Verwaltungsrecht

Rechtmäßigkeitsanforderungen an öffentlich-rechtliches Hausverbot

Aktenzeichen  4 CS 20.2116

Datum:
28.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16260
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayGO Art. 21
BayVwVfG Art. 35, Art. 40

 

Leitsatz

1. Soweit ein Hausverbot das grundsätzliche Zugangsrecht zu einer öffentlichen Einrichtung oder Behörde betrifft, kann es nur durch Verwaltungsakt ausgesprochen werden, der im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde steht. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein öffentlich-rechtliches Hausverbot kann nur durch die Behörden-, Einrichtungs- oder Werkleitung oder durch von ihr ermächtigte öffentliche Bedienstete ausgesprochen werden. Trotz ausdrücklicher Bevollmächtigung können Privatpersonen – mit Ausnahme der Beliehenen – das Hausverbot nicht rechtmäßig erlassen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Geht das Hausverbot auf Kritik an der Einrichtung zurück, die in schriftlichen Beschwerden geäußert wurde, ist das Hausverbot nicht geeignet, Störungen des Dienstbetriebs abzuwehren. Zudem muss die Störung des Dienstbetriebs in zeitlichem Zusammenhang mit dem Hausverbot stehen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein erstmals ausgesprochenes öffentlich-rechtliches Hausverbot ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich zu befristen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 3 E 20.1048 2020-08-31 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO), hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat dem einstweiligen Rechtsschutzantrag des Antragstellers zu Recht stattgegeben. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts verwiesen (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Beschwerdevorbringen führt zu keinem anderen Ergebnis. In der Beschwerdebegründung werden in sehr knapper Form und nur pauschal die bisherigen Rechtsstandpunkte wiederholt. Die Beschwerdegründe sind daher bereits nicht ausreichend dargelegt (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Insbesondere fehlt es an der erforderlichen Auseinandersetzung mit der – sehr ausführlichen und auf alle Aspekte des vorliegenden Falles eingehenden – verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
Gegen die Rechtmäßigkeit des vom Antragsgegner „in die Welt gesetzten“ Hausverbots gegenüber dem Antragsteller bestehen in mehrfacher Hinsicht erhebliche Bedenken, von denen jedes für sich ausreicht, das Hausverbot vorläufig außer Vollzug zu setzen. Das gegenüber dem Antragsteller ausgesprochene Hausverbot kann im Hauptsacheverfahren keinen Bestand haben.
a) Bereits aus formellen Gründen ist das ausgesprochene Hausverbot rechtswidrig.
Im Gegensatz zum zivilrechtlichen Hausrecht, das seinem Inhaber ermöglicht, grundsätzlich frei darüber zu entscheiden, wem er den Zutritt zu der Örtlichkeit gestattet und wem er ihn verwehrt, sind an das öffentlich-rechtliche Hausverbot, hier bezüglich der vom Antragsgegner (Körperschaft des öffentlichen Rechts) als Eigenbetrieb geführten öffentlichen Einrichtung (Therme) wegen Art. 20 Abs. 3 GG strenge Anforderungen zu stellen. Soweit ein Hausverbot das grundsätzliche Zugangsrecht zu einer öffentlichen Einrichtung oder einer Behörde betrifft, kann es nur durch (öffentlich-rechtlichen) Verwaltungsakt ausgesprochen werden, der im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde steht.
Ein Hausverbot kann daher nur durch die Behörden-, Einrichtungs- oder Werkleitung (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 8.5.2019 – OVG 12 S 13.19 – juris Rn. 3) oder durch von ihr ermächtigte öffentliche Bedienstete ausgesprochen werden. Eine private Person, hier eine Rechtsanwältin (Bevollmächtigte des Antragsgegners), kann ein solches Hausverbot, auch wenn sie ausdrücklich durch die Behörde bevollmächtigt und beauftragt ist, nicht erlassen. Privaten Personen ist der Erlass eines Verwaltungsakts ohne Beleihung, die hier nicht vorliegt, nicht möglich. Die Einschaltung Privater bei der Vorbereitung und dem Erlass eines Verwaltungsakts ist zwar möglich (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 60), jedoch können Private keinen (rechtmäßigen) Verwaltungsakt erlassen.
Hier haben die Bevollmächtigten des Antragsgegners den Antragsteller mit Schriftsatz vom 7. August 2019 zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert und in diesem Zusammenhang dem Antragsteller „namens und in Vollmacht unserer Mandanten“ mit sofortiger Wirkung ein Haus- und Gebäudeverbot für sämtliche Gebäude sowie das Gelände der Therme erteilt. Ob es sich bei einem auf diese Weise ausgesprochenen Hausverbot um einen Scheinverwaltungsakt handelt, da er nicht von einer Behörde stammt, oder ob der Verwaltungsakt bei ausdrücklicher Beauftragung durch die Behörde dieser zuzurechnen und nur (formell) rechtswidrig ist (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, a.a.O.) kann offenbleiben. An der mangelnden Verwaltungsaktsqualität bzw. an der formellen Rechtswidrigkeit ändert auch die Tatsache nichts, dass der Antragsgegner nachträglich mit „Bescheid“ vom 16. Juli 2020 die sofortige Vollziehung des Hausverbots vom 7. August 2019 angeordnet hat. Allerdings hat der Antragsgegner durch dieses Vorgehen den Anschein des Erlasses eines Verwaltungsakts gesetzt, sodass das Verwaltungsgericht zutreffend von der Zulässigkeit des einstweiligen Rechtsschutzantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ausgegangen ist.
b) Auch in materieller Hinsicht erweist sich das Hausverbot gegenüber dem Antragsteller als rechtswidrig.
Grundsätzlich kann ein Hausverbot ausgesprochen werden, wenn der Dienstablauf durch das Verhalten eines Besuchers in nachhaltiger, nicht mehr hinnehmbarer Weise gestört wurde und deswegen auch zukünftig Störungen des Dienstbetriebs zu erwarten sind (vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2016 – 5 CS 16.488 – juris Rn. 12). Bei einem Hausverbot handelt es sich um eine präventive Maßnahme. Sie muss daher auf Tatsachen beruhen, aus denen sich ergibt, dass der Hausfrieden in der Vergangenheit gestört wurde, und die mit hinreichend konkreter Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass ohne das Verbot in Zukunft wieder mit Störungen zu rechnen und das Hausverbot daher erforderlich ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 8.5.2019 – OVG 12 S 13.19 – juris Rn. 3; OVG NW, U.v. 5.5.2017 – 15 A 3048/15 – juris Rn. 58). Auslöser des hier erteilten Hausverbots waren die E-Mails des Antragstellers vom 12. und 13. Juni 2019 an die persönliche Referentin des Bezirkstagspräsidenten, in denen er sich in unangemessener Form gegen die Werkleitung und Bedienstete der Einrichtung wandte und im Übrigen – wie schon früher vor Ort – erhebliche Kritik an der Einrichtung übte. Es kann offenbleiben, ob es sich bei schriftlichen Beschwerden an übergeordnete Dienststellen begrifflich überhaupt um Störungen des Dienstbetriebs handeln kann; jedenfalls ist ein Hausverbot in solchen Fällen schon nicht geeignet, diese Störungen abzuwehren. Soweit Äußerungen nicht den Schutz des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG genießen, kann gegen unwahre Tatsachenbehauptungen mit einer Unterlassungs- und Widerrufsklage und gegen Beleidigungen mit einer Strafanzeige vorgegangen werden, sodass es eines Hausverbots insoweit auch nicht bedarf. Die Vorfälle in der Einrichtung des Antragsgegners, die dieser als Störung des Dienstbetriebs durch den Antragsteller ansieht, lagen zum Zeitpunkt des Erlasses des Hausverbots auch schon erheblich zurück (2017 bzw. 2018), sodass diese im Jahr 2019 wohl nicht mehr Anlass für ein Hausverbot sein konnten.
Darüber hinaus leidet das ausgesprochene Hausverbot auch an weiteren Rechtsfehlern. Die von den Bevollmächtigten des Antragsgegners verlangte Abgabe einer Unterlassungserklärung durch den Antragsteller wurde zwar begründet, jedoch ist dem Schriftsatz eine Ermessensausübung (vgl. § 40 BayVwVfG) hinsichtlich des Hausverbots, insbesondere eine Abwägung zwischen der Notwendigkeit der Erteilung eines Hausverbots unter Berücksichtigung der hier vorliegenden besonderen Interessen des Antragstellers an der Nutzung der Therme, die dem Antragsgegner bekannt waren (Schwerbehinderung), nicht zu entnehmen.
Rechtsfehlerhaft ist auch, dass das Hausverbot nicht befristet wurde. Ein erstmals ausgesprochenes Hausverbot ist, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) grundsätzlich zu befristen. Hier ist das Verwaltungsgericht auch zutreffend davon ausgegangen, dass das Hausverbot, an das sich der Antragsteller gehalten hat, jedenfalls unverhältnismäßig (geworden) war, weil es zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bereits über ein Jahr galt.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben