Verwaltungsrecht

Rechtsweg bei Antrag auf Durchführung eines Forschungsvorhabens im Justizvollzug

Aktenzeichen  203 StObWs 34/20

Datum:
14.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2020, 534
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVollzG § 19, § 109, § 116
VwGO § 40
GVG § 17a Abs. 2
BayStVollzG Art. 208

 

Leitsatz

Wird der Antrag auf Durchführung eines Forschungsvorhabens – bei dem Bedienstete der Justizvollzugsanstalten befragt werden sollen – abgelehnt, ist hiergegen der Verwaltungsweg eröffnet. (Rn. 11)

Verfahrensgang

II StVK 253/19 2019-03-26 Bes LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin Prof. Dr. C G wird Ziffer 1. des Beschlusses der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26. März 2019 aufgehoben.
II. Das Verfahren wird an die Kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
III. Die Verfahrenskosten für beide Instanzen sowie die der Antragstellerin darin entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
IV. Der Beschwerdewert wird auf 250,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin hatte mit Schreiben vom 14.2.2019 beim kriminologischen Dienst des bayerischen Justizvollzugs in Erlangen beantragt, ihr für ein Forschungsvorhaben Zugang zu den Anstalten des bayerischen Justizvollzugs zur Durchführung von Interviews mit Bediensteten zu gewähren.
Der kriminologische Dienst des bayerischen Justizvollzugs in E. hat diesen Antrag mit Schreiben vom 4.3.2019 abgelehnt.
Dagegen hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 18.3.2019 Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG gestellt.
Diesen Antrag hat die Kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth mit Beschluss vom 26.3.2019, zugestellt am 6.11.2019, als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass eine gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG nur gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzugs oder des Vollzugs freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung beantragt werden könne. Vorliegend seien jedoch die spezifischen Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat und dem Gefangenen aufgrund des Strafvollzugsgesetzes oder der Regelungen zum Vollzug der Sicherungsverwahrung nicht betroffen.
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin mit Anwaltsschreiben vom 2.12.2019, eingegangen am selben Tage. Es wird unter anderem gerügt, dass die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht als unzulässig hätte verwerfen dürfen, sondern das Verfahren bei Beschreiten eines falschen Rechtsweges nach Gewährung rechtlichen Gehörs nach § 17a Abs. 2 GVG an das zuständige Gericht hätte verweisen müssen.
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf vorgenannte Schreiben und auf vorgenannten Beschluss verwiesen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Vorliegend ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach §§ 40 ff. VwGO eröffnet.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, da die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 116 Abs. 1 StVollzG).
2. Die angefochtene Entscheidung entspricht zwar der Rechtslage. Aus vorzitierten Gründen war ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG von vorneherein unzulässig.
Die Strafvollstreckungskammer hätte den Antrag gleichwohl nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Es hätte nämlich die gerichtliche Fürsorgepflicht geboten, das Verfahren bei Beschreiten eines falschen Rechtsweges nach Gewährung rechtlichen Gehörs nach § 17a Abs. 2 GVG an das zuständige Gericht zu verweisen (Spaniol in Feest/Lesting/Lindemann, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl. § 115 StVollzG Rn. 19; Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl. § 109 StVollzG Rn. 2; Bachmann in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl. Abschn. P Rn. 27; Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl. § 109 StVollzG Rn. 9; jeweils mit zahlreichen Nachweisen).
Tatsächlich handelt es sich um eine allein die Antragstellerin betreffende Verwaltungsangelegenheit. Die Antragstellerin hat beantragt, Bedienstete der bayerischen Justizvollzugsanstalten befragen zu dürfen. An Strafgefangene direkt wollte sie nicht herantreten. Die erstrebte Befragung betrifft somit zwar die Vollzugseinrichtung (insbesondere deren Hausrecht). Sie ist jedoch keine Vollzugsmaßnahme, da sie nicht aus den Rechtsbeziehungen aufgrund des Strafvollzugsgesetzes zwischen dem Staat und den Inhaftierten resultiert. Die Rechte und Interessen der Strafgefangenen, die selbst auch gar keinen Antrag gestellt haben, sind jedenfalls bei dieser Fallgestaltung in keiner Weise betroffen. Etwas anderes gilt etwa dann, wenn es um die Zulassung von Besuchergruppen oder um eine Drehgenehmigung in der Anstalt geht, da in diesen Fällen der Strafgefangene Kontakten mit beliebigen Dritten ausgesetzt ist. Eröffnet ist damit der Verwaltungsrechtsweg nach §§ 40 ff. VwGO (vgl. Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl. § 109 StVollzG Rn. 2; Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl. § 109 StVollzG Rn. 9; jeweils mit zahlreichen Beispielsfällen).
3. Die Strafvollstreckungskammer wird deshalb jetzt den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren und dann über die Verweisung des Verfahrens zu entscheiden haben.
III.
1. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 121 Abs. 4 StVollzG und § 467 StPO analog.
2. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 65, 60, 52 GKG.


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