Verwaltungsrecht

Rechtsschutzbedürfnis;, Rechtsnatur des prüfungsrechtlichen Überdenkungsverfahrens;, keine Rechtsgrundlage für die Entscheidungsform des Verwaltungsakts bei Frage des Austausches eines Prüfers im Überdenkungsverfahren

Aktenzeichen  AN 2 S 20.01382

Datum:
11.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 47812
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 35
GG Art. 20 Abs. 3 (Vorbehalt des Gesetzes)

 

Leitsatz

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 15. Juli 2020 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. Juni 2020 wird wiederhergestellt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.500,00 EUR.

Gründe

II.
Der zulässige Antrag ist in vollem Umfang begründet. Denn der Antragsgegner war nicht befugt, die angegriffene Entscheidung in der Form des Verwaltungsakts zu treffen.
1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in Fällen, in denen die Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet hat, die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage ganz oder teilweise wiederherstellen.
a) Der Antrag ist zulässig. Insbesondere besteht für den statthaften Antrag ein Rechtsschutzinteresse. Dem Antrag steht auch nicht § 44a VwGO entgegen.
aa) Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft, da aufgrund des hier angeordneten Sofortvollzugs die Klage keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Zudem ist hier in der Hauptsache die Anfechtungsklage einschlägig.
bb) Für den Antrag besteht auch ein Rechtsschutzinteresse.
Grundsätzlich ist das Rechtsschutzbedürfnis im Rahmen von Anträgen nach § 80 Abs. 5 VwGO unproblematisch zu bejahen, da die Anordnung von Sofortvollzug für den Adressaten nachteilig ist. Dagegen fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, sofern ein gerichtliches Offenhalten der Hauptsache für die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht erforderlich ist. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, wobei das Rechtschutzinteresse im Zweifel zu bejahen ist (vgl. so zum Ganzen Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 132).
Danach kann der Antragsteller hier ein Rechtschutzinteresse geltend machen.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Antragsgegner hier – was die Parteien nicht in Frage gestellt haben – durch Verwaltungsakt gehandelt hat. So sind nicht nur die Tatbestandsmerkmale nach Art. 35 BayVwVfG erfüllt, auch kann das streitgegenständliche Schreiben des Antragsgegners vom 12. Juni 2020 vor dem objektiven Empfängerhorizont nur als Verwaltungsakt verstanden werden (vgl. von Alemann/Scheffczyk in Beckscher Online-Kommentar VwVfG, 49. Edition Stand 1.10.2020, § 35 Rn. 36). So enthält das Schreiben einen Tenor, die Anordnung von Sofortvollzug und ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:versehen.
Weiter ist die Anordnung von Sofortvollzug für ihn ersichtlich nachteilig bzw. der Umstand vorteilhaft, dass die seitens des Antragsgegners getroffene Entscheidung zum Prüferaustausch nach etwaiger Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zumindest vorerst keine Wirkung entfaltet. Denn damit wäre vorläufig der status quo vor Prüferauswechslung mit der Folge wiederhergestellt, dass der Antragsteller aufgrund der Besserbewertung des Prüfers … bei dem derzeitigem Stand des Nachprüfungsverfahrens die Voraussetzungen zur Zulassung zur mündlichen Prüfung erfüllt hätte. Dagegen wäre die Prüferauswechslung für ihn nachteilig, da er auf diese Weise zumindest Gefahr liefe, den beschriebenen status quo zu verlieren.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die streitgegenständliche Entscheidung, wäre sie nicht in Gestalt eines Verwaltungsakts ergangen, nicht justiziabel gewesen wäre, worauf noch einzugehen sein wird. Zwar besteht deswegen aus Sicht des Antragstellers die Gefahr, dass er sein Ziel der Verhinderung der Prüferauswechslung am Ende nicht erreichen könnte, sofern der Antragsgegner der Sache nach an seiner Entscheidung festhält und nach etwaiger Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids – nicht justiziabel – den Prüferausstausch erneut vornimmt und durchführt, ohne die Handlungsform des Verwaltungsakts zu wählen. Dennoch besitzt der Antragsteller ein legitimes Interesse daran, Sofortvollzug und Bestandskraft des ergangenen Bescheids, die sich allein aus der Handlungsform des Verwaltungsakts ergeben, abzuwenden. Denn eine verständige Partei in der Lage des Antragstellers darf davon ausgehen, dass ihre in einem gerichtlichen oder sonstigem Verfahren vorgebrachten Argumente zum einen gehört werden und zum anderen zumindest geeignet sein können, eine nachfolgende, ggf. auch nicht justiziable Entscheidung in ihrem Sinne jedenfalls zu beeinflussen. Würde dagegen der Standpunkt vertreten, der Antragsteller könne den ergangenen Bescheid mangels Rechtsschutzbedürfnis nicht zulässig angreifen, müsste sich die betroffene Behörde kaum bzw. weit weniger intensiv – auch nicht intern – mit den vorgebrachten Argumenten auseinandersetzen, sondern könnte regelmäßig auf die eingetretene Bestandskraft des ergangenen Bescheids verweisen.
Darüber hinaus besteht ein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers auch deswegen, weil der Antragsgegner – gänzlich legitim – ausgeführt hat, er beabsichtige – auch vor dem Hintergrund einer möglichen abweichenden Rechtsauffassung des Berufungsgerichts – nicht, den streitgegenständlichen Bescheid aufzuheben. Hiermit bringt der Antragsgegner auch zum Ausdruck, dass er potentiell von weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen ausgeht, bei denen der hier in Frage stehende Bescheid entscheidungserheblich sein könnte. Auch vor diesem Hintergrund besteht ein legitimes Interesse des Antragstellers, den Bescheid genauso gerichtlich überprüfen lassen zu können. Würde dem Antragsteller hingegen das Rechtsschutzinteresse abgesprochen wäre ihm dies im Wesentlichen abgeschnitten, obwohl der Antragsgegner letztlich zum Ausdruck gebracht hat, er halte den fraglichen Bescheid auch zukünftig für rechtserheblich.
Schließlich folgt aus der Überlegung ein Rechtsschutzbedürfnis, dass sich mit dem Standpunkt des Antragsgegners Adressaten behördlicher Entscheidung regelmäßig – mangels Rechtsschutzbedürfnis – in der Sache keinen Rechtsschutz erlangen könnten, sofern von Behördenseite zutreffend in der Sache, aber unzutreffend in der Handlungsform des Verwaltungsakts gehandelt wurde. Hiergegen spricht aber entscheidend, dass bereits die Wahl der Handlungsform des Verwaltungsakts als solche einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, worauf noch einzugehen sein wird. Im Übrigen bliebe es nach dem Standpunkt des Antragsgegners, zumindest was Rechtsschutzmöglichkeiten angeht, letztlich folgenlos, würde im Extremfall von Behördenseite schon eine Prüfung unterlassen, welche Handlungsform rechtlich geboten ist.
cc) Auch § 44a Satz 1 VwGO steht der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen. Die Vorschrift sieht vor, dass Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können. In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass die genannte Vorschrift schon tatbestandlich nicht greift, wenn die Sachentscheidung selbst allgemein nicht mit Rechtsbehelfen angegriffen werden kann (vgl. Posser in Beckscher Online-Kommentar VwGO, 55. Edition Stand 1.10, 2019, § 44a Rn. 24). So liegt der Fall hier, da die abschließende Entscheidung des Antragsgegners im Überdenkungsverfahren allgemein nicht mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann, worauf noch näher einzugehen sein wird.
b) Der Antrag ist auch begründet.
aa) Anerkannt ist, dass das Gericht im Rahmen seiner Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit des Sofortvollzugs auf Grundlage der sich im Zeitpunkt der Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber trifft, ob das sofortige Vollziehbarkeitsinteresse der Behörde oder aber das Aufschubinteresse des Antragstellers überwiegt. Da das Verwaltungshandeln nicht lediglich nachgeprüft wird, kommt es insoweit auf etwaige behördliche Ermessensfehler nicht an (vgl. zum Ganzen Gersdorf, Beckscher Online-Kommentar VwGO, 55. Edition Stand 1.10.2019, § 80 Rn. 183). Für die gerichtliche Ermessensentscheidung ist maßgeblich, ob der (sofort vollziehbare) Verwaltungsakt (offensichtlich) rechtmäßig ist bzw. ob und ggf. inwieweit sich Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit ergeben. So wird bei einem offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakt – besonderes Vollzugsinteresse unterstellt – keine Veranlassung bestehen, die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Dagegen wird im Fall eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung bestehen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 90).
bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat der Antrag hier in vollem Umfang Erfolg. Die angegriffene Entscheidung ist offensichtlich rechtswidrig, weil sie in der Handlungsform des Verwaltungsakts ergangen ist, obwohl hierfür keine Rechtsgrundlage besteht.
(1) In Prüfungsangelegenheiten sind die Kontrollmöglichkeiten der Verwaltungsgerichte eingeschränkt. Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist es nicht, ggf. zu strenge oder ungerechte bzw. so empfundene Beurteilungen zu korrigieren, indem das Gericht seine eigenen Bewertungsmaßstäbe an die Stelle der Beurteilungen der Prüfer setzt. Im Wesentlichen betreffen die verwaltungsgerichtlichen Kontrollmöglichkeiten die Einhaltung der Regelungen des einschlägigen Prüfungsverfahrens sowie der Grenzen des prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraums (vgl. so zum Ganzen Fischer in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 804). Als Ausgleich dieser lediglich eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle besitzt der Prüfling bei berufsbezogenen Prüfungen aus Art. 12 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Überdenken der Bewertung seiner Prüfungsleistungen im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens. Damit wird zugleich in Ergänzung des gerichtlichen Rechtsschutzes eine Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit erfüllt. Bringt der Prüfling substantiierte Einwendungen gegen die der Prüfungsbewertung zugrunde liegenden Wertungen vor, ist die Prüfungsbehörde verpflichtet, diese Einwendungen den beteiligten Prüfern zuzuleiten. Diese haben sodann innerhalb des ihnen zustehenden prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums ihre zuvor abgegebene Bewertung zu überdenken (vgl. so zu dem Ganzen BVerwG, U.v. 30.6.1994 – 6 C 4.93 – BeckRS 1994, 31223296).
Die konkrete Ausgestaltung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens obliegt dem Gesetzbzw. Verordnungsgeber, wobei das Verfahren nicht zwingend – etwa im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens – dem gerichtlichen Verfahren vorzuschalten ist. Bezogen auf die hier in Frage stehende Prüfung des Ersten Juristischen Staatsexamens wird der Anspruch auf Überdenken im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens durch ein eigenständig ausgestaltetes Verfahren nach § 14 JAPO (Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen vom 13.10.2003, GVBl. S. 758, BayRS 2038-3-3-11-J; vgl. so zum Ganzen BVerwG, B.v. 9.8.2012 – 6 B 19/12 – juris Rn. 3 ff.) erfüllt. Dagegen scheidet vorliegend das Überdenken in einem Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO bereits deswegen aus, weil das Landesjustizprüfungsamt bei dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz – also einer obersten Landesbehörde im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO – angesiedelt ist, sodass es für die Klageerhebung keines Widerspruchsverfahrens bedarf (vgl. BayVGH, U.v. 9.4.1997 – 7 B 95.1797 – BeckRS 1997, 19380). Die hieraus folgende Parallelität von verwaltungsinternem Kontrollverfahren und gerichtlichem Verfahren ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden (so BVerwG, B.v. 9.8.2012 – 6 B 19/12 – juris Rn. 6). Das Klageverfahren ist nach § 94 VwGO auf entsprechenden Antrag des Prüflings auszusetzen, solange die Prüfungsbewertung in dem Verfahren nach § 14 JAPO überdacht wird (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.1993 – 6 C 35/92 – NVwZ 1993, 681; BayVGH, B.v. 8.2.2012 – 7 BV 11.2480 – BeckRS 2012, 50744 Rn. 18).
Bei dem Überdenkungsverfahren handelt es sich um ein bloßes – wenn auch formalisiertes – Gegenvorstellungsrecht (BayVGH, U.v. 4.6.2002 – 7 B 01.499 – NVwZ-RR 2003, 257; B.v. 8.2.2012 – 7 BV 11.2480 – BeckRS 2012, 50744). Dies ergibt sich bereits aus § 14 Abs. 5 JAPO, der die Regelungen zum Nachprüfungsverfahren dahingehend abschließt, dass § 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO – also die Vorschriften zur Klagefrist im Verwaltungsprozess – unberührt bleibt. Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass das Nachprüfungsverfahren nicht den Eintritt der Bestandskraft des Prüfungsbescheids abwendet, sondern dass hierzu fristgemäß Klage erhoben werden muss (vgl. BayVGH, U.v. 4.6.2002 – 7 B 01.499 – NVwZ-RR 2003, 257). Materiellrechtlich stellt sich das Nachprüfungsverfahren als Antrag dar, die ergangene Prüfungsentscheidung nach Art. 48 bzw. 49 Abs. 1 BayVwVfG aufzuheben (BayVGH B.v. 8.2.2012 – 7 BV 11.2480 – BeckRS 2012, 50744), wobei ein entsprechender, das früherer Prüfungsergebnis abändernder Bescheid lediglich dann ergeht, sofern das Nachprüfungsverfahren tatsächlich eine geänderte (Gesamt-)Bewertung ergeben hat (vgl. BayVGH, U.v. 4.6.2002 – 7 B 01.499 – NVwZ-RR 2003, 257). Damit wird das gerichtliche Verfahren lediglich um ein Verfahren zum Überdenken der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren prüfungsspezifischen Wertungen ergänzt. Dagegen ersetzt es weder die verwaltungsgerichtliche Kontrolle noch eröffnet es den Rechtsweg neu. Vielmehr obliegt es der eigenverantwortlichen Entscheidung des Prüflings, ob er sich auf die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens beschränkt oder/und Klage erhebt (vgl. so zum Ganzen BayVGH B.v. 8.2.2012 – 7 BV 11.2480 – BeckRS 2012, 50744). Sofern das Überdenkungsverfahren durchgeführt ist, ist die entsprechende, zugunsten des Prüflings bestehende Verfahrensgewährleistung erfüllt. Dies gilt selbst dann, wenn den Prüfern im Rahmen des Überdenkens (neue) Korrekturfehler unterlaufen sein sollten. Es besteht grundsätzlich kein gerichtlicher Rechtsschutz in Bezug auf das Überdenkungsverfahren (vgl. zum Ganzen Fischer in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018 Rn. 799).
(2) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe erweist sich der streitgegenständliche Bescheid mangels Rechtsgrundlage für die Handlungsform des Verwaltungsakts als offensichtlich rechtswidrig.
(a) Aus dem Umstand, dass es sich bei dem Überdenkungsverfahren um ein – wenn auch formalisiertes – bloßes Gegenvorstellungsrecht handelt, ergibt sich im Ausgangspunkt, dass der Antragsgegner lediglich befugt ist, dieses Verfahren entsprechend formlos – etwa durch ein einfaches Mitteilungsschreiben – zu beenden, sollte es nicht zu einer Abänderung der früheren Prüfungsbewertung kommen. Eine Ermächtigungsgrundlage, über das Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens als solches durch Verwaltungsakt zu entscheiden, ist weder in § 14 JAPO normiert noch sonst ersichtlich. Vielmehr würde ein solches Verständnis auch gänzlich dem Wesen des Überdenkens als Gegenvorstellungsverfahren widersprechen. Denn bei einem Gegenvorstellungsverfahren handelt es sich bereits definitionsgemäß um ein grundsätzlich formloses Verfahren (vgl. Kirchberg in Quaas/Zuck/Funke-Kaiser, Prozesse in Verwaltungssachen, 3. Aufl. 2018, Rn. 343).
Wenn aber bereits im Rahmen der (formlosen) Abschlussentscheidung eines (erfolglosen) Gegenvorstellungsverfahrens keine Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts besteht, gilt dies erst Recht für Entscheidungen, die den Abschluss des Gegenvorstellungsverfahrens lediglich fördern und der Abschlussentscheidung zeitlich und inhaltlich vorgelagert sind. Denn bei solchen vorausgehenden Entscheidungen handelt es sich inhaltlich betrachtet lediglich um ein „Minus“ im Vergleich zur abschließenden (formlosen) Entscheidung.
Danach besteht für die hier in Frage stehende Entscheidung der Prüferauswechslung keine Befugnis, durch Verwaltungsakt zu handeln. Denn die vorgelagerte Auswechslungsentscheidung bereitet die abschließende Entscheidung im Überdenkungsverfahren lediglich inhaltlich vor.
(b) Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Prüfungsbehörde die ursprüngliche Prüfungsentscheidung nach Abschluss des Überdenkungsverfahrens nach Art. 48 BayVwVfG (sofern ein Rechtsfehler vorliegt) oder nach Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG (sofern der Beurteilungsspielraum betroffen ist) abändert, sofern sich zugunsten des Prüflings eine Änderung der ursprünglichen Prüfungsbewertung ergeben hat (vgl. BayVGH, U.v. 4.6.2002 – 7 B 01.499 – NVwZ-RR 2003, 257). Dennoch handelt es sich bei der Abschlussentscheidung in dem formalisierten Gegenvorstellungsverfahren nach § 14 JAPO um eine formlose Entscheidung ohne Verwaltungsaktscharakter. Dies ist für den Fall des erfolglosen Nachprüfungsverfahren unmittelbar ersichtlich, da der Prüfling in diesem Fall lediglich eine formlose Mitteilung sinngemäß dahingehend erhält, das Nachprüfungsverfahren habe zu keiner Verbesserung der Prüfungsbewertung geführt. So hat auch der Antragsgegner sinngemäß ausgeführt, dass Nachprüfungsverfahren ende ggf. mit der Bekanntgabe des Misserfolgs. Aber auch für den Fall, dass das Ergebnis des Nachprüfungsverfahren letztlich zu einer Abänderung der ursprünglichen Prüfungsbewertung (zugunsten des Prüflings) führt, ergibt sich nichts anderes. Denn auch in diesem Fall findet das Nachprüfungsverfahren zunächst formlos seinen Abschluss in der ggf. lediglich behördeninternen Feststellung, dass und wie sich der Prüfling verbessert hat. Lediglich als Folge dieses formlosen Ergebnisses wird sodann der ursprünglich ergangene Prüfungsbescheid nach Art. 48, 49 Abs. 1 BayVwVfG abgeändert.
(c) Eine Ermächtigungsgrundlage des Antragsgegners ergibt sich auch nicht aus einer Überlegung, wonach dieser ggf. lediglich einer inhaltlichen Ermächtigung bzw. einer Ermächtigung der Sache bedürfe, wobei er in der Wahl der Handlungsform frei sei. Denn nach überzeugender und herrschender Ansicht verlangt der Vorbehalt des Gesetzes eine Ermächtigungsgrundlage auch dahingehend, dass die Verwaltung befugt ist, sich gerade der Handlungsform des Verwaltungsakts zu bedienen (vgl. von Alemann/Scheffczyk in Beckscher Online-Kommentar VwVfG, 49. Edition Stand 1.10.2020, § 35 Rn. 95 m.w.N.). Dabei ergibt sich der Eingriff allein aufgrund der Handlungsform des Verwaltungsakts daraus, dass diese Handlungsform fehlerunabhängig Wirksamkeit beansprucht und mit potentieller Bestandskraft verbunden ist (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 25). Entgegen der Auffassung des Antragsgegners liegt damit bereits in der Wahl der Handlungsformen des Verwaltungsakts als solcher ein Eingriff, sofern hierfür keine Ermächtigungsgrundlage besteht (von Alemann/Scheffczyk a.a.O.; Stelkens a.a.O.). Hier besitzt der Antragsteller ein legitimes Interesse daran, ggf. auch im Rahmen des Fortgangs des Verfahrens den Antragsgegner von seinen Argumenten zu überzeugen. Im Fall der Bestandskraft eines rechtswidrigen Verwaltungsakts könnte der Antragsgegner indes im Wesentlichen auf diese verweisen und müsste sich kaum bzw. weniger intensiv mit etwaig neuen Argumenten des Antragstellers auseinandersetzen.
(d) Auch eine etwaige erstmalige oder gesonderte Beschwer des Antragstellers durch die angegriffene Entscheidung, wie sie der Antragsgegner im Termin zu mündlichen Verhandlung thematisiert hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch eine solche Beschwer würde nichts an dem Rechtscharakter des Überdenkungsverfahrens als bloßes Gegenvorstellungsverfahren ändern. Entsprechend bringt auch eine etwaige neue oder erstmalige Beschwer als solche keine Rechtsgrundlage hervor, um in einem formlosen Gegenvorstellungsverfahren durch Verwaltungsakt handeln zu können. Soweit der Antragsgegner im Termin zur mündlichen Verhandlung mit der Fallgestaltung eines erst im Nachprüfungsverfahren entdeckten Unterschleifs mit der Folge der Bewertung der Gesamtprüfung mit null Punkten argumentiert hat, führt auch diese nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn in einem solchen Fall könnte der Antragsgegner grundsätzlich – das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen unterstellt – aufgrund § 13 Abs. 6 Satz 1 JAPO handeln. Die genannte Vorschrift regelt sinngemäß, dass (bislang) ergangene Bewertungen zurückgenommen und stattdessen die Note „ungenügend“ (0 Punkte) festgesetzt werden kann, sofern sich nachträglich eine Täuschung bzw. ein Täuschungsversuch herausstellt. Hierin liegt eine Rechtsgrundlage, die – womöglich neben Art. 48 BayVwVfG – zu einem Tätigwerden in der Handlungsform des Verwaltungsakts ermächtigt. Für die hier in Frage stehende Entscheidung bzw. die Abschlussentscheidung im Überdenkungsverfahren ist aber Ähnliches nicht ersichtlich.
(e) Entgegen der Rechtsansicht des Antragstellers ist das Überdenkungsverfahren grundsätzlich auch nicht hinsichtlich etwaiger Verfahrensfehler justiziabel. Denn dies widerspräche bereits dem Charakter des Überdenkungsverfahren als (formalisiertem) Gegenvorstellungsverfahren. Auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 24.2.1993 – 6 C 35/92 – NVwZ 1993, 681) ergibt sich nichts anderes. Vielmehr stellt das Bundesverwaltungsgericht in dem bezeichneten Urteil die möglichen Vorgehensweisen eines Prüflings nach gerichtlichem Hinweis gegenüber: Zum einen sei das gerichtliche Verfahren auf Antrag des Klägers auszusetzen, sofern er sich – ggf. noch im gerichtlichen Verfahren – entscheide, eine Überdenkungsverfahren durchzuführen. Zum anderen könne der Prüfling – so das Bundesverwaltungsgericht – „mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Entscheidung […] allein eine Rechtskontrolle durch das VG“ anstreben, „etwa weil er auch Rechtsfehler, z. B. im Prüfungsverfahren oder im Hinblick auf eine falsche und damit rechtswidrige fachspezifische Bewertung, geltend macht und meint, daß seinem Rechtsschutzbegehren mit einer schnellen Aufhebung der Prüfungsentscheidung durch das VG am besten gedient sei“. Dem lässt sich nicht entnehmen, dass Verfahrensfehler im Überdenkungsverfahren justiziabel sein könnten. Denn das Bundesverwaltungsgericht beschreibt in der hier wörtlich wiedergegebenen Textpassage lediglich die Fallgestaltung, dass ein Prüfling auf ein Überdenkungsverfahren verzichtet und lediglich das gerichtliche Verfahren durchführt. In dieser Variante fehlt es aber gerade an einem Überdenkungsverfahren, so dass dem fraglichen Urteil insoweit nichts zu etwaigen Verfahrensfehlern in diesem Verfahren entnommen werden kann. Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts klargestellt, dass ausnahmsweise dann um gerichtlichen Rechtsschutz betreffend Überdenkungsverfahren nachgesucht werden kann, wenn sich die Prüfungsbehörde weigert, überhaupt ein solches Verfahren durchzuführen (vgl. BVerwG, B.v. 9.8.2012 – 6 B 19/12 – juris Rn. 10). Für den Fall der Missachtung grundlegender Anforderungen an die Gestaltung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens hat es die Frage offen gelassen (BVerwG a.a.O.). Wenn also mit der – aufgrund der Rechtsnatur des Überdenkungsverfahrens als bloßes Gegenvorstellungsverfahren – überzeugenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Überdenkungsverfahren lediglich ausnahmsweise einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein soll bzw. sein könnte, muss dieses im Grundsatz nicht justiziabel sein. Sonst ergäben die erörterten Ausnahmen keinen Sinn. Schließlich bewirkt der Umstand, dass das Überdenkungsverfahren grundsätzlich nicht justiziabel ist, auch nicht, dass der Antragsteller mit Blick auf die Prüfungsentscheidung rechtlich schutzlos wäre. Denn ein Prüfling besitzt stets die Möglichkeit – ggf. zusätzlich zu dem Überdenkungsverfahren -, den Prüfungsbescheid im Wege der Klage anzugreifen.
(f) Hier liegt auch keine Fallgestaltung vor, in der mit der – soeben dargestellten – Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, B.v. 9.8.2012 – 6 B 19/12 – juris Rn. 10) ausnahmsweise eine gerichtliche Kontrolle des Überdenkungsverfahrens geboten ist bzw. sein könnte, also im Fall der Weigerung der Prüfungsbehörde, überhaupt ein Überdenkungsverfahren durchzuführen, bzw. im Fall der Missachtung grundlegender Anforderungen an die Gestaltung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens. Hier weigert sich der Antragsgegner keineswegs, das Überdenkungsverfahren durchzuführen, sondern beabsichtigt vielmehr, dieses nach Prüferauswechslung und Überdenken durch den neuen Prüfer abzuschließen. Auch ist nicht ersichtlich, dass mit der Prüferauswechslung grundlegende Anforderungen des Überdenkungsverfahrens missachtet würden. Zunächst ist eine solche Prüferauswechslung im Überdenkungsverfahren nicht schlechterdings ausgeschlossen. Dies wird schon mit Blick auf Fallgestaltungen der rechtlichen oder tatsächlichen Unmöglichkeit ersichtlich, etwa wenn der Prüfer ggf. auch aus Sicht des Prüflings offensichtlich befangen ist oder gar verstorben ist. Auch sonst verstößt die Prüferauswechslung hier jedenfalls nicht gegen grundlegende Anforderungen des Überdenkungsverfahrens. Vielmehr erscheint die Entscheidung des Antragsgegners in der Sache nachvollziehbar und vertretbar. Zwar muss auch mit Blick auf die antragstellerseits hervorgehobene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur etwaigen Sanktionierung von Prüflingen in Fällen der Kontaktaufnahme zu Prüfern im Nachprüfungsverfahren (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.2012 – 6 C 19/11 – NVwZ 2012, 1188) ein vermittelnder Maßstab mit Blick auf Entscheidungen zur Prüferauswechslung im Nachprüfungsverfahren gefunden werden. Auf der einen Seite dürfen es mit der Argumentation des Antragstellers (gänzlich) Unbeteiligte nicht in der Hand haben, unaufgefordert durch gezielte Informationen über Prüfungskandidaten gegenüber der Prüfungsbehörde bzw. Prüfern das gesamte Prüfungsverfahren zu torpedieren, etwa weil ein Prüfer bereits aufgrund Kenntnisnahme dieser Informationen aus dem Prüfungsverfahren ausscheiden müsste. Dies würde letztlich die Durchführbarkeit von Prüfungsverfahren überhaupt gefährden. Auf der anderen Seite ist auch dem allgemeinen Rechtsgrundsatz Rechnung zu tragen, dass Verwaltungsverfahren objektiv, neutral und fair entschieden werden (Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 21 Rn. 1). Ebenso schützenswert erscheint das Vertrauen der Allgemeinheit in eine solche Arbeitsweise der Verwaltung. Vor diesem Hintergrund erscheint die Entscheidung des Antragsgegners zur Prüferauswechslung nachvollziehbar und vertretbar, so dass jedenfalls kein Fall eines Verstoßes gegen grundlegende Anforderungen des Überdenkungsverfahrens ersichtlich ist. Nicht entschieden werden muss hier die Frage, ob sich zum Ausgleich der widerstreitenden Positionen etwa die allgemeinen Grundsätze zum Recht der Besorgnis der Befangenheit insbesondere nach Art. 21 BayVwVfG eignen, die jedenfalls Ausdruck des genannten allgemeinen Rechtsgrundsatzes sind (Schmitz a.a.O.). Hierbei käme es nicht auf die – kaum feststellbare – Frage der tatsächlichen Befangenheit eines Prüfers aufgrund (ungefragt) erhaltener Informationen an, sondern auf die entsprechende Wahrnehmung etwa von verständigen und vernünftigen (Mit-)Prüflingen (vgl. allgemein zur maßgeblichen Perspektive Schmitz a.a.O. Rn. 10). Schließlich kann die Kammer auch nicht erkennen, dass der Antragsgegner – so wohl das Vorbringen des Antragstellers – die Absicht oder Intention verfolgen würde, den Antragsteller an seinem beruflichen Fortkommen zu hindern. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Ausgang des Nachprüfungsverfahrens auch nach Prüferauswechslung weiterhin offen ist.
Nach alledem hat der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz in der Sache Erfolg, weil der Antragsgegner mangels entsprechender Ermächtigung nicht die Handlungsform des Verwaltungsakts wählen durfte.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass das Unterliegen des Antragsgegners darauf zurückgeht, das er nicht durch Verwaltungsakt handeln durfte, dieselbe formlose Entscheidung in dem Überdenkungsverfahren aber jedenfalls nicht justiziabel gewesen wäre. Denn für die Kostenfolge aus § 154, Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt, sind die Gründe für den Misserfolg ohne Bedeutung (vgl. Hartung/Zimmermann-Kreher in Beckscher Online-Kommentar, 55. Edition Stand 1.10.2020, § 154 Rn. 2).
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs. Insoweit ist nicht nur der einstweilige Charakter des vorliegenden Verfahrens zu berücksichtigen, sondern auch, dass Streitgegenstand nicht das Bestehen bzw. Nichtbestehen des Ersten Juristischen Staatsexamens ist, was im Hauptsacheverfahren regelmäßig einen Streitwert in Höhe von 10.000,00 EUR rechtfertigen würde -, sondern lediglich eine vorgelagerte Entscheidung, die den Abschluss des Überdenkungsverfahrens erst vorbereitet.


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