vor, dass das Führungsverhalten nur bei denjenigen zu beurteilen ist, denen die „originären“ Führungsaufgaben obliegen. Vielmehr ist das Merkmal Führungsverhalten bei allen Führungskräften und deren Vertretungen zu beurteilen. Aus den vorgelegten Organigrammen ergibt sich, dass der Kläger (bis Ende 2009) Referent für Ingenieurbau (Grundsatzangelegenheiten Bau- und Eisenbahnaufsicht) und im Jahr 2010 Referent für die Landeseisenbahnaufsicht (Grundsatz- und BL-Angelegenheiten, federführende Inbetriebnahme nach TEIV) war. Als solcher war er Teamleiter für den jeweiligen Fachbereich und hatte somit Führungsaufgaben inne. Auf die Frage, ob er als zweiter Stellvertreter des Erstbeurteilers diesen jemals zu vertreten hatte, kommt es angesichts dessen nicht mehr an.
Der Beurteiler überschreitet den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht, wenn er für die vom Kläger wahrgenommene Tätigkeit als Referent des höheren Dienstes die mit „B“ bewerteten Leistungsmerkmale als besonders wichtig ansieht und angesichts der in den Akten umfassend dokumentierten Mängel der Aufgabenerfüllung zu dem Gesamturteil „B“ gelangt. Im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums ist es Sache des Dienstherrn, festzulegen, welchen Merkmalen er welches Gewicht beimisst (BVerfG, B. v. 4.2.2016 – 2 BvR 2223/15 – BayVBl 2016, 521/522). Dass es keine Unterlagen oder Vorgaben zur Frage der Gewichtung der einzelnen Merkmale gibt, ändert daran nichts. Die Befähigungseinschätzung des Klägers, die etwa dessen Befähigung zur Mitarbeiterführung und -förderung als „kaum ausgeprägt“ bewertet, steht dem Gesamturteil ebenfalls nicht entgegen. Die vom Kläger angeführten Gerichtsentscheidungen (OVG SH, U. v. 19.3.2015 – 2 LB 19.14 – juris und VG Darmstadt, U. v. 16.3.2012 – 1 K 632/11.DA. juris) betrafen anders gelagerte Sachverhalte und geben für die gerichtliche Kontrolle der in Streit stehenden Beurteilung schon deshalb nichts her, weil die Beklagte im vorliegenden Fall im Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2013 eine ausführliche, in sich schlüssige und nachvollziehbare Plausibilisierung des Gesamturteils nachgeholt hat.
Aus der Beurteilungsrichtlinie BVBS ergibt sich nicht, dass Beamte „grundsätzlich von einer Bewertung in den A-Stufen, insbesondere A 2 und A 3 auszugehen haben“ und Abweichungen hiervon „besonderer Begründung und außergewöhnlicher Umstände“ bedürfen, wie der Kläger vorträgt. Entscheidend ist vielmehr die konkrete Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des jeweiligen Beamten im jeweiligen Beurteilungszeitraum. Daher sind die dem Kläger in vorausgegangenen Beurteilungszeiträumen erteilten Beurteilungen mit dem Gesamturteil „A 2“ nicht maßgeblich. Auch darf sich das abschließende Gesamturteil, wie oben ausgeführt, nicht auf die Bildung des arithmetischen Mittelwerts aus den einzelnen Leistungsmerkmalen beschränken, vielmehr kommt im Gesamturteil die unterschiedliche Bedeutung der Einzelbewertungen durch ihre entsprechende Gewichtung zum Ausdruck (BVerwG, U. v. 28.1.2016 – 2 A 1.14 – juris Rn. 39).
Die Rüge, dass die fehlende Dienstpostenbeschreibung auch ursächlich gewesen sei, dass der Kläger mit Aufgaben „überflutet“ gewesen sei, welche an sich von zwei Mitarbeitern zu bewältigen seien, kann nicht überzeugen. Insoweit wird auf die – unwidersprochen gebliebene – Stellungnahme der Beklagten vom 15. November 2013 verwiesen, wonach sich die Aufgaben für den Kläger eindeutig aus dem Bereisungs- und Zuständigkeitsplan in der Landeseisenbahnverwaltung E., dem Vertrag mit dem Land Nordrhein-Westfalen sowie einer detaillierten, ständig fortgeschriebenen Zielvereinbarung mit dem Kläger ergeben haben. Zu der vom Kläger als solcher empfundenen Überlastungssituation hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2013 ausführliche und ins Einzelne gehende Entgegnungen vorgetragen, die sich das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil zu Eigen gemacht hat (UA S. 26). Dem setzt der Kläger im Zulassungsantrag lediglich seine eigene Bewertung und Einschätzung entgegen, ohne sich damit substantiiert auseinander zu setzen.
Dass der Kläger im Juni 2015 zum Technischen Oberregierungsrat befördert worden ist, steht der strittigen dienstlichen Beurteilung vom 30. Juni 2011 ebenfalls nicht entgegen. Zum einen erfolgte die Beförderung deutlich nach dem hier maßgeblichen Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2010. Zum anderen hat die Beklagte hierzu in ihrer Stellungnahme vom 14. Juni 2016 (S. 4) – unwidersprochen – vorgetragen, dass die Beförderung des aktuell mit der Differenzierungsstufe A 1 beurteilten Klägers nicht aufgrund sehr guter Dienstleistungen erfolgt sei; vielmehr sei im Rahmen dieser Beförderung keine leistungsbezogene Auswahl getroffen worden, weil für alle auf der Reihungsliste aufgeführten Kandidaten ausreichend Planstellen zur Verfügung gestanden hätten.
c) Ohne Erfolg bleibt schließlich der Einwand, dass die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts wegen Außerachtlassung des § 155 Abs. 4 VwGO rechtswidrig sei. Zum einen liegen die Voraussetzungen des § 155 Abs. 4 VwGO nicht vor, weil es keinerlei Anhaltspunkte für ein etwaiges Verschulden der Beklagten gibt. Zum anderen ist nach § 158 Abs. 1 VwGO die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Ein gegen die Kostenentscheidung der Vorinstanz gerichteter Antrag auf Zulassung der Berufung (§ 124a VwGO) ist deshalb gemäß § 158 Abs. 1 VwGO unzulässig, wenn die gegen die Entscheidung in der Hauptsache geltend gemachten Zulassungsgründe – wie hier – nicht durchgreifen. Bei Rechtsmitteln, die der Zulassung bedürfen, ist dies erst nach der – hier nicht in Betracht kommenden – Zulassung möglich (BVerwG, B. v. 6.3.2002 – 4 BN 7.02 – juris Rn. 8; BayVGH, 25.5.2016 – 6 ZB 16.94 – Rn. 14; Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 158 Rn. 12; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 158 Rn. 4).
2. Soweit der Kläger mit dem Zulassungsantrag der Sache nach als Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) rügt, das Verwaltungsgericht hätte eine „Überraschungsentscheidung“ getroffen, kann das die Zulassung der Berufung ebenfalls nicht rechtfertigen.
Eine Entscheidung stellt sich als (unzulässiges) Überraschungsurteil dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 108 Rn. 24). Hierfür ist nichts ersichtlich. Nach der Niederschrift über die mündliche Verhandlung des Verwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2015 hat das Gericht lediglich im Vorgespräch „eruiert, ob die Beteiligten zu einer unstreitigen Übereinstimmung im Sinn einer Neubeurteilung des Klägers“ mit dem (um eine Stufe besseren) Gesamtresultat A 1 bereit wären. Die Beklagtenvertreterin sah sich jedoch hierzu angesichts der der Beurteilung zugrunde liegenden Leistungen des Klägers nicht in der Lage. Im Anschluss hat das Gericht streitig zur Sache verhandelt und den Erstbeurteiler R. als Zeugen einvernommen. Die Niederschrift enthält somit keinerlei greifbaren Anhaltspunkt, dass das Gericht von einer „Rechtswidrigkeit der Beurteilung des Klägers“ und der „Begründetheit der Klage“ ausgegangen wäre, wie der Kläger vorträgt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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